Samstag, 20. April 2024

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Insolvenz von Thomas Cook
"Eher ein Spezialfall und kein Branchenproblem"

Ein gescheitertes Sanierungsprogramm, der Brexit, ein heißer Sommer, die Konkurrenz durch Billiganbieter – die Pleite von Thomas Cook habe viele Ursachen, sagte der Analyst Michael Gierse im Dlf. Beim deutschen Touristikkonzern TUI sei die Lage dagegen eine ganz andere.

Michael Gierse von Union Investment im Gespräch mit Jan Plate | 23.09.2019
Passagiere stehen am Flughafen Palma de Mallorca am Tag des Scheiterns von Thomas Cook an einem Informationsschalter.
Insolvenz Thomas Cook - Urlauber auf Mallorca (picture alliance/dpa - Clara Margais)
Die TUI bewege sich im mittleren bis gehobenen Segment und habe die stärkere Marke, so Michael Gierse, Aktienfondsmanager bei Union Investment. Thomas Cook sei dagegen im mittleren bis unteren Segment aktiv gewesen und damit anfälliger für das Brexit-Szenario.
"Die untere bis mittlere Schicht in Großbritannien, die hat dann Angst, verzichtet eher auf eine Reise und tritt eher die Reise nicht mit Thomas Cook an, während die TUI sogar noch relativ gute Zahlen in England aufweist."
Außerdem sei die TUI diversifizierter, weil das Geschäft mit Hotels und Kreuzfahrten mehr als die Hälfte der Einnahmen ausmache. Thomas Cook habe nur Pauschalreisen im Angebot gehabt und den Verkauf von Flugtickets über die Marke Condor.
Sind Konkurrenten die lachenden Dritten?
In Skandinavien und Großbritannien - auf zwei der drei größten europäischen Pauschalreisemärkten - bleibe TUI als einziger Veranstalter übrig. In Deutschland stehe mit weiteren Anbietern wie der Rewe-Gruppe, FTI und Alltours eine Konsolidierung bevor, so Michael Gierse.
Dass die Condor sich verkaufen lasse, bezweifelt er. Die Flotte sei relativ alt, und die Lufthansa als potenzieller Kunde wolle die Anzahl ihrer Maschinen eher reduzieren als aufstocken.
Einzelfall oder Branchenbeben?
"Ich denke mal, das ist eher ein Einzelfall. Thomas Cook hatte eine sehr schwache Bilanz, der Brexit kam hinzu. Also diese Kombination von verschiedenen Faktoren ist relativ unternehmensspezifisch. Die TUI ist davon nicht betroffen. Ihr Geschäft lief bisher relativ gut. Ich denke, das ist eher ein Spezialfall und kein Branchenproblem."
Der asiatische Reisemarkt wachse zurzeit sehr stark, und das gelte auch für Kreuzfahrten und Einzelreisen, die online gebucht werden. Allerdings seien europäische Reiseveranstalter am asiatischen Markt nicht besonders aktiv, sagt Michael Gierse.
Demgegenüber versuche ein chinesischer Großaktionär, verschiedene europäische Markten zu kaufen und in China zu etablieren. Mit dem Club Med aus Frankreich sei ihm das bereits gelungen.