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"Hessische SPD muss sich an ihr Programm halten"

Nach Darstellung Oskar Lafontaines liegt eine rot-rote Zusammenarbeit in Hessen auf der Hand. "Die Programmatik zwischen der Linken und der Sozialdemokratie überschneidet sich auf Länderebene in großem Umfang", sagte der Parteichef der Linken. Bei einem Bündnis mit der FDP indes würde die SPD aus seiner Sicht ihre Wahlversprechen brechen.

Moderation: Elke Durak | 25.02.2008
    Elke Durak: Mit Sicherheit hätte Oskar Lafontaine jetzt das eine oder andere zu dem sagen können, was wir von Peter Struck eben gehört haben. Auch ihn, Lafontaine, hatten wir ja um ein Interview gebeten. Aber weil es bei ihm terminlich nicht anders ging, haben wir das Gespräch vorher aufgezeichnet.

    Lafontaine also solo zum Abschneiden der Linken in Hamburg und den Aussichten auf Kooperationen mit der SPD. Mit Blick auf den Einzug seiner Partei in das vierte westdeutsche Landesparlament habe ich ihn mit einem Zitat konfrontiert - einem leicht abgewandelten - und gefragt, wie ihm denn das bezogen auf heute so gefiele, nämlich "ein Gespenst geht um in Deutschland: das Gespenst des Kommunismus".

    Oskar Lafontaine: Ach das ist ganz nett, berührt uns aber wenig. Das Gespenst, das umgeht, ist die Linke, und die Linke verändert die deutsche Politik. Das wurde uns ja bescheinigt im letzten Jahr, das wird uns jetzt wohl auch bescheinigt werden in diesem Jahr. Ohne uns hätte es wesentliche soziale Korrekturen nicht gegeben. Ich denke an das Arbeitslosengeld, ich denke an die Zwangsverrentung, oder ich denke auch an den Mindestlohn, und diesen Weg werden wir fortsetzen.

    Durak: Das Zitat ist 160 Jahre alt, im Februar 1848 erschienen, "Das kommunistische Manifest". Sind Sie eigentlich Kommunist, Herr Lafontaine?

    Lafontaine: Nein!

    Durak: Was sind Sie dann?

    Lafontaine: Ich bin demokratischer Sozialist. Unter Kommunismus verstehe ich, dass man sich zu Thesen bekennt wie zur Diktatur des Proletariats oder zur Vollverstaatlichung der Wirtschaft. Solche Überlegungen hatte ich nie.

    Durak: Weshalb brauchen Sie denn in Ihrer Partei der Linken DKP-Mitglieder?

    Lafontaine: Brauchen wir nicht. Haben wir auch nicht.

    Durak: Auf Ihren Listen aber. Ich verbessere mich wie folgt: Sie haben auf Ihren Listen DKP-Mitglieder. Brauchen Sie die dort?

    Lafontaine: Das ist richtig. Dort brauchen wir sie auch nicht.

    Durak: Werden Sie sie rauswerfen?

    Lafontaine: Wir haben in der Auseinandersetzung in Niedersachsen eine klare Trennungslinie gezogen, das heißt in Niedersachsen der Parteivorstand und die Fraktion. Dies zeigt, wie wir zukünftig mit dieser Frage umgehen werden.

    Durak: Und gegenwärtig? Auf der Hamburger Liste sind auch DKP-Mitglieder.

    Lafontaine: Wir haben aus den Vorfällen in Niedersachsen gelernt, dass auf unseren Listen Mitglieder anderer Parteien nichts verloren haben.

    Durak: Das heißt, sollte es in Hamburg noch welche geben, dürfen die nicht ihren Platz einnehmen in der Bürgerschaft?

    Lafontaine: Nein. In Hamburg werden wir so verfahren wie in Niedersachsen. Das heißt, also so lange sich jemand zu den Zielen der Linken bekennt, kann er mitwirken. Wenn er in grober Weise dagegen verstößt, muss er aus der jeweiligen Fraktion ausgeschlossen werden.

