„Wir kämpfen darum, dass Boxen olympisch bleibt“, sagt Boris van der Vorst, der Präsident des Niederländischen Box-Verbandes. Olympia spaltet den Weltboxverband IBA. Auf der einen Seite Westeuropa, Nordamerika, Australien, Neuseeland und einige wenige asiatische Staaten. Sie wollen wie van der Vorst, dass Boxen olympisch bleibt.
Vor allem die USA kämpfen um den olympischen Status. Die Box-Nation würde gerne bei den Sommerspielen 2028 in Los Angeles Boxen zeigen. Im vorläufigen Programm fehlt der Sport aber. Eine Folge von jahrelangen Korruptions-Skandalen. Aber der aktuelle russische IBA-Präsident Umar Kremlev hat den Verband fest im Griff und scheint an Olympia wenig interessiert.
Wie auch seine Unterstützer. „In Afrika gibt es eine absolute Zustimmung, weil sie auch kein Interesse haben an Olympischen Spielen, weil sie sich dort nicht qualifizieren können. Und deshalb ist denen das mit Kremlev vollkommen egal. Ob der jetzt dort vom IOC anerkannt wird oder nicht", sagt Erich Dreke, der Präsident des Deutschen Box-Verbandes DBV.
Fachkommissionen wurden mit "Ja"-Sagern besetzt
Ein weiteres Zeichen für die Spaltung: Der IBA-Präsident hat alle Kommissionen neu besetzt. Mitglieder aus den missliebigen Nationen wurden entfernt und damit auch viel Fachkompetenz: „Alle, die dort waren und eine hervorragende Arbeit gemacht gaben, die hat er rausgeschmissen. Und hat nur noch arabische und afrikanische Persönlichkeiten dort benannt", erklärt Box-Funktionär Erich Dreke.
Er sieht dadurch die fachliche Kompetenz bedroht. „Er hat also sich nur Ja-Sager noch besorgt. Das scheint so zu sein, dass er nur noch sich sieht und alles, die die um ihn herum sind, nur noch das Ja sagen, was er sagt.“
IBA lässt Boxer aus Russland und Belarus wieder zu
Der Streit zwischen den Lagern hat in den vergangenen Tagen einen neuen Höhepunkt erreicht. Denn die IBA lässt ab sofort Athleten aus Russland und Belarus wieder an ihren Wettbewerben teilnehmen. Und nicht nur das: Auch Flagge und Hymne werden wieder erlaubt. Eine bewusste Provokation des Internationalen Olympischen Komitees. Denn dieses Vorgehen widerspricht völlig der Entscheidung der IOC-Exekutive vom September, die die Sanktionen gegen Russland bestätigt hat.
„Das bedeutet: Keine russischen Flaggen oder Farben, keine russische Hymne, keine nationale Identität bei Sportveranstaltungen und auch die internationalen Verbände sollten keine Veranstaltungen in Russland abhalten. Das bleibt bestehen", sagte IOC-Sprecher Mark Adams.
Dass sich die IBA unter Kremlev so explizit gegen die Vorgaben des IOC stellt, dahinter stecke die russische Regierung, glaubt Erich Dreke. „Bei der Eröffnung eines Boxzentrums in Moskau war Herr Putin anwesend, und ich denke mal, dass dort solche Dinge dann auch besprochen wurden. Jedenfalls hat er die Mitgliedsverbände weder informiert noch befragt.“
Die IBA begründet die Wiederzulassung von Russland und Belarus damit, dass Politik keinen Einfluss auf den Sport haben sollte. Die Empörung über diese Entscheidung wird dadurch verstärkt, dass die IBA ausgerechnet den ukrainischen Verband wegen angeblicher politischer Einflussnahme suspendiert hat. Im dortigen Verband herrscht ein Machtkampf zwischen zwei Funktionären um die Präsidentschaft. Einer der beiden wird von der ukrainischen Regierung als rechtmäßiger Präsident anerkannt – der andere von der IBA unterstützt.
Van der Vorst: "Das ist wirklich eine Schande"
Zusätzlich dazu hat die IBA eine Oppositionsbewegung im Keim erstickt. Der niederländische Verbands-Präsident Boris van der Vorst wollte gegen Kremlev kandidieren, wurde aber beim Kongress in Istanbul nicht zugelassen. Der Internationale Sportgerichtshof hat die Entscheidung aufgehoben. Bei einem außerordentlichen Kongress im armenischen Eriwan Ende September hat Kremlew aber Neuwahlen verhindert.
Erich Dreke: „Man hat den Boris van der Vorst wieder nicht zur Wahl zugelassen, weil er eben dort eine Abstimmung herbeigeführt hat. Ob überhaupt eine demokratische Wahl stattfinden sollte. Und da haben 36 Länder gesagt ja, sie möchten diese demokratische Wahl aber auch 104 haben gesagt Nein, sie wollen keine demokratische Wahl.“ Auch Boris van der Vorst sagt:
Diese Wahl ist nicht gut für das Image der Box-Welt. Sie widerspricht demokratischen Prinzipien. Das ist wirklich eine Schande.
Gedankenspiele für einen Verband
Die Nationen, die weiter einen olympischen Boxsport wollen, suchen nach Alternativen. Eins steht für Dreke fest. Eine olympische Zukunft wird es mit Kremlev nicht geben. Es gibt einige Gedankenspiele, dazu gehört auch, einen neuen Verband zu gründen, sagt Boris van der Vorst: „Wir führen Gespräche mit unseren NOKs und sie müssen uns anleiten, wie wir die Situation bewältigen wollen. Es ist nicht die Sache eines nationalen Boxverbandes, direkt mit dem IOC zu reden. Die Gespräche mit dem IOC sind Sache des NOKs.“
Für einen neuen Verband, oder einen Verband ohne Kremlev, wäre auch wieder Geld da. Derzeit hängt die IBA von den Sponsorengeldern des russischen Energiekonzerns Gazprom ab – ein weiterer Kritikpunkt des IOC: Das IOC hält wegen der Skandale seit Jahren 30 Millionen Euro zurück, die eigentlich an die IBA gehen sollten.
Dieses Geld könnte ein neuer Verband erhalten. „Wenn es einen solchen geben sollte, wenn das alles möglich ist, würde dann eben auch diese finanziellen Mittel zur Verfügung bekommen, weil die IBA ja suspendiert ist, sie auf alle Fälle nicht bekommt“, meint Dreke.
Unrealistisch sind diese Hoffnungen nicht. Das Tischtuch zwischen IOC und Kremlev ist zerschnitten. Ein Neuanfang ohne den Russen ist sogar erwünscht.