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Diskussion zum Holocaust-Gedenken
"Neue Art von Antisemitismus und Rassismus"

"In den höheren Etagen, in den Vereinsorganisationen und in den Strukturen", sieht Alon Meyer, Vorsitzender von Makkabi Deutschland, seit einigen Jahren einen neuen Antisemitismus und Rassismus, berichtete er bei einer Podiumsdiskussion im Deutschen Fußballmuseum.

Alon Meyer, Vorsitzender des TuS Makkabi Frankfurt und Präsident von Makkabi Deutschland
Alon Meyer, Vorsitzender des TuS Makkabi Frankfurt und Präsident von Makkabi Deutschland (Roland Holschneider/dpa)
Die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz jährt sich zum 75. Mal. Der 27. Januar ist seit 2006 Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Daher widmet sich das Sportgespräch einer Diskussionsrunde, die im November 2019 im Deutschen Fußballmuseum aufgezeichnet wurde.
Anlass war die Übergabe des einzigen noch existierenden jüdischen Meistertrikots aus den 30er-Jahren, getragen von Max Girgulski von Eintracht Frankfurt. Der Ausnahmespieler flüchtete nach Südamerika und nahm sein Trikot mit - seine Tochter übergab dieses Trikot nun dem Fußballmuseum in Dortmund.
Susana Baron, Tochter von Max Girgulski, und Manuel Neukirchner, Direktor des Deutschen Fußballmuseums, bei der Trikotübergabe.
Mehr als nur ein Trikot
Das einzige erhaltene Fußball-Trikot der jüdischen Makkabi-Bewegung im Dritten Reich wurde im November dem Deutschen Fußballmuseum übergeben. Es gehörte einst dem Frankfurter Ausnahmespieler Max Girgulski und erzählt eine Geschichte, die deutlich macht, wohin Antisemitismus führt.
Es sei nicht einfach, diese historischen Erfahrungen in die Gegenwart zu transportieren, doch durch ein authentisches Exponat werde Geschichte greifbar und erlebbar, sagte Andreas Eberhardt, der Vorsitzende der Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft.
Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland, stimmte zu. Ziel müsse es sein, Menschen zu erreichen, die nie in ein Museum gehen würden und Jugendliche für das Thema zu sensibilisieren. "Das ist unsere Verpflichtung hier in Deutschland."
Demokratieverständnis kein Automatismus
Demokratieerziehung sei "ein wesentlicher Gesichtspunkt in der Abwehr von antisemitischen oder rassistischen Vorfällen und vielleicht auch die einzige Möglichkeit, einer so verbal terroristischen Vereinigung wie der AFD zu widerstehen", pflichtete auch Gundolf Walaschewski bei, der Präsident des Fußball- und Leichtathletik-Verbands Westfalen.
Man sei zu lange davon ausgegangen, dass das Demokratieverständnis ein Selbstläufer sei, da sei man sich der Verantwortung nicht richtig bewusst gewesen, warf Alon Meyer von Makkabi Deutschland ein. "Und da muss jetzt ein Umdenken stattfinden nicht nur in Ansprachen, sondern auch in Taten." Dass zahlreiche Projekte eingestellt werden, dafür findet Meyer überhaupt kein Verständnis. "Dann frage ich mich wohin investieren wir, wenn nicht in die Zukunft? Wenn nicht in die Jugend?"
Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, während einer Pressekonferenz zum Thema "Entschlossenes Handeln gegen den neuen Antisemitismus in Deutschland" in Berlin
"Wir müssen unsere Instrumente schärfen"
Der Verfassungsschutz habe den Rechtsterror in der Vergangenheit unterschätzt, sagte Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung im Dlf. Klein forderte antisemitische Straftaten sollten ein eigener Straftatbestand werden.
Ausstellungen, Israel-Reisen und Ethikkodex
FLVW-Präsident Walaschewski berichtete von Aktionen des Deutschen Fußball-Bundes, der jährlich mit einer Junioren-Auswahlmannschaft nach Israel gefahren ist und dort auch Kontakte knüpfte, in der Sportschule habe es eine Ausstellung zum Thema Arbeitersportbewegung gegeben, zudem Satzungsänderungen und einen Ethikkodex für den FLVW.