    Durak: Was der Beck-Effekt für die SPD war oder ist könnte ja für Ihre Partei auch in Hamburg der DKP-Effekt gewesen sein, denn es war ja eigentlich mehr erwartet worden. Hatten Sie mehr erwartet?

    Lafontaine: Wir gingen von 7 Prozent aus, nun sind es 6,4. Darüber wollen wir nicht großartig diskutieren. Es ist auch immer schwer im Nachhinein, Ursachen zu erforschen. Für uns ist enorm wichtig. Niemand hätte vor einem Jahr vorausgesagt, dass wir in diesem Jahr schon im vierten westdeutschen Landtag sind.

    Durak: Der SPD-Bundesvorsitzende Beck hat gestern allerlei festgestellt - unter anderem dies: Nach der Hessen-Wahl und nach Hamburg habe sich gezeigt, der Kurs der SPD sei richtig. Themen und Wahlkampf hätten sich ausgezahlt. Nehmen Sie dieses Angebot an?

    Lafontaine: Ich glaube, dass das eher an die eigene Mitgliedschaft gerichtet ist, denn die beiden Wahlergebnisse in Hessen und in Hamburg sind ja, wenn man die SPD-Geschichte kennt, jeweils die zweitschlechtesten Ergebnisse. Für uns ist wichtig, dass wir die deutsche Politik verändern wollen. Auf Länderebene würde das heißen eine andere Kulturpolitik, also längeres gemeinsames Lernen. Es würde heißen ein gebührenfreies Studium für die Studentinnen und Studenten. Es würde heißen keine weitere Privatisierung. In Hamburg und in Hessen wäre das eine enorme Veränderung. Es würde heißen sichere Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst. Es würde heißen eine Rekommunalisierung der Energieversorgung. Die SPD hat in Hamburg, das haben wir begrüßt, diesen Programmpunkt von uns aufgegriffen. Diese Veränderungen wollen wir, und unsere Linie wird unabhängig von den Argumenten anderer Parteien bleiben: Wer auf dieser programmatischen Grundlage die Zusammenarbeit mit uns sucht, ist willkommen, wer nicht, nicht.

    Durak: Wie sieht das in Hessen aus? Welche Bedingungen sollte die SPD dort erfüllen, dass die Linken dort die Ministerpräsidentin mitwählen und auch ihr Programm mittragen?

    Lafontaine: In Hessen ist das sehr einfach. Die hessische SPD muss sich an ihr Programm halten. Wenn sie sich an ihr eigenes Programm hält, ist es kein Problem, mit der hessischen SPD zusammenzuarbeiten.

    Durak: Stimmt es nicht, dass Sie gefordert hätten, Frau Ypsilanti müsste sich vom Bundeswehreinsatz in Afghanistan abwenden?

    Lafontaine: Ich habe gesagt, dass es für uns natürlich auch wichtig ist, welche Haltung der jeweilige Spitzenkandidat einer anderen Partei, mit dem wir zusammenarbeiten sollen, auf Bundesebene einnimmt. Das ist zunächst einmal die Haltung zu Hartz IV und zur Agenda 2010. Das wäre in Hamburg ein großes Problem, denn der dortige Spitzenkandidat, Herr Naumann, ist nach wie vor ein Vertreter von der Agenda 2010 oder von Hartz IV. Das hat mit den Grundsätzen unserer Politik nichts zu tun.

    Anders ist das in Hessen: Dort hat sich Frau Ypsilanti immer wieder von diesen Fehlentscheidungen distanziert. Das ist eine andere Voraussetzung. Im Übrigen ist es natürlich auch wichtig, dass jemand, der mit uns zusammenarbeitet, auch nicht ein energischer Befürworter rechtswidriger Kriege ist. Aber wir wissen natürlich, dass über den Einsatz der Bundeswehr nicht in Hamburg oder in Hessen entschieden wird.

