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Hocker: Kleinanleger sollten langfristig bei ihrer Anlage bleiben

Angesichts der schwankenden DAX-Kurse hat der Geschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz, Ulrich Hocker, dem Kleinanleger dazu geraten, sein Geld langfristig anzulegen. Die Kursstürze der letzten Tage hätten vor allem Banken und Versicherungen Verluste eingebracht. Die Industrie dagegen habe langfristige Aufträge und die Auftragsbücher seien weiterhin voll und würden abgearbeitet.

Moderation: Silvia Engels |
    Silvia Engels: Sie haben es in den Nachrichten gehört. Die Händler an der Wall Street und in Fernost haben sich ein vorsichtiges Durchatmen erlaubt. Die wichtigsten Leitindizes in New York und in Asien schlossen nach den Kursstürzen der letzten Tage im Plus. Und auch in Frankfurt am Main orientiert sich der DAX wieder nach oben. Am Telefon begrüße ich Ulrich Hocker. Er ist Geschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz. Guten Tag Herr Hocker!

    Ulrich Hocker: Guten Tag Frau Engels!

    Engels: Das klingt ja danach, als ob jetzt der Zeitpunkt gekommen sei, um wieder einzusteigen?

    Hocker: Wenn man das so sieht, dann war gestern der Zeitpunkt einzusteigen. Dann hätte man jetzt schon Gewinne gehabt. Es ist auf jeden Fall - das muss man sagen - erst mal eine technische Reaktion. Man muss in den nächsten Tagen schauen, ob sich das verstetigt, und da kann man sich noch nicht so ganz sicher sein. Die Märkte werden volatil sein und bleiben, denn eine einheitliche Meinung hat sich ja noch nicht gebildet.

    Engels: Die Märkte sind volatil. Sie sagen es. Was heißt das für den Kleinanleger? Sollte er besser die Finger davon lassen, weil er es eh nicht steuern und einschätzen kann?

    Hocker: Der Kleinanleger muss das grundsätzlich wie folgt sehen: Die Börsenentwicklung ist kurzfristig volatil, wie wir gesagt haben. Die Geschäftsentwicklung ist aber langfristig. Im Grunde genommen kann man das so sagen nach dem alten Spruch von Kostolany: die Geschäftsentwicklung ist der Mann, der spazieren geht, der einen Hund dabei hat. Der Hund geht mal vor, mal zurück und er kommt aber immer wieder zu dem Mann zurück. Der Hund ist die Börsenentwicklung, der Mann ist die Geschäftsentwicklung. Zurzeit läuft der Hund weit vor oder weit zurück. Gerade deswegen sollte der Kleinanleger im Grunde genommen immer langfristig bei seiner Anlage sein, denn dann folgt irgendwann der Hund auch der Geschäftsentwicklung.

    Engels: Dann schauen wir nicht so sehr auf den Hund, sondern auf den Hundehalter. Auf dem Papier sind ja in den letzten Tagen Milliarden von Euro verloren gegangen. Schlägt das dann auch auf die reale Wirtschaft irgendwann durch? Das heißt muss der Anleger einfach Abstriche machen bei seiner Langfristerwartung?

    Hocker: Das muss ich wie ein Jurist beantworten: Das kommt darauf an. Es gibt natürlich Unternehmen - ich sage jetzt Banken, Versicherungen -, die müssen abschreiben und da gibt es garantiert auch Verluste, die nicht mehr zurückzuholen sind. Stichwort Amerika, was wir über Wochen schon diskutieren. Das andere ist: die Maschinenbauindustrie zum Beispiel, die Energieversorger, die verdienen gleichmäßig viel Geld. Die machen auch keinen Abstrich von ihren Prognosen und die werden uns wie auch viele andere Unternehmen in diesem Jahr mit fürstlichen Dividenden verwöhnen. Von daher kann ich mir nur vorstellen, dass es sicherlich dort in diesem Bereich sich durchaus lohnt, auch wieder einzusteigen.

    Engels: Aber von den Bankenpapieren raten Sie weiterhin ab?

    Hocker: Das ist auch schwierig. Die Banken sind ja schon gedrückt. Die Frage ist: Wie weit gehen sie noch? Ist dieser Verlust schon eingepreist? Ich glaube, dass zum Beispiel eine Deutsche Bank - unsere größte Bank -, die ihre Verluste bisher natürlich auch offen gesagt hat, die nicht so hoch sind, die hat ein Kursgewinnverhältnis von fünf bis sechs und allein eine Dividendenrendite von wahrscheinlich über fünf Prozent. Da kann man sich wirklich jetzt fragen: die Dividendenrendite ist höher als die Kapitalmarktrendite. Ist das nicht eine Möglichkeit, auch wieder einzusteigen und langfristig an dieser Bank, die ja mit die erfolgreichste deutsche Bank ist, festzuhalten.

    Engels: Die Renditemöglichkeiten und Einschätzungen sind das eine, aber der gesamte Bankensektor auch in Deutschland hat doch einen massiven Vertrauensverlust erlebt. Muss man das nicht auch berücksichtigen?

    Hocker: Das ist richtig, aber die Frage ist: Ist das schon eingepreist? Die Aktien haben ja auch schon massiv an Wert verloren. Man muss ja sehen: Man steigt heutzutage billiger ein als noch vor vier, fünf Wochen zum Beispiel. Ich gehe davon aus, dass natürlich so große Banken wie auch die Deutsche Bank sicherlich nicht mehr sehr teuer sind am Markt.

    Engels: Herr Hocker, der Münchener ifo Geschäftsklimaindex ist leicht gestiegen. Damit hatte man nicht gerechnet. Darin sind ja die Unternehmenserwartungen zusammengefasst. Wie ordnen Sie das ein?

    Hocker: Erst einmal weiß ich nicht, ob der ifo Geschäftsklimaindex, der ja recherchiert wird, vielleicht recherchiert worden ist zu Zeiten, wo es noch nicht so volatil war. Das will ich jetzt nur mal fragen, ob das der Fall ist. Auf der anderen Seite bestätigt er natürlich auch das ruhige Laufen des Mannes. Bei der Industrie geht das nicht so schnell. Die Industrie hat langfristige Aufträge, langfristige Investitionen und die Auftragsbücher sind nach wie vor - wie ich so höre - voll und werden abgearbeitet. Deswegen wird es der Industrie so schnell nicht schlechter gehen. Sie dürfen ja nicht vergessen: Wir profitieren zurzeit am Aufbau der Welt in dritten Ländern und in Schwellenländern, zum Beispiel in Indien, China oder Osteuropa. Davon profitiert die deutsche Industrie.

    Engels: Über Hunde, DAXe, Banken und Hundehalter sprachen wir mit Ulrich Hocker. Er ist Geschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz. Ich bedanke mich für das Gespräch!