Freitag, 19. April 2024

Impflücke in Deutschland
Wie man Impfskeptiker dazu bringt, sich gegen Corona impfen zu lassen

Noch immer sind in Deutschland Millionen Menschen nicht oder nicht ausreichend geimpft. Die Gründe sind vielfältig, nicht alle Impfskeptiker sind radikale Coronaleugner oder Querdenker. Welche Maßnahmen könnten helfen, Menschen dazu zu bringen, sich impfen zu lassen? Wie erreicht man sie am besten?

26.02.2022
    Ein Pflaster mit aufgemaltem Gesicht auf den Arm
    Noch immer zögern viele, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen (picture alliance/dpa)
    In Deutschland gibt es weiterhin eine Impflücke: Bis zum 21. Februar 2022 haben erst rund 75 Prozent der Gesamtbevölkerung eine vollständige Impfung gegen das Coronavirus erhalten. Dabei zeigt sich auch im aktuellen Lagebericht des Robert Koch-Instituts für ungeimpfte Menschen aller Altersgruppen ein deutlich höheres Risiko für eine Covid-19-Erkrankung und insbesondere für einen schweren Verlauf.
    Laut Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) unterscheidet sich die Impfquote gegen das Coronavirus in Deutschland stark nach Altersgruppe. In der Gruppe der 5- bis 11-Jährigen etwa waren bis zum 23. Februar 2022 rund 20,6 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft. Die Immunisierungsrate gegen COVID-19 in der Gruppe der 18- bis 59-Jährigen entspricht hingegen etwa der der deutschen Gesamtbevölkerung.
    Impfquote gegen das Coronavirus (COVID-19) in Deutschland nach Altersgruppen (Statista)
    Besonders vulnerabel ist dabei weiterhin die Gruppe der über 60-Jährigen, die Ende Februar nur zu 77 Prozent geboostert und 88 Prozent grundimmunisiert war (Stand: 23. Februar). Laut Modellrechnungen des RKI müssten aber 85 Prozent der 12 bis 59-Jährigen sowie 90 Prozent der über 60-Jährigen vollständig geimpft sein, um die Pandemie weitgehend zu kontrollieren.

    Wer sind die Impfskeptiker?

    Das Wissen, wer sich gegen Covid-19 impfen lässt und wer nicht, stützt sich in Deutschland vor allem auf Befragungen. Die zeigen zum Beispiel: Menschen mit Migrationshintergrund sind seltener geimpft. Sprachkenntnisse oder sozioökonomische Faktoren wie Bildung und Einkommen könnten hier laut Robert-Koch-Institut ein Grund sein.
    Cornelia Betsch, Psychologin und Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt, leitet die COSMO-Studie, in der das Robert Koch-Institut und andere Institutionen mehr über die Impfbereitschaft der der Menschen in Deutschland herauszufinden versuchen.

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    Wer sind die Ungeimpften?

    Ein Ergebnis der COSMO-Studie: Menschen in der Gruppe der Ungeimpften sind eher jünger, eher weiblich, haben eher Kinder, haben eher eine niedrigere Bildung, kennen eher niemanden, der schon mal Covid-19 hatte, sind eher arbeitslos – eine eher heterogene Gruppe. Je mehr Menschen geimpft werden, desto größer wird naturgemäß der Anteil der strikten Impfverweigerer unter den weiterhin Ungeimpften.
    Die Bereitschaft, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, ist in Deutschland so hoch wie noch nie: Im Januar 2022 lag die durchschnittliche Antwort der Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Umfrage auf dem Höchststand seit Erhebungsbeginn im April 2020. Bei ungeimpften Befragten, deren Antworten seit dem 23. Februar 2021 gesondert erfasst werden, lässt sich hingegen ein fast stetiger Rückgang der Impfbereitschaft beobachten.
    Umfrage Impfbereitschaft gegen Covid-19 (Statista)
    Experten wie der Epidemiologe Gérard Krause sprechen sich auch deswegen für ein bundesweites Impfregister aus: Wenn man genauer weiß, wer die Ungeimpften sind, kann man Impfangebote präziser gestalten und auf die jeweiligen Gruppen anpassen.

    Mögliche Gründe gegen die Impfung

    Laut der COSMO-Studie haben Impfskeptiker teils unterschiedliche Beweggründe. Einige führen Sicherheitsbedenken an, was die Impfstoffe angeht. Oder sie halten eine Impfung für überflüssig, da Covid-19 für sie in ihrer Wahrnehmung keine Bedrohung darstellt. Manche haben auch weniger das Gefühl, durch eine Impfung zur Normalität zurückzukommen, also mehr Kontakte zu haben. Oder sie sagen: Wenn sich viele andere impfen lassen, dann muss ich mich nicht auch noch impfen lassen.