    Durak: Aber eine Position sollte eine Ministerpräsidentin ja haben. Wie stellen Sie sich das denn vor in Hessen, Herr Lafontaine, oder wie sollten es die Linken in Hessen tun? Sollte es direkte Gespräche und Verhandlungen geben, oder begnügt man sich mit dem Katzentisch?

    Lafontaine: Es gibt für uns zunächst gar keine Veranlassung, darüber zu spekulieren. Der Ball liegt im Feld der anderen Parteien.

    Durak: Aber Sie werden doch auch was wollen.

    Lafontaine: Ja, wir wollen, das sagen wir immer, eine andere Politik. Und wer auf der Grundlage dieser Programmatik, die ich vorhin angesprochen habe, mit uns zusammenarbeiten will, ist willkommen. Und wie gesagt: Es muss auch wichtig sein, es ist ganz wichtig, dass sich die Sozial- und Steuerpolitik beispielsweise im Bundesrat ändert, denn dort bestimmen die Länder mit. Auf dieser Grundlage sind wir zur Zusammenarbeit bereit. Das Problem in Hessen ist, dass die Parteien sich so festgelegt haben und insbesondere auch leider Frau Ypsilanti, dass, egal, was sie macht, sie bricht immer ihr Wort.

    Durak: Herr Lafontaine, es wackelt in der SPD, was die Zusammenarbeit - ob nun aktiv oder nicht aktiv, das will man mal dahingestellt sein lassen -, es wackelt in der SPD, was diese Zusammenarbeit betrifft. Immer mehr Führungsleute sagen auch, na ja, man könnte ja darüber nachdenken. Ist das vielleicht eine Generationenfrage, weil die alten Granden mit Oskar Lafontaine nicht können und Sie nicht mit denen?

    Lafontaine: Das weiß ich nicht. Letzteres muss ich bestreiten. Ich habe noch nie meine politischen Entscheidungen nach irgendwelchen Nasen ausgerichtet, ob mir der oder der passt. Ich orientiere mich streng an der Sache. Die SPD muss sich eben entscheiden, ob sie ihre eigene Programmatik ernst nimmt oder ob sie weiterhin an Vorstellungen festhält, die sie bei den Wählerinnen und Wählern weiter unglaubwürdig machen. Ich nehme jetzt einmal Hessen: Die Programmatik zwischen der Linken und der Sozialdemokratie überschneidet sich auf Länderebene in großem Umfang. Es würde sich also aufgrund der Programmatik eine Zusammenarbeit anbieten. Wenn dann gesagt wird, wir wollen aber lieber mit der FDP zusammenarbeiten, dann heißt das für die hessischen Wählerinnen und Wähler, die SPD will dort alle ihre Wahlversprechen brechen. Das ist aber Sache der SPD, nicht Sache der Linken.

    Durak: Braucht die Linke eine innere Reform, um mehrheitlich regierungsfähig zu werden, oder soll es erst mal bei der Protestpartei bleiben?

    Lafontaine: Die Linke braucht keine innere Reform, denn diese Frage ist in dem jetzigen Umfeld wirklich nicht angebracht. Angebracht wäre die Frage an die anderen Parteien. Wir haben nach der Hessen-Wahl und nach der Hamburger Wahl das gesagt was normal ist. Auf der Grundlage unserer Programmatik, also auf der Grundlage dessen, was wir den Wählerinnen und Wählern als Programm vorgestellt haben, sind wir zur Zusammenarbeit mit anderen Parteien bereit. Die anderen Parteien haben andere, teilweise abartige Erwägungen, aber das ist deren Problem.

    Durak: Oskar Lafontaine, Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag und Bundesvorsitzender dieser Partei. Danke für das Gespräch, Herr Lafontaine.

    Lafontaine: Bitte sehr.