Donnerstag, 28. März 2024

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Integration und Kriminalität
"Das Gesetz muss sehr hart durchgreifen"

Im Zuge der Integration von Flüchtlingen fordert die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, ein hartes Durchgreifen gegen Gewalttäter. Das gelte für Einwanderer, aber auch für rassistische Übergriffe auf Asylunterkünfte, sagte Göring-Eckardt im Deutschlandfunk. Die Schwelle der Gewalt in diesem Bereich sei gesunken.

Katrin Göring-Eckardt im Gespräch mit Christiane Kaess | 06.01.2016
    Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt in der ZDF-Sendung Maybrit Illner.
    Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt (dpa / picture alliance / Karlheinz Schindler)
    Die Grünen-Politikerin sagte, die Schwelle nach unten werde nicht nur bei Bemerkungen im Netz offensichtlich, sondern auch was an Taten daraus erwächst. Der Rechtsstaat müsse sehr klar sein bei Ermittlungen, Bestrafung und Haltung. Schon die Beschimpfungen und Beleidigungen im Netz seien "weit ab von all dem, was politischer Konsens ist, wie man mit Menschen umgeht, und was in unserem Grundgesetz steht".
    "Wenn Straftaten begangen werden, müssen sie entsprechend behandelt werden, und zwar ohne Vorverurteilung - in welche Richtung auch immer", sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende im DLF mit Blick auf die Übergriffe auf Frauen am Kölner Hauptbahnhof. "Das Gesetz muss sehr hart durchgreifen hier an dieser Stelle. Die Polizei muss ihre Arbeit machen - auch da gibt es ja viele Fragen." Die Polizei müsse aber auch über die notwendigen technischen Möglichkeiten und ausreichend Personal verfügen, das den Migrationshintergrund der Bevölkerung widerspiegeln müsse.
    Sollte sich bewahrheiten, dass es sich bei den Tätern um Menschen handeln, die keine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland haben, sollten sie auch abgeschoben werden dürfen, sagte die Grünen-Politikerin. "Wir sind ein Rechtsstaat dafür, dass wir Menschen für das bestrafen, was sie tun, dann auch mit adäquaten Mitteln." Wem eine Aufenthaltserlaubnis oder das Recht auf Asyl erteilt worden sei, könne jedoch nicht abgeschoben werden. Entsprechende Forderungen der CSU seien "wahnsinniger Populismus".

