Dienstag, 19. März 2024

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Hohenzollern-Streit
"Weichgezeichnetes Kaiserreich"

Hat die Familie Hohenzollern dem Nationalsozialismus "erheblichen Vorschub" geleistet? Wenn ja, haben sie keinen Anspruch auf Entschädigung für die Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Historiker Eckart Conze sagte im Dlf, das symbolische Gewicht des Engagements des Kronprinzen sei von entscheidender Bedeutung.

Eckart Conze im Gespräch mit Anja Reinhardt | 12.07.2020
Der Historiker Eckart Conze am 11.10.2018 auf der Frankfurter Buchmesse.
Der Historiker Eckart Conze forscht zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts und lehrt an der Philipps-Universität Marburg (imago stock&people)
Vor wenigen Tagen hat der frühere Brandenburger Finanzminister Christian Görke (Die Linke) noch mal an Georg Friedrich Prinz von Preußen appelliert, die Klage gegen das Land Brandenburg fallen zu lassen, dann sähe er größere Chancen auf eine Einigung. Es geht um die Rückgabe von Kunstgegenständen und 1,2 Millionen Euro Entschädigung vom Land Brandenburg für Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Sowjetunion.
Auch mit dem Bund ist die Familie im Gespräch, Kulturstaatsministerin Monika Grütters bezeichnete den Stand er Verhandlungen zu Beginn des Jahres als "schwierig". Gutachten von vier Historikern kommen zu einem geteilten Ergebnis, was den Vorwurf, die Hohenzollern hätten dem Nationalsozialismus "erheblichen Vorschub" geleistet, angeht. Der Marburger Historiker Eckart Conze sagt: "Wilhem von Preußen, der Kronprinz und damit einer der prominentesten Vertreter des deutschen Hochadels war sehr erheblich verstrickt mit dem aufsteigenden Nationalsozialismus."
"Schulterschluss zwischen Nationalsozialisten und altem preußischen Deutschland"
Man dürfe nicht außer acht lassen, wie hoch die Symbolik des öffentlichen Bekenntnisses der Hohenzollern für die Nationalssozialisten gewesen sei. Unter anderem beim sogenannten "Tag von Potsdam", an dem der Kronprinz mit seiner Anwesenheit bei diesem Staatsakt die Reichskanzlerschaft Hitlers legitimierte. Dieser Tag "wird inszeniert als der Schulterschluss zwischen den aufsteigenden Nationalsozialisten und ihrer nationalen Revolution und dem alten, konservativen preußischen Deutschland." Damit hätten sich die Nationalsozialisten symbolisch in die Geschichte Preußens bis hin zu Friedrich dem Großen einschreiben können.
Das symbolische Gewicht dieser Unterstützung sei von entscheidender Bedeutung, analysiert Conze. Sein Urteil als Historiker könne deswegen nur lauten, dass die Hohenzollern dem Nationalsozialismus "erheblichen Vorschub" geleistet hätten, auch wenn er einer juristischen Logik nicht vorgreifen könne. Das zeige auch das Engagement des Bruders des Kronprinzen, der der NSDAP und der SA beigetreten war und Wahlkampf betrieb.
"Veränderung im geschichtspolitischen Klima"
Die Hohenzollern seien nicht irgendeine Familie, sondern "das ist die Familie des letzten Kaisers und das gibt dem Ganzen eine geschichtspolitische Bedeutung, die zwingend einer öffentlichen und kritischen Debatte bedarf", so Eckart Conze. Das dehne sich auf die Zeit des Kaiserreiches aus, er sehe eine Tendenz, das in der Wissenschaft belegte kritische Bild Wilhelms II und vor allem dessen Rolle im Vorfeld des Ersten Weltkrieg "zu revidieren". Daraus ergäbe sich dann auch ein "weichgezeichneteres Bild des Kaiserreiches insgesamt".
Er sehe eine "Veränderung im geschichtspolitischen Klima", die autoritären Strukturen, die Kriege, auf denen die Reichsgründung von 1871 basiert, würden teilweise zugunsten einer Fokussierung auf den Nationalstaat vernachlässigt, um das Kaiserreich anschlussfähig an die Bundesrepublik zu machen. In den Forderungen der Familie Hohenzollern spiegelten sich wichtige geschichtspolitische Auseinandersetzungen.