Black-Lives-Matter-Demo in London: Chancengleichheit und mehr Anerkennung forderten Wortführer der Demonstranten. Trotz Corona marschierten Tausende, keineswegs nur friedfertig. Solidarität mit dem durch Polizistenhand in Minneapolis umgekommenen George Floyd war der Anlass, aufgestauter Frust machte sich Luft:
"Die Menschen denken, das sei ein amerikanisches Problem, aber die Vormachtstellung der Weißen ist weltweit, und das Fundament für die weiße Vormacht in Amerika wurde maßgeblich in Großbritannien gelegt", sagt ein Demonstrant in einer Reportage im britischen Fernsehen. Eine Frau ergänzt: "Ich habe es satt, meinen Kindern erklären zu müssen, dass sie sich aufgrund ihrer schwarzen Hautfarbe anders verhalten und zehn Mal so hart arbeiten müssen, um im Leben voranzukommen. Das muss aufhören, für ihre Kinder muss das anders werden. Das ist erst der Anfang und ich werde nicht aufhören und damit stehe ich nicht allein."
Zwei Millionen schwarze Briten
Knapp zwei Millionen Briten gelten laut Zensus als Black British, also als schwarze Briten. Sehr viele von ihnen stammen aus der Karibik und die ganz große Mehrheit von ihnen lebt in England, nur etwa 36.000 wohnen in Schottland, 18.000 in Wales und weniger als 4.000 in Nordirland.
"Die meisten Immigranten kamen, um Arbeit zu finden. England, speziell London und der Südosten, boten mehr Gelegenheiten als die kleineren Nationen", erläutert der Historiker Robert Colls. Die Masseneinwanderung aus ehemaligen Kolonien hat Großbritannien wieder vor die Herausforderung gestellt, verschiedene Ethnien und Nationen unter einem gemeinsamen identitätsstiftenden Dach zu vereinen.
Schwere Antwort auf Frage nach Identität und Nationalität
Immer wieder gab es über die Jahre Unruhen, auch und gerade durch pakistanisch- und indischstämmige Briten. Viele von ihnen tun sich, wie die schwarzen Briten, schwer mit der Antwort auf die Frage nach Identität und Nationalität, selbst wenn sie auf der Insel geboren sind: "Meine Identität ist schwarz-britisch, aber da ich hier geboren und aufgewachsen bin, betrachte ich mich eigentlich als schwarze Barbadierin, also von Barbados", erklärt eine Frau. Eine andere sagt: "Wenn ich mich für einen Job bewerbe, muss ich schwarz-britisch ankreuzen, das nervt, denn ich bin Britin, ich bin Engländerin!"
"Ich glaube ich bin schwarzer Brite, aber auch Afrikaner, da ich dort geboren bin", sagt ein Mann, "aber ich esse kein typisches englisches Frühstück – das ist doch lächerlich!" Ein weiterer betont: "Ich bin kein Brite – ich bin nur auf dem Papier Brite!"
Afrikaner und Brite wie Waliser und Brite?
Afrikaner und Brite, Barbardierin und Britin - genau wie Waliser und Brite oder Schotte und Brite oder Ire und Brite? Bei den Iren spielte die Religionszugehörigkeit historisch eine desintegrierende Rolle, bei den Black British ist es offensichtlich die Hautfarbe. Historiker Robert Colls:
"Im Grunde geht es nicht um die Nation. Die Art und Weise, wie die britischen Demonstranten den Schulterschluss mit den amerikanischen Demonstranten gesucht haben und britisches Polizeiverhalten mit amerikanischem verglichen haben, obwohl es nicht vergleichbar ist, zeigt, dass es hier nicht darum geht, Teil der britischen Nation zu werden. Die neue Wut und Polarisierung entzündet sich an der Frage der ethnischen Abstammung, nicht an der nationalen Identität."