Von Anfang an hatte der Streit um das so genannte Verbot der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche die Koalition belastet. Für die SPD wurde er zwischenzeitlich zum Symbol für den Zwang zum ungeliebten Kompromiss. Schon vor der Weihnachtspause hatten sich die beteiligten Ministerien bemüht, einen pragmatischen Ausweg aus dem lange festgefahrenen Streit zu finden. Der liegt jetzt ausformuliert vor. Ärztinnen und Ärzte dürfen demnach darüber informieren, dass sie Abtreibungen vornehmen. Außerdem dürfen sie auf andere Informationsplattformen hinweisen. Auch diese Plattformen werden neu eingerichtet. Die Bundesärztekammer listet die Krankenhäuser und Mediziner auf, die ihre Bereitschaft erklärt haben und gibt auch an, welche Methode sie verwenden. Dieselben und weiterführende Informationen soll es auch bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geben.
Bessere Information
Von einem "sehr vernünftigen Kompromiss" spricht Bundesjustizministerin Katharina Barley:
"Weil auf der einen Seite die Ärztinnen und Ärzte informieren können, also man kann zum Beispiel auf der Homepage erfahren: Nimmt meine Ärztin einen Schwangerschaftsabbruch vor? Man kann bei der Ärztekammer auf der Homepage nachschauen: Wo sind Ärztinnen und Ärzte, die das machen. Und auch die Notruftelefone bekommen so eine Liste, damit nicht mehr wie bisher Frauen sich alleingelassen fühlen und die Infos nicht haben,"
so Barley im SWR. Sie hat den Kompromiss zusammen mit Familienministerin Franziska Giffey für die SPD verhandelt.
"Es ist ja kein Geheimnis, dass die SPD die Abschaffung dieses Paragraphen befürwortet hat."
- Weil Frauen nicht ohne Informationen dastehen sollten und weil Ärzte nicht kriminalisiert werden sollten. Die Gießener Medizinerin Christina Hänel, deren Verurteilung die Diskussion angestoßen hatte, zeigte sich schon unzufrieden: So wie bisher könne sie auch jetzt nicht informieren.
"Auf der anderen Seite haben die Ärztinnen und Ärzte große Rechtssicherheit",
antwortet die Justizministerin. Auf Seiten der CDU/CSU hatten Horst Seehofer, das Kanzleramt und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verhandelt. Unter enger Aufsicht, wie CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer heute betonte.
"Wir haben aber auch unsere Verhandlungsführer eben auch dazu ermutigt und auch aufgefordert, dass jetzt in den Gesprächen zum konkreten Gesetzentwurf sicher gestellt wird, dass nicht Regelungen hinein formuliert werden, die nicht doch durch die Hintertür das Werbeverbot abschaffen."
Die Union trieb dabei die Sorge um, der Jahrzehnte alte Abtreibungskompromiss könne ausgehebelt werden. Der Gesetzentwurf betont jetzt: Hier geht es nicht um Werbung, es geht um Information.
Streichung gefordert
Spahn selbst spricht gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland von einem "ausgewogenen Ausgleich". AfD-Fraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann sieht das - ohne irgendwie konkret zu werden - anders:
"Wir sehen das so, dass wir diese werblichen Möglichkeiten der Schwangerschaftsunterbrechung kritisch sehen, nach wie vor."
Kritisch auch die FDP, aus anderen Gründen. Stephan Thomae spricht von einem "Kotau der SPD vor dem Koalitionspartner". Die Liberalen hätten sich gewünscht, dass der Paragraph gestrichen wird, so wie die Linkspartei. Und wie die Grünen. Auch Ulle Schauws:
"Weil der Kompromiss von Union und SPD, der bleibt jetzt auch uneindeutig, nach wie vor. Es ist nicht klar, was Ärztinnen und Ärzte auf ihrer Homepage sagen dürfen, ob sie weitere Informationen geben dürfen als nur den Hinweis: Sie machen Schwangerschaftsabbrüche. Das hat mit Berufsfreiheit und mit Rechtssicherheit nicht viel zu tun."
Letztlich entscheiden muss nun das Parlament.