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"Ich kann Unterstützung anbieten"

21 Tote und über 500 Verletzte - die Bilanz der Loveparade-Katastrophe. Wolfgang Riotte vermittelt zwischen Opfern und Angehörigen auf der einen sowie zwischen Versicherungen und Behörden auf der anderen Seite.

Wolfgang Riotte im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Fehler, die haben immer nur die anderen gemacht. So kann man die Reaktion derjenigen zusammenfassen, die für die Genehmigung und die Durchführung der Loveparade in Duisburg zuständig gewesen sind, an deren Ende 21 Tote und über 500 Verletzte standen, die Zahl der Traumatisierten gar nicht eingerechnet. Immerhin: Dem "Spiegel" gegenüber gab Carsten Walter als sogenannter Crowd-Manager verantwortlich für den Fluss der Menschenmassen, zu, schon frühzeitig das Gefühl gehabt zu haben, dass etwas schief läuft. Gleichzeitig aber erhob er schwere Vorwürfe gegenüber der Polizei. Der ihm an die Seite gestellte Beamte habe, anders als vom Innenministerium dargestellt, über kein Funkgerät verfügt, mit dem man Schlimmeres hätte wo möglich abwenden können. – Am Telefon begrüße ich Wolfgang Riotte. Der ehemalige Staatssekretär im Düsseldorfer Innenministerium hat am Wochenende seine Tätigkeit aufgenommen als Ombudsmann der Landesregierung für die Opfer der Loveparade-Katastrophe und ihre Angehörigen. Guten Morgen, Herr Riotte.

    Wolfgang Riotte: Guten Morgen, Herr Heckmann.

    Heckmann: Herr Riotte, wenn Sie den nicht enden wollenden Kreislauf an gegenseitigen Schuldzuweisungen betrachten, steigt auch bei Ihnen da manchmal die Wut hoch?

    Riotte: Das will ich so nicht sagen. Es geht ja um viel, auch für die Menschen, die meinen, dass sie Verantwortung tragen oder sie nicht tragen sollten. Also ich denke, man muss da die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abwarten, bevor man da irgendwo Stellung beziehen kann.

    Heckmann: Sie haben jetzt am Wochenende schon erste Kontakte zu Angehörigen und Verletzten gehabt. Wie kommt dieses Hin- und Herschieben der Verantwortung bei denen an? Ist das ein Thema bei den Gesprächen, die Sie mit denen führen?

    Riotte: Nein, bisher nicht. Ich spreche es von mir aus nicht an und es ist auch nicht angesprochen worden von den Menschen, die sich an mich gewandt haben, beziehungsweise bei denen ich dann zurückgerufen habe ist anderes dringender, als die Diskussion um die Frage, wer Verantwortung trägt oder hier noch Schuld trägt.

    Heckmann: Mit wie vielen Personen hatten Sie bereits Kontakt und in welchem Zustand sind die?

    Riotte: Das würde ich ungern sagen. Im einen Fall waren es Hinterbliebene und im anderen Fall sind es Verletzte, wobei ich allerdings sagen würde, dass ich die Traumatisierten durchaus zu den Verletzten rechnen würde.

    Heckmann: Welche Anliegen werden da an Sie herangetragen und wie können Sie helfen, was können Sie anbieten?

    Riotte: Ich kann Unterstützung anbieten. Einmal kann ich Hinweise anbieten, wo man welche Hilfe bekommen kann, sei es bei Versicherungen, die ohnehin als Träger bereit stehen, sei es, dass es um den Hilfsfonds der Landesregierung geht, sei es, dass es um psychosoziale Betreuung geht. Wenn immer jemand nicht weiß, was er tun soll, dann bemühe ich mich herauszufinden, was das geeignete sein sollte. Unabhängig davon ist es meine Aufgabe, den Menschen zu helfen, mit dem Unterstützungsfonds der Landesregierung umzugehen, wenn es da zu Problemen kommen sollte, sie zu unterstützen. Umgekehrt unterstütze ich die Landesunfallkasse, die diesen Hilfsfonds verwaltet, wenn es auf der anderen Seite um Schwierigkeiten geht, sei es, dass da mehrere Hinterbliebene sind, die sich nicht darauf verständigen können, wer denn nun den Kontakt pflegen soll, sei es, dass man Unterlagen nicht zusammen bekommt, die notwendig sind, um die Anspruchsberechtigung darzulegen.

    Heckmann: Sie haben es gerade erwähnt: das Land NRW und aber auch der Veranstalter Rainer Schaller, der hat gemeinsam mit der Axa-Versicherung einen Hilfsfonds eingerichtet. Jeweils eine Million Euro stecken da drin. Sind das Mittel, die die Opfer und die Angehörigen erreichen?

    Riotte: Die sollten sie jedenfalls erreichen. Ob es inzwischen schon eine Auszahlung gegeben hat, da bin ich jetzt überfragt. Das wäre vielleicht auch ein bisschen zu viel verlangt, denn man muss ja zunächst mal darlegen, dass man Angehöriger oder Hinterbliebener ist, dass man zu den Geschädigten gehört, dass man in einer sozialen Notlage ist - das ist bei beiden Fonds übrigens die Voraussetzung für eine solche Unterstützung –, und das mag schon ein paar Tage dauern. Aber ich sehe meine Aufgabe darin, weiter zu helfen, wenn es Probleme gibt, wenn es zu lange wird, bis die Hilfe dann auch fließt.

    Heckmann: Und wie können Sie dann helfen?

    Riotte: Indem ich mit den Verantwortlichen spreche.

    Heckmann: Der Hilfsfonds, das kann aber nur ein erster Schritt sein. Verstehe ich Sie da richtig?

    Riotte: Es ist der Schritt, den die Landesregierung gegangen ist, um in sozialen Notlagen befindliche Hinterbliebene und schwerer Verletzte – das sind diejenigen, die über mehrere Tage im Krankenhaus gelegen haben -, um denen weiterzuhelfen. Wenn es beispielsweise, was ja auch vorkommen kann, darum geht, dass jemand erwerbsunfähig geworden ist als Ergebnis von Verletzungen, oder andere schwere Gesundheitsschäden davon getragen hat, dann sind zunächst einmal die ja auch vorhandenen Träger von Unterstützungen – seien es Versicherung, seien es die Kommunen – gefragt. Aber ich sehe auch meine Aufgabe darin, wenn es dort keine Unterstützung gibt, zu versuchen, weiterzuhelfen.

    Heckmann: Sie haben mittlerweile ein Büro bezogen in Düsseldorf. Wie können die Betroffenen Sie erreichen?

    Riotte: Das hoffe ich, in ein paar Stunden sagen zu können. Im Augenblick ist die technische Unterstützung noch nicht ganz so, wie sie dann sein sollte.

    Heckmann: Also alles noch mit heißer Nadel gestrickt.

    Riotte: Nein, da müsste ich widersprechen, denn wie gesagt: Ich habe meine ersten Kontakte gehabt und wer sich an die Hotline der Staatskanzlei gewandt hat, die ja auch in den entsprechenden Presseerklärungen genannt worden ist, der hat mich dann auch erreicht.

    Heckmann: Wir haben gesprochen mit Wolfgang Riotte, dem Ombudsmann der Landesregierung für die Opfer der Loveparade-Katastrophe. Herr Riotte, danke Ihnen für das Gespräch.

    Riotte: Ich danke auch, Herr Heckmann.