Archiv


"Hier ging es nicht um das Thema Steuersenkung"

Offenbar gibt es Solche, die den Koalitionsbeschluss vom Donnerstag als Steuersenkung interpretiert haben. Falsch, sagt Jürgen Koppelin und re-zitiert den FDP-Dreitakt: Erst vereinfachen, dann gerechter machen und schließlich senken.

    Jürgen Koppelin, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion
    Jürgen Koppelin, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion (Deutscher Bundestag)
    Dirk Müller: Die große Reform ist ausgeblieben, obwohl sie versprochen war. Doch dann kam die Wirtschafts- und Finanzkrise. Alles wurde wieder eingestampft. Also keine große Steuerreform. Trotz der nun brummenden Konjunktur, fragen viele. Dafür gibt es jetzt Steuervereinfachungen, die die Koalition gestern Abend beschlossen hat, verbunden mit Entlastungen für Arbeitnehmer und noch mehr Entlastungen für die Unternehmer. Sigmar Gabriel spricht von einer Nettolüge der Koalition.
    Am Telefon ist nun der FDP-Haushaltspolitiker und Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Jürgen Koppelin. Guten Tag.

    Jürgen Koppelin: Ja, guten Tag.

    Müller: Herr Koppelin, machen Sie da mit bei diesem Kosmetikpröbchen pünktlich zu Weihnachten?

    Koppelin: Also ich bin über dieses Wirrwarr, was ich da eben gerade bei Ihnen über den Sender hörte, mehr als erstaunt. Die haben anscheinend die Zielsetzung dieser Beschlüsse nicht erkannt. Hier ging es einfach darum, dass wir den ersten Teil unserer Beschlüsse – und Sie kennen das bei der FDP, einfacher, gerechter, niedriger, so ist unser Konzept für diese Legislatur -, dass wir gesagt haben, einfacher, dass das jetzt der erste Schritt ist. Hier ging es nicht um das Thema Steuersenkung. Da haben sich anscheinend einige vertan, auch der Herr Gabriel. Der redet ja auch heute so und morgen so. Ich kann nur sagen, jetzt geht es um einfacher und das ist der erste Schritt.

    Sie müssen allerdings auch wissen, wenn sie den zweiten Schritt tun, einfacher: Hier geht es also auch um den Abbau von Bürokratie. Es geht darum, dass man nicht jeden Beleg noch sammeln muss und dieses und jenes mehr. Da kommen wir dann auch zu dem, was ja einstmals auch Herr Professor Kirchhof gefordert hat, ein einfacheres Steuersystem, und Sie wissen, wie das geendet ist. Da hat es plötzlich viel Kritik gegeben, denn dann gehen sie teilweise auch an Privilegien heran. Aber das müssen wir teilweise. Wir müssen sagen, wir wollen es noch einfacher machen, aber das führt eben auch dazu, dass du vielleicht in dem einen Bereich nicht mehr alles einreichen kannst und dadurch vielleicht ein bisschen mehr zahlst, und auf der anderen Seite wirst du aber auch entlastet und hast dann weniger. Also das gehört ebenfalls zu dieser Diskussion dazu. Es ging aber nicht darum, Steuern zu senken, um das mal ganz deutlich zu sagen.

    Müller: Herr Koppelin, jetzt haben Sie gesagt, das haben viele falsch verstanden, vor allen Dingen die Journalisten vor Ort, die Journalisten in Berlin.

    Koppelin: Nein!

    Müller: Habe ich dann auch falsch verstanden, weil seit wann kann ich die FDP nicht mehr mit Steuersenkungen verbinden?

    Koppelin: Natürlich! Ich wiederhole mich da noch einmal, aber ich bin ja auch dankbar, dass Sie mir diese Frage so stellen, weil ich das dann noch einmal sagen kann. Unser Konzept – das finden Sie auch in unserem Wahlprogramm, nur man hat sich auf das Letztere immer fixiert – ist erstens einfacher, da sind wir jetzt dabei, zweitens (das wird der nächste Schritt sein) gerechter und drittens kommen dann die Steuersenkungen.

    Müller: Jetzt würden sich viele Bürger freuen, wenn das umgekehrt ist.

    Koppelin: Darf ich noch sagen: jetzt sind wir bei Nummer 1, einfacher, und zu einfacher gehört Bürokratieabbau, nicht mehr das viele Sammeln von irgendwelchen Belegen und dieses oder jenes. Ich meine, ich fand das auch in dem Beitrag eben sehr interessant, dass Ihre Kollegin in ihrem Beitrag sagte, ich habe es sogar mitgeschrieben, zukünftig können Steuererklärungen nur noch alle zwei Jahre abgegeben werden. Ja was soll denn das? Das ist was Positives! Was heißt "nur noch"? Das ist ja negativ formuliert. – Nein, es ist schön, dass sie alle zwei Jahre das jetzt nur noch machen müssen, das ist das Positive, statt das so negativ zu sehen.

    Müller: Aber sie muss dann auch weniger bezahlen.

    Koppelin: Was heißt "weniger bezahlen"?

    Müller: Für die Steuererklärung beziehungsweise Steuern dann in zwei Jahren.

    Koppelin: Ja, das spart doch Geld. Auch diejenigen vor allem, die das selber machen. Es hat ja nicht jeder einen Steuerberater und das ist ja auch nicht notwendig, ist ja auch gut so. Wissen Sie, das Entscheidende ist doch, damit muss man sich doch mal beschäftigen, dass 60 Prozent aller Literatur über Steuern in deutscher Sprache geschrieben wurden auf der ganzen Welt. Das muss uns doch mal beschäftigen.

    Müller: Aber Herr Koppelin, ich muss Sie noch mal unterbrechen, erklären Sie uns das noch mal.