    Was tut die Bundesregierung, was raten Experten?

    Das Bundesgesundheitsministerium hat zwei Impfkampagnen gestartet: "Ärmel hoch" unter dem ehemaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und "Impfen hilft" mit der aktuellen Bundesregierung. Sie setzt auf diese Impfkapagnen und auf Aufklärung wie in ihrer Übersicht sieben gute Gründe für die Corona-Schutzimpfung:
    1. Selbstschutz - auch gegen Omikron
    2. Fremdschutz von Familie, Freunden, allen, die gefährdet sind
    3. Impfstoff ist sicher
    4. Impfung ist weniger riskant als Corona-Erkrankung
    5. kostenlos, ohne langes Warten, ohne Ausweispflicht
    6. Impfstoff ist an Alter angepasst
    7. Impfen ermöglicht Normalität
    Doch die Kampagnen erreichen immer weniger Menschen. Die tägliche Impfquote ist auf einem Rekordtief.
    Eine flächendeckende Impfpflicht ist weiterhin umstritten, selbst die Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen sorgte für viel Kritik, genauso die misslungene Kommunikation, die für viele nur auf Angst ausgerichtet schien. Anders lief es in anderen Ländern, wo die Kommunikation nahbarer, persönlicher war: In Neuseeland zum Beispiel schaltete die Premierministerin persönliche Videos aus ihrem Haus.

    Falschinformationen entdecken und zielgruppenspezifisch aufklären

    Experten raten zu niederschwelligen Angeboten, also wenig zeit- und kostenintensive Impfaktionen (zum Beispiel auf dem Marktplatz, beim Stadion, auf dem Campus oder im Supermarkt) mit einem sehr einfachem Zugang zur Information und Impfstelle. Dazu vertrauensbildende und zielgruppenspezifische Maßnahmen, wie Professor Martin Dietrich, kommissarischer Direktor der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, im Deutschlandfunk betont:
    Präventionsmaßnahmen müssten dafür in verschiedenen Sprachen verfügbar sein sowie die Menschen auf den Kanälen erreichen, die sie tatsächlich nutzen - zum Beispiel in sozialen Netzwerken. Bildungsnahe Menschen informieren sich proaktiv, während andere nicht einmal wissen, welche Coronaregeln gerade für sie gelten oder wie sich impfen lassen können, wenn sie zum Beispiel kein Auto für ein Drive-in-Angebot haben.

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    Impfverweigerer lassen sich durch niedrigschwellige Angebote allerdings nicht erreichen, hier könnten aber Ärztinnen und Ärzte als Vertrauenspersonen Falschinformationen korrigieren und aufklären. Wichtig bleibt aber für viele Experten, noch mehr Daten - auch mithilfe eines Impfregisters - über diejenigen zu sammeln, die nicht geimpft sind und dann ganz individuell darauf einzugehen.
    In sozio-ökonomisch schlechter gestellten Regionen steckten sich mehr Menschen mit dem Coronavirus an. Dort waren Inzidenzen und Sterblichkeit höher, die Impfquote niedriger. Wie konnte das passieren in einem reichen Land wie Deutschland? Und was muss sich bis zum Herbst ändern? - Wie die Pandemiepolitik mehr Menschen erreichen kann (25.2.2022)

    Was könnte ein neuer Impfstoff wie Novavax bewirken?

    Seit dem 26.2.2022 wird in den ersten Bundesländern der neue Impfstoff der Firma Novavax verimpft - ein Mittel auf Proteinbasis, der als Totimpfstoff gilt und sich von den bisherigen Corona-Impfstoffen unterscheidet. Er wurde in Studien bisher in zwei Dosen verabreicht und hat gute Ergebnisse geliefert.

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    Viele Impfskeptiker hatten Bedenken gegen die Vektor- und gegen mRNA-Impfstoffe, die noch nicht so lange angewandt werden. In Umfragen wie der COSMO-Umfrage Ende 2021 gaben Ungeimpfte an, mehr Vertrauen in die klassischere Art von Impfstoffen zu haben und dann eher für eine Impfung bereit zu sein.
    Vielleicht könnte der Novavax-Impfstoff somit eine Alternative für Impfskeptiker sein. Er soll vorzugsweise in der Pflege und in Kliniken eingesetzt werden, wenn dort ab März die Impfpflicht gilt.
    Quellen: RKI, BZgA, BMG, og