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Nach den Vorfällen in der Silvesternacht haben Politiker also parteiübergreifend ein konsequentes Durchgreifen der Behörden gefordert. Der Polizei zufolge sahen die Verdächtigen nordafrikanisch und arabisch aus, und schon das ist Wasser auf die Mühlen der Integrations- und Flüchtlingsdebatte. Am Telefon ist jetzt Katrin Göring-Eckart, die Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen. Guten Morgen!
    Katrin Göring-Eckardt: Schönen guten Morgen, ich grüße Sie!
    Kaess: Frau Göring-Eckardt, sollten sich die Polizeiangaben bestätigen, dass es sich um junge Männer mit Migrationshintergrund handelt, müssen wir uns dann eingestehen, dass die Integration bei Teilen der Migranten gescheitert ist?
    Göring-Eckardt: Zunächst mal brauchen wir tatsächlich Aufklärung und müssen wissen, wer war das eigentlich. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat gestern gesagt, es gibt keinen Hinweis darauf, dass es sich um Flüchtlinge handelt. Es kann sein, dass das Leute sind, die länger hier sind, es kann sein, dass es Leute sind, die gekommen sein. Es kann natürlich auch sein, dass bei denen, die die Straftaten begangen haben, auch welche sind, die in Köln-Deutz geboren worden sind. Und insofern, für mich ganz eindeutig, das Gesetz muss sehr hart durchgreifen hier an dieser Stelle, die Polizei muss ihre Arbeit machen, auch da gibt es ja viele Fragen, und völlig unabhängig von der Person. Ich finde nicht, dass man sagen kann, dann ist Migration gescheitert, dann ist Integration gescheitert, sondern ich finde, wenn Straftaten begangen werden, müssen sie behandelt werden, und zwar ohne Vorverurteilung in welche Richtung auch immer.
    Kaess: Ein Kommentar in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" weist heute darauf hin, dass in deutschen Städten strikt der ausländischen Herkunft zufolge Clans und Banden Räume geschaffen hätten, in denen die Gesetze nicht mehr gelten, auch, weil die Staatsmacht nicht mehr in der Lage oder Willens ist, sie in diesen Milieus durchzusetzen. Was ist da dran?
    Göring-Eckardt: Was da dran ist, kann ich nicht beantworten, weil wenn es um die Staatsmacht geht, dann geht es in erster Linie um die Polizei, deswegen haben wir dieses Thema auch im Innenausschuss aufgesetzt. Ich finde es auch sehr notwendig, dass es einen Bericht über Köln gibt, auch über das, was gegebenenfalls in Sankt Pauli stattgefunden hat. Und wenn wir es uns genau anschauen, dann ging es ja offensichtlich gerade bei den Anzeigen um Gewalt gegen Frauen. Und die hat, wenn die Anzeigen stimmen, und ich habe keinen Grund, an den Aussagen der Frauen zu zweifeln, dann gibt es das auf dem Platz in Köln, dann gibt es das an anderen Stellen, und eben auch in deutschen Wohnzimmern. Und das Thema der Gewalt gegen Frauen haben wir gerade im Dezember noch mal auf die Tagesordnung gesetzt, alle gemeinsam, als der entsprechende Tag dafür war, und haben festgestellt, das passiert an sehr vielen Orten. Und auf der einen Seite, wenn es Bandenkriminalität gibt, dann muss die aufgedeckt und bekämpft werden. Da braucht die Polizei nicht nur ausreichend Personal – übrigens finde ich auch Polizistinnen und Polizisten mit Migrationshintergrund entsprechend dem Anteil der Bevölkerung –, und auf der anderen Seite muss sie natürlich auch die technischen Möglichkeiten dafür haben, diese Aufklärung hinzubekommen.
    "… dass wir weder Homophobie noch Islamophobie noch Rassismus in Deutschland dulden können"
    Kaess: Die CSU sagt, wenn Flüchtlinge unter den Tätern waren oder sein sollten, dann müssen die abgeschoben werden. Und die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sagt auch, wo es möglich sei, sollten Straftäter abgeschoben werden. Schließen Sie sich dem an.
    Göring-Eckardt: (…) das hat Hannelore Kraft gesagt, und damit heißt es, wenn es einen entsprechenden Aufenthaltstitel eben nicht gibt. Ich meine, wir sind ein Rechtsstaat dafür, dass wir Menschen für das bestrafen, was sie tatsächlich tun, und dann auch mit adäquaten Mitteln, und gegebenenfalls eben mit Gefängnis et cetera pp. und nicht mit ganz anderen Mitteln. Und insofern finde ich, ja, wenn jemand hier keine Aufenthaltserlaubnis hat, dann muss er sehr schnell auch abgeschoben werden, aber nur dann. Und wenn es jemand ist, der hier eine Aufenthaltserlaubnis hat, wenn es jemand ist, der das Recht auf Asyl hat et cetera, dann kann er nicht abgeschoben werden. Ich halte diese Forderung von Herrn Scheuer für in der Reihe zu verorten, die ein wahnsinniger Populismus vor Kreuth jetzt bedeutet, und ich kann nur sagen, das geht an vielen Stellen weit über die Grenze hinaus. Auch die 200.000er-Grenze von Herrn Seehofer, auch, dass Herr Seehofer jetzt der Meinung ist, er muss Außenpolitik machen und mal gegen alle Verabredungen in der EU die Sanktionen mit Russland abbauen.
    Kaess: Dann schauen wir mal auf das Integrationskonzept, das Sie dagegensetzen wollen und das die grüne Bundestagsfraktion auf ihrer Klausurtagung beschließen will. Da heißt es zu den Flüchtlingen, es gebe eine riesige Hilfsbereitschaft, aber auch Ängste und Vorbehalte. Ist das nicht beschönigend, wenn wir uns mal anschauen, dass wir etliche Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte haben und die Umfragewerte der AfD im Moment schon denen der Grünen gleichkommen?
    Göring-Eckardt: Beschönigend ist das nicht, weil an anderer Stelle genau gegen diese rassistischen Übergriffe gesprochen wird, weil genau klargestellt wird, dass wir weder Homophobie noch Islamophobie noch Rassismus in Deutschland dulden können und dass es dafür Haltung braucht, und dass wir auch bei diesen Straftaten, die ja massiv zugenommen haben im letzten Jahr, sehr drastisch vorgehen müssen. Und da bin ich nicht einverstanden damit, dass mir dann jemand sagt der ermittelnden Behörden, das waren ja nur Leute aus der Nachbarschaft. Ganz offensichtlich ist hier eine Schwelle nach unten nicht nur bei Bemerkungen im Netz, sondern eben auch bei dem, was an Taten daraus erwächst, dem man nachgehen muss und man sehr, sehr klar sein muss, was die Ermittlungen angeht, was die Bestrafung angeht, aber eben auch, ich sage es noch mal, was die Haltung angeht. Weil, was ich erlebe, wenn ich nur meine eigene Facebook-Seite angucke, welche Beschimpfungen es gibt, gegen mich, gegen Flüchtlinge, in einer wahrhaft braunen Sauce und man auch sagen muss, das ist nicht mehr nur Sauce, sondern das sind Beleidigungen, das ist weitab von all dem, was politischer Konsens ist, wie man mit Menschen umgeht und was in unserem Grundgesetz steht. Und insofern, da ist nichts zu beschönigen, sondern da muss sehr klargestellt werden, was geht und was über eine Grenze hinausgeht.
    "Es geht um Bündeln und nicht darum, eine neue Bürokratie oben aufzusetzen"
    Kaess: Um noch mal auf die Vorstellungen der Grünen zur Integration zurückzukommen: Sie verlangen bundesweite Integrationscenter. Es soll ein extra Ministerium dafür geben. Also, das ganze Papier spricht eigentlich für noch mehr Verwaltung, wo man eigentlich gerade dabei ist, zu versuchen, die Behördenwege zu vereinfachen.
    Göring-Eckardt: Nein, ganz im Gegenteil, nicht noch mehr Verwaltung, sondern eben ein Bündeln der Zuständigkeiten. Wir erleben das ja im Bund.
    Kaess: Extra-Ministerium und noch mehr Integrationscenter – das ist noch mehr Verwaltung.
    Göring-Eckardt: Nein, das heißt erst mal noch mehr Bündeln, weil es geht ja nicht darum, alles neu zu schaffen, sondern es geht ja darum, diejenigen, die jetzt diese Arbeit machen, zusammenzuführen in den entsprechenden Centern und vor allen Dingen im Ministerium. Das ist im Kanzleramt versucht worden mit Herrn Altmaier, das ist gescheitert –
    Kaess: Die sparsamere Form ist das, könnte man sagen.
    Göring-Eckardt: – weil