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Boxen
Neuer Verband könnte olympische Zukunft retten

Der Kampf zwischen dem Internationalen Olympischen Komitee und dem Welt-Boxverband geht in die nächste Runde. Das IOC hält die Suspendierung aufrecht, es sei kein Kulturwandel zu erkennen. Die IBA hält dagegen, der Verband würde für die Sünden der Vergangenheit bestraft.

Von Piet Kreuzer | 11.12.2022
Richard Torrez Jr aus den USA trifft Bakhodir Jalolov aus Usbekistan bei einem kampf bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio 2021..
Das Boxturnier bei den Olympischen Spielen 2021 wurde vom IOC selbst ausgerichtet. Der Boxverband ist weiterhin suspendiert. (IMAGO / USA TODAY Network / IMAGO / Danielle Parhizkaran)
Die Box-Welt ist gespalten. Auf der einen Seite steht Umar Kremlev, der russische Präsident des Box-Weltverbandes IBA, mit seinen Unterstützern aus Osteuropa, Afrika und Asien. Auf der anderen Seite Westeuropa, Nordamerika, Australien, Neuseeland und einige wenige asiatische Staaten. Diese Fraktion kämpft darum, dass Boxen olympisch bleibt.
Es geht um olympisches Prestige, aber auch um viel Geld. Mike McAtee, der Chef des US-Boxverbandes: "Präsident Kremlev hat erklärt, dass die Olympischen Spiele für ihn keine Priorität haben. Aber nach dem Amateur Sports Act, einem US-Bundesgesetz, ist ein Platz bei den Olympischen oder Panamerikanischen Spielen vorgeschrieben."
Sollte der Box-Weltverband seinen Status als olympischer Verband verlieren, würden viele nationale Verbände kein Geld mehr vom Staat oder vom Nationalen Olympischen Komitee bekommen – auch der deutsche Verband wäre betroffen.

Ausreichende Änderung nicht absehbar

"Wenn die IBA also nicht mehr Teil der olympischen Bewegung ist, dann glaube ich, dass die große Mehrheit der Länder ihren Status mit ihren Nationalen Olympischen Komitees überprüfen müssten. So können wir den olympischen Traum für alle unsere Boxer, Trainer und Funktionäre am Leben erhalten", sagt Mike McAtee.
Dass sich die IBA unter Umar Kremlev so verändert, dass das IOC seine Suspendierung aufhebt, ist nicht absehbar. Um olympisch zu bleiben, braucht es daher wahrscheinlich einen neuen Welt-Verband. McAtee will zwar nicht bestätigen, dass eine Neugründung geplant ist – aber er spricht von Optionen, die man prüfen müsse.
Der niederländische Verbandspräsident Boris van der Vorst mahnt: "Erst wenn der IBA offiziell ihr Verbandsstatus aberkannt wird, dann können wir darüber sprechen, dass wir einen neuen Verband schaffen wollen."
Das IOC müsste der IBA ihren olympischen Status aberkennen. Beim Verhältnis der beiden Organisationen dürfte das aber sehr wahrscheinlich sein. Und van der Vorst kündigt an: "Wir berücksichtigen alle möglichen Szenarien, um die olympische Zukunft unseres Sports zu sichern."
Gespräche dazu laufen schon seit Monaten. Und die aktuellen Entwicklungen und die Schärfe der Streitereien nehmen zu. Denn das IOC hält an der Suspendierung der IBA fest. In einem Schreiben an die IBA heißt es, dass der vom IOC geforderte drastische Kulturwandel nicht umgesetzt wurde.

IBA sieht sich als Opfer einer Hexenjagd

„In der Erklärung heißt es, dass die verschiedenen Bedenken des IOC in Bezug auf die Führung der IBA, ihre finanzielle Transparenz und Nachhaltigkeit sowie die Integrität ihrer Schiedsrichter- und Wertungsprozesse noch nicht ausgeräumt sind“, sagt IOC-Sportdirektor Kit McConnell nach der Exekutivsitzung in dieser Woche.
Der Box-Weltverband fühlt sich als Opfer einer Hexenjagd. Die Fehler seien in der Vergangenheit gemacht worden, die aktuelle Verbandsführung hätte Reformen angestoßen. Dass das IOC die olympischen Boxwettbewerbe 2021 in Tokio und 2024 in Paris selbst ausgerichtet hat beziehungsweise ausrichten wird, sieht die IBA als Bedrohung. Der Verband will daher nicht akzeptieren, "dass die IBA und die Athleten getrennt werden". Jeder Angriff auf die IBA sei "ein direkter Angriff auf die Stakeholder unseres Sports, auf die Athleten. Sanktionen gegen die IBA sind Sanktionen gegen ihre Boxer, denn wir sind unzertrennlich."
IOC-Präsident Thomas Bach wehrt sich gegen diesen Vorwurf: "Die Botschaft an alle Boxer ist, dass es nicht gegen sie geht. Sondern die Art und Weise, wie der Verband geführt steht ihnen im Weg."
Diese Statements klingen nicht danach, als ob IOC und IBA nochmal zusammenfinden. Das IOC hat Boxen vorerst aus dem Programm für die Sommerspiele 2028 in Los Angeles gestrichen. Und Kremlev und die IBA arbeiten bereits an Alternativen, falls ein neuer Verband den olympischen Status erhält. Die IBA könnte dann näher an das Profiboxen heranrücken. Eine Kooperation mit dem Profiverband WBA - World Boxing Assocoation - wurde im November vereinbart.