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Im Ungewissen
Spannungen im Athener Flüchtlingscamp

Im Flüchtlingscamp Elliniko im Süden Athens kommt es immer wieder zu Protesten. Gründe dafür sind die Zustände des Camps und die Perspektivlosigkeit der Flüchtlinge. Das Camp hätte schon im Juni geräumt werden sollen, aber trotz der schwierigen Zustände wollen einige Flüchtlinge es nicht verlassen.

Von Rodothea Seralidou | 08.02.2017
    In einem alten Flughafen ist ein Flüchtlingscamp aus Zelten.
    Das Flüchtlingscamp Elliniko im alten Athener Flughafen sollte schon im Juni 2016 geräumt werden. (Rodothea Seralidou)
    In der Ankunftshalle des alten Athener Flughafens stehen die Zelte dicht beieinander. Kinder wuseln umher, junge Männer sitzen in Gruppen und schauen auf ihre Mobiltelefone. Einige Familien haben um ihre Zelte herum Decken aufgespannt, um wenigstens etwas Privatsphäre zu haben. Die 28-jährige Afghanin Batul lebt mit ihren zwei Kleinkindern und ihrem Mann in einem der Zelte. Die Situation sei nicht leicht, sagt die junge Frau mit dem bunten Kopftuch:
    "Ich bin schon seit über einem Jahr hier. Ich möchte eine Wohnung, dieser Ort hier ist nicht geeignet für Kinder. Wir haben kein warmes Wasser. Und das Essen ist so schlecht. Viele essen das gar nicht, sie schmeißen es lieber weg."
    Proteste im Camp
    Die Zustände im Camp haben am vergangenen Wochenende zu Protesten geführt: Rund zweihundert Flüchtlinge weigerten sich, das ausgeteilte Essen anzunehmen. Erst als Migrationsminister Jiannis Mouzalas den Flüchtlingen Besserung versprach, löste sich der Protest auf. Vorerst, denn die Probleme bleiben bestehen. Maria Kalagia von der Hilfsorganisation "Ärzte der Welt" arbeitet seit längerem in Elliniko. Sie sagt:
    "Es gibt Probleme, ganz klar. Es gibt ansteckende Krankheiten. Die Krätze oder Windpocken zum Beispiel. Die Menschen stecken sich leicht an, denn sie wohnen alle zusammen in einem großen Raum. Das Camp hier war ja als vorübergehende Lösung gedacht. Die Menschen müssen in andere Unterkünfte gebracht werden."
    Trotzdem habe sie schon viel schlimmere Camps gesehen, sagt Kalagia. Hier hätten die Flüchtlinge wenigstens Heizungen, Decken und dicke Kleidung; das sei nicht überall der Fall.
    Perspektivlosigkeit der Flüchtlinge führt zu Spannungen
    Doch es sind nicht nur die Umstände in den Camps, die immer wieder Proteste auslösen. Die Menschen fragen sich, was aus ihnen werden wird. So auch Masut Kahar, einer der Initiatoren der Proteste in Elliniko. Der 32-jährige Afghane ist verzweifelt:
    "Griechenland gibt afghanischen Flüchtlingen kein Asyl. Wir fordern unsere Rechte ein: Wir wollen Asyl, und dann sollen sie uns in leerstehende Häuser bringen, wir wollen nicht wie in einem Gefängnis leben."
    Trotz seiner Befürchtungen wird Masut Kahar wahrscheinlich nicht nach Afghanistan abgeschoben. Denn Afghanen gehören zu den Bevölkerungsgruppen, die sehr wohl in Griechenland Asyl bekommen. Nur dauert es sehr lange, bis die Flüchtlinge überhaupt einen Termin bei der Asylbehörde bekommen und bis ihre Anträge bearbeitet werden. Das lange Warten mache die schon angespannte Situation in den Camps nur noch schlimmer, sagt Roland Schönbauer, UNHCR-Sprecher in Athen:
    "Es ist wirklich eine Situation, die niemandem nützt: Die Betroffenen leiden darunter, für die Behörden und humanitären Organisationen wird es immer schwerer, die Dinge zu organisieren, ohne dass es Spannungen gibt, und Europa tut sich auch keinen guten Dienst, wenn es Menschen, die mit Sicherheit in Europa bleiben werden, wie die syrischen Kriegsflüchtlinge, Monate und Jahre in der Ungewissheit hält."
    Regierung setzt weiter auf Räumung von Elliniko
    Eigentlich sollte das Camp von Elliniko schon vergangenen Juni geräumt werden. So hatte es damals der griechische Migrationsminister Jiannis Mouzalas versprochen. Dass dies mehr als ein halbes Jahr später immer noch nicht geschehen ist, liege nicht zuletzt an den Flüchtlingen selbst, rechtfertigt sich Mouzalas:
    "Wir versuchen die Flüchtlinge in andere Camps zu bringen, aber viele weigern sich. Sie wollen nicht in andere Orte gebracht werden, zum Beispiel nach Thiva oder Trikala."
    Denn diese Flüchtlingsunterkünfte liegen weit weg von der griechischen Hauptstadt. Elliniko hingegen liegt im Athener Süden und ist sehr gut mit der Innenstadt vernetzt, wo die meisten Hilfsorganisationen ihren Sitz haben. Außerdem sei nun durch den Transport vieler Flüchtlinge in andere Unterkünfte das Camp von Elliniko entlastet, sagt zum Beispiel der 23-jährige Subhan. Für ihn ein Grund, in der Ankunftshalle des alten Athener Flughafens zu bleiben.
    "Ich bin seit neun Monaten hier in Elliniko und muss sagen: Es ist jetzt besser. Früher waren 2.000 Menschen in dieser Halle, es gab jeden Tag Auseinandersetzungen, jetzt haben wir Ruhe. Es gibt sehr selten Streitereien, wir fühlen uns sicher. Die Situation ist viel besser jetzt."
    Die Räumung von Elliniko sei weiterhin eine seiner Prioritäten, sagt der griechische Migrationsminister auf Nachfrage des Deutschlandfunks. Doch eine Frist wolle er nun nicht mehr nennen.