Grieß: Anke Petermann aus Hessen. Bauchschmerzen also bei vielen hessischen Grünen, und einige werden wohl heute mit Nein stimmen bei der Frage, ob sie den Koalitionsvertrag annehmen wollen. So wie Franz-Rudolf Urhahn, in der Stadtpolitik von Mörfelden-Walldorf unter anderem zuständig auch für Umweltbelange. Mörfelden-Walldorf liegt im Süden Frankfurts. Herr Urhahn, guten Morgen!
Franz-Rudol Urhahn: Morgen!
Thielko Grieß: Warum freuen Sie sich eigentlich so wenig darüber, dass Ihre Partei nach langer Oppositionszeit endlich wieder regieren darf?
Urhahn: Na ja, wir sind eigentlich angetreten zusammen mit den Sozialdemokraten und den Linken. Wenn es denn notwendig gewesen wäre zu regieren. Jetzt sind wir mit der CDU zusammen möglicherweise in einer Regierung. Das löst bei mir jedenfalls keine große Freude aus.
Grieß: Sie haben also prinzipielle, vielleicht auch dogmatische Bedenken?
Urhahn: Dogmatisch würde ich nicht sagen, aber unser Wahlkampf war vollkommen anders angelegt. Wir wollten die "politische Wende" herbeiführen und die Skandalpartei CDU in die Regeneration schicken. Jetzt beatmen wir sie in der Regierung. Finde ich nicht richtig.
Grieß: Mörfelden-Walldorf stößt mit der Gemeindegrenze an den Flughafen. Dieser Flughafen, der große Flughafen, der größte in Deutschland, macht einigen Lärm fast rund um die Uhr. Aber da steht ja im Koalitionsvertrag auch einiges drin, das diesen Flughafen erträglicher machen soll. Warum gefällt Ihnen das alles nicht?
Urhahn: Es sind so viele Wenn und Abers drin, und es wird alles auf die operative Ebene geschoben. Es ist im Vertrag selbst aus meiner Sicht nichts festgeschrieben, auf das man sich hinterher berufen kann. Man verschiebt es entweder in die Obhut der Fraport selbst, also des Flughafenbetreibers, oder man denkt, man kann dann mit ministerialem, administrativem Vorgehen hinterher die Dinge richten. Und dabei kommt hinzu, dass viele Details, die im Vertrag genannt sind, meines Erachtens und aus meiner Kenntnis der Dinge in den letzten sechs Jahren so überhaupt nicht durchsetzbar sind. Beispiel: das sogenannte Lärmpausensystem, dass die Landebahnen oder die Startbahnen nur bestimmte Zeiten, eine Stunde weniger am Tag, benutzt werden. Das geht allein schon aus technischen Gründen nicht, weil zum Beispiel die neue Landebahn nicht für große Maschinen zugelassen ist, also für die ganz schweren. Wo sollen die hin, wenn die ankommen, wenn die anderen Bahnen Lärmpausen haben. Solche Details machen natürlich Probleme.
Grieß: Der Betreiber Fraport hat ja in dieser Woche zu erkennen gegeben, mit dieser Vereinbarung könne er sich anfreunden, die Lärmpausen seien zwar schwierig, aber machbar.
Urhahn: Ich hab Schultes – das ist der Vorstandsvorsitzende – Interview gelesen, an verschiedenen Stellen. Das sagt er nicht. Er sagt, es ist enorm schwierig. Und wenn es so einfach wäre, hätte man es ja schon lange gemacht. Er geht einen Schritt zurück und sagt, na ja, wenn die das vereinbaren, sollen sie es halt mal vereinbaren, aber mein Ding ist das nicht. Das ist meine Lesart dessen, was der Vorstandsvorsitzende sagt.
Grieß: Warum sollte der Flughafen das machen, wenn der politische Druck nicht da ist?
Urhahn: Der Flughafen sagt immer, er will in einer guten Nachbarschaft mit den Kommunen wohnen, weil er natürlich weiß, dass die Maschinen Krach machen und dass die es nicht überdehnen können. Und von daher hat er natürlich auch immer Interesse dran, eine gute PR zu haben.
Grieß: Haben Sie eine Erklärung dafür, Herr Urhahn, warum Ihre Parteiführung, namentlich vielleicht Tarek Al-Wazir, der scheidende Landesvorsitzende, aus Ihrer Sicht so schlecht verhandelt hat? Will er unbedingt Minister werden?
Urhahn: Also, in der Politik ist eine ganz wesentliche Komponente, die Macht zu haben, um Dinge umsetzen zu können. Von daher verstehe ich Tarek Al-Wazirs Wunsch, Minister zu werden und endlich operativ handeln zu können, durchaus. Das ist auch nichts Schlimmes. Dagegen richtet sich auch meine Kritik überhaupt gar nicht. Meine Kritik richtet sich dagegen, dass zum Beispiel nur zwei Ministerien jetzt ausverhandelt wurden. Wie will man damit dann wirklich gestalten, wenn die CDU in vielen anderen Bereichen definitiv zu macht. Und man hat die Option, die man ja gehabt hätte, zusammen mit den Sozialdemokraten und den Linken, meines Erachtens nicht bis zum Ende ausverhandelt, sondern ist den Weg des zuerst mal geringeren Widerstands gegangen.
Grieß: Gibt es denn Teile in Ihrer Partei, bei den Grünen in Hessen, die möglicherweise zu blauäugig sind und nun die Machtbasis der Konservativen weiter vergrößern?
Urhahn: Ja. Was ich so ein bisschen erlebt habe in den letzten Tagen, ist – na ja, eine Hybris wäre jetzt zu viel gesagt, aber so das Gefühl, am grünen Wesen soll die Welt genesen, und wir werden schon die Schwarzen in die liberalere Richtung bringen. Das halte ich ganz einfach für eine vollkommene Überschätzung unserer Position.
Grieß: Vor der Landesmitgliederversammlung, also auch sozusagen vor dem Eingang, so ist angekündigt, wollen Fluglärmgegner protestieren. Werden Sie sich dort heute einreihen?
Urhahn: Na ja, ich geh mal hin und werde sehen. Das hängt dann von der Situation und der spontanen Situation ab. Ich will meine Kritik aber innerhalb der Partei und natürlich auch nach außen äußern. Jede Position der Bürgerinitiative ist auch nicht das, was ich jetzt als möglich und machbar sehe.
Grieß: Sagt Franz-Rudolf Urhahn, Stadtpolitiker in Mörfelden-Walldorf, Mitglied der Grünen und erklärter Gegner vor allem des Lärms am Frankfurter Flughafen. Herr Urhahn, danke für das Gespräch heute Morgen!
Urhahn: Kein Problem. Schönen Tag!
Grieß: Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.