    Koppelin: Das können Sie gerne, ja.

    Müller: Wir haben ja auch über diesen Pauschalbetrag für Arbeitnehmer gesprochen, von 920 Euro auf 1.000 Euro. Das heißt, unter dem Strich hätte der Arbeitnehmer jetzt etwas mehr Geld in der Tasche?

    Koppelin: Ja.

    Müller: Der Bund der Steuerzahler hat gestern gesagt, reicht für eine Tasse Kaffee im Monat, aber darauf wollen wir jetzt nicht weiter eingehen. Wenn ich jetzt alle zwei Jahre nur abrechnen kann, so ist das doch ein Nachteil.

    Koppelin: Sie können, Sie müssen ja nicht. Das kommt immer auf den jeweiligen Individualfall an. Aber in diesem Fall ist es ja auch so, jetzt kommen Sie auch mit der Tasse Kaffee; es geht nicht um Steuersenkungen in diesem Fall. Es geht um das Vereinfachen, dass sie nicht mehr nun jeden Beleg sammeln müssen. Ich könnte Ihnen ja auch andere Beispiele nennen zur Vereinfachung. Das haben Sie jetzt nicht erwähnt, das ist ja bei Journalisten so, ich habe ja den Beruf selber mal ausgeübt, insofern will ich Sie ja gar nicht kritisieren. Nehmen Sie mal die Entfernungspauschale. Mal fahren sie mit dem öffentlichen Verkehrsmittel, mal fahren sie mit dem Auto. Das mussten sie bisher jährlich deutlich machen, Vergleichsrechnungen aufstellen, wann sind sie mit dem Auto gefahren, wann mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Das entfällt zukünftig, es ist pauschal abzurechnen. Das sind alles diese Vereinfachungen für den Bürger, bringt ihm wahrscheinlich auch keine Tasse Kaffee, oder vielleicht bringt es ihm auch drei Tassen Kaffee, vielleicht trinkt er auch nur Tee.

    Müller: Herr Koppelin, Sie sagen, also noch keine Zeit, noch kein Geld, wie auch immer für Steuersenkungen, wir fangen an mit Steuervereinfachungen.

    Koppelin: Das ist doch unser Konzept!

    Müller: Auf der anderen Seite hat die FDP ja keine Probleme damit gehabt, Steuern zu erhöhen und auch Beiträge zu erhöhen.

    Koppelin: Dann müssen Sie mir mal sagen, wo wir die Steuern erhöht haben.

    Müller: Flugsteuer!

    Koppelin: Entschuldigung.

    Müller: Tabaksteuer!

    Koppelin: Richtig. Das ist eine Abgabe, da sage ich Ihnen auch was. Bei Tabaksteuer – Entschuldigung, ich rauche auch, aber ich bin nicht verpflichtet zu rauchen. Das gehört nicht zum Lebensstandard dazu. Ich kann mir das Rauchen abgewöhnen, diese Steuer brauche ich nicht zu bezahlen, wenn sie nicht wollen.

    Müller: Beim Fliegen auch?

    Koppelin: Beim Fliegen? – Da habe ich auch eben Herrn Gabriel mit der Kritik gehört. Alle Parteien waren sich einig, und zwar aus Umweltgründen, dass eine bestimmte Steuer da erbracht werden sollte, aus bestimmten Gründen, wo ein Teil auch dann in Projekte der Umwelt hineingeht. Das war allgemeine Meinung und das ist typisch Herr Gabriel. Im Plenum redet er so und draußen redet er so populistisch. Da hat man sich langsam dran gewöhnt. Das ist nur keine konkrete Politik.

    Müller: Herr Koppelin, jetzt sagen viele, es ist typisch FDP: es gibt keine Steuersenkungen, aber für die Hoteliers.

    Koppelin: Entschuldigung, das ist doch alter Kaffee.

    Müller: Wirkt aber noch nach!

    Koppelin: Ich bleibe bei der Tasse Kaffee. Diesmal ist es alter Kaffee, den Sie da servieren, denn es ist natürlich so – und da merke ich schon, Sie haben noch nie FDP gewählt, sonst würden Sie mir diese Frage nicht stellen -, das ist natürlich ein Fehler gewesen. Das wissen Sie auch, dass ich dagegen an gewesen bin. Auf der anderen Seite muss man auch akzeptieren, dass da Arbeitsplätze gesichert wurden. Ich kann nur dringend raten, diese Senkung der Steuer für die Hoteliers in etwa einem Jahr abzuschaffen, weil dann hat das den Sinn erfüllt, nämlich dass alle investieren, renovieren konnten in den Hotels. Da haben wir ja auch schon positive Ergebnisse. Aber das wäre meine Empfehlung, vielleicht über den Bundesrat in einem Jahr zu sagen, das machen wir auf den normalen Zustand wieder, wenn wir nämlich uns mit dem Thema Mehrwertsteuer beschäftigen, weil wir auch da ja die Anpassung vornehmen wollen, und dann kann natürlich diese Steuer so nicht bleiben. Also Sie sehen: wir sind voll dabei und am Ende der Legislatur – und das nehmen wir uns vor – kommen Steuersenkungen, denn der Staat hat genug Geld, er geht nur nicht vernünftig damit um. Und ich sage Ihnen zu: es werden Steuersenkungen kommen, weil wir sie brauchen, auch als Antrieb für die Binnennachfrage.

    Müller: ... , verspricht der FDP-Haushaltspolitiker Jürgen Koppelin heute Mittag im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Koppelin: Bitte schön!

    Steuerrecht soll einfacher werden - Koalition beschließt Entlastungen

    Sigmar Gabriel zum Klimagipfel in Cancun und Steuerbeschlüssen der Koalition