"Well, it's basically a hormone that makes us feel hungry."
Die aus Portugal stammende Ernährungsmedizinerin Catia Martins von der norwegischen Universität Trondheim spricht hier von Ghrelin. Dieses Hormon wird vom leeren Magen ausgeschüttet, gelangt ins Blut und sorgt in unserem Körper für Hungergefühle. Je höher die Ghrelin-Konzentration im Blut, desto stärker wird der Hunger.
Nach Abnahme steigt die Ghrelin-Konzentration im Blut
Catia Martins erforscht, welche Rolle Ghrelin bei stark übergewichtigen Menschen spielt. Sie hat eine Gruppe von Probanden begleitet, die über zwei Jahre lang ein spezielles Programm zur Gewichtsabnahme durchliefen. Keine strikte Diät, sondern viel Bewegung, gepaart mit psychologischer Unterstützung und einer Beratung zu gesunder Ernährung. Im Schnitt wogen die Teilnehmer zu Beginn 125 Kilogramm. Nach zwei Jahren waren es durchschnittlich elf Kilo weniger. Im Verlauf der Langzeitstudie analysierte die Forscherin immer wieder die Ghrelin-Konzentration im Blut der Probanden.
"Wir hatten einen durchgängigen Befund: Als die Probanden abnahmen, stieg die Ghrelin-Konzentration im Blut. Und sie blieb auch nach dem ersten und dem zweiten Jahr auf dem erhöhten Level. Dieser Effekt geht also nicht weg, solange die Menschen ihr geringeres Gewicht halten. Wie zu erwarten war, berichteten die Versuchsteilnehmer auch, dass sie sich hungriger fühlten."
Auf den ersten Blick könnte man jetzt meinen, endlich eine simple Erklärung gefunden zu haben, warum viele Menschen nach einer Diät schnell wieder zunehmen: Der vom Körper selbst erzeugte, stärkere Hunger ist schuld. Doch Catia Martins warnt vor derart vereinfachten Sichtweisen. Denn sie hat noch eine andere Beobachtung gemacht.
"Wenn bei Übergewichtigen die Masse an Fett und das Körpergewicht steigen, sinkt die Ghrelin-Konzentration im Blut. Beim Gewichtsverlust steigt sie wieder. Wir gehen davon aus, dass dieser Anstieg nur einer Normalisierung entspricht hin zu Werten, wie sie bei Normalgewichtigen herrschen."
"Wenn bei Übergewichtigen die Masse an Fett und das Körpergewicht steigen, sinkt die Ghrelin-Konzentration im Blut. Beim Gewichtsverlust steigt sie wieder. Wir gehen davon aus, dass dieser Anstieg nur einer Normalisierung entspricht hin zu Werten, wie sie bei Normalgewichtigen herrschen."
Man ist dem Ghrelin nicht ausgeliefert
Diese Erkenntnis würde bedeuten: Übergewichtige erleben nach dem Abnehmen das, was Normalgewichtige als normalen Hunger kennen, selbst als verstärktes Hungergefühl – möglicherweise ein Leben lang. Diät- und Ernährungsberater sollten sich dessen bewusst sein und ihre Patienten entsprechend anleiten, sagt Catia Martins.
"Wir müssen das akzeptieren: Übergewichtige werden sich nach Gewichtsverlust hungriger fühlen. Die professionellen Ernährungsberater müssen deshalb verstehen, welchen Herausforderungen ihre Patienten gegenüber stehen. Sie müssen ihnen beibringen, bei starken Hungergefühlen die passenden Speisen zu wählen mit einer geringen Energiedichte. Also vor allem wenig Fett und wenig Zucker. Denn wenn sie eine falsche Wahl treffen, könnten sie schnell wieder zunehmen."
Mit dieser Strategie besteht auch Hoffnung, ein einmal erlangtes, geringeres Gewicht halten zu können. Denn die Patientenstatistik von Catia Martins zeigt auch: Die Ghrelin-Werte im Blut sind zwar eindeutig mit stärkeren Hungergefühlen korreliert. Aber es gibt keinen eindeutig nachweisbaren Zusammenhang zwischen Ghrelin-Werten und dem Erfolg oder Misserfolg bei der Gewichtsabnahme. Salopp gesagt: Wer abnimmt, ist dem vom Ghrelin gesteuerten Hunger nicht hilflos ausgeliefert. Man muss lernen, damit umzugehen.