Gleichzeitig mahnte er an, dass Vereine, Funktionäre oder andere, die in irgendeiner Form Verantwortung trafen, noch mehr sensibilisiert werden müssen. "Also ich kann mich nicht erinnern, mal den Eintrag eines Schiedsrichters im Spielbericht über diese rassistischen oder antisemitischen Beleidigungen gelesen zu haben." Bei solchen Vorfällen müsse man entschiedener vorgehen – es könne durchaus auch zu Verbandsausschlüssen kommen. "Das glaube ich aber, ist die Ultima Ratio. Zunächst sollten wir versuchen, das Ganze mit dem Versuch einer besseren Diskussions-, Streit- und Fankultur bei den Fußball-Gruppen, bei den Fans und bei den Vereinen in den Griff zu kriegen."
Plakat zeigt Hamad ibn Dschasim ibn Dschabir Al Thani, ehemaliger Premierminister von Katar, der den Fußball-WM-Pokal in Händen hält
WM-Vergabe nach Katar - "Das ist ein Armutszeugnis für den Sport"
Der Sport könne nicht unpolitisch sein, sagte Gundolf Walaschewski, Präsident des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen, im Dlf. Er stellte deswegen infrage, ob der DFB zur WM 2022 in Katar fahren solle.
Ein Schiedsrichter müsse erstmal erkennen, was da stattfindet, ergänzte Eberhardt, der Vorsitzende der Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft. "Wir sollten nicht so tun, als ob jemand das immer sofort im in Alltagssituationen erkennen kann und auch handeln kann." Man müsse die Menschen dazu befähigen und stark machen, in solchen Situationen entsprechend zu handeln.
"Neue Art von Rassismus": Anti-Israel-Einstellung
Stephanie Dilba von den Löwen-Fans gegen Rechts vermisst vor allem die Nachhaltigkeit. Sie nimmt die Vereine stärker in die Pflicht, denn Fans alleine erreichten nicht so viele Menschen. Es sei aber nicht damit getan, dass die Fußballer eine Plakataktion starten. Vereine hätten die Verantwortung, sich für ihre Werte einzusetzen – durch Erinnerungs- und Aufklärungsveranstaltungen, durch Diskussionsrunden, durch die verschiedenen Themen im Stadion. "Bei allen Vereinen gibt es immer wieder Themen, ob es jetzt Rassismus, Rechtsextremismus, Homophobie, Sexismus ist."
„Jetzt liegt es an uns, aufzustehen“
Alon Meyer ist Präsident des jüdischen Sportverbands in Deutschland. Er beobachtet vermehrt antijüdische Anfeindungen. Die Urheber seien fast ausschließlich Sportler mit muslimisch-arabischem Hintergrund, sagt Meyer.
Alon Meyer von Makkabi Deutschland erwähnte zudem eine "neue Art des Antisemitismus und Rassismus, der in den letzten drei, vier, fünf Jahren verstärkt auftritt. In den höheren Etagen, in den Vereinsorganisationen und in den Strukturen beziehungsweise bei den Sportverbänden im Vorstand." Er habe den Eindruck, dass eine Anti-Israel-Einstellung "salonfähiger wird".
Israelische Fußballer, die bei Trainingslagern oder Auswärtsspielen in muslimischen Ländern keine Einreiseerlaubnis bekommen, würden von den Vereinen zurückgelassen. "Da fährt die Mannschaft nach Katar nach Dubai, wo auch immer und lässt diesen einen Spieler, den israelischen Spieler, der keine Einreise kriegt auf Grund seiner Staatsbürgerschaft, lässt sie den dann wirklich zuhause?"
Vereine würden abwägen, ob sie einen israelischen Spieler überhaupt unter Vertrag nehmen sollten - "mit all dem Kopfschmerzen, die damit einhergehen. Ich kann ich kann da wirklich nur schämen, dass überhaupt solche Fragen aufkommen."
Es diskutierten der Präsident von Makkabi Deutschland, Alon Meyer, Gundolf Walaschewski, der Präsident des Fußball- und Leichtathletik-Verbands Westfalen, Antisemitismusforscher Florian Schubert, Stephanie Dilba von den Löwen-Fans gegen Rechts und Andreas Eberhardt, der Vorsitzende der Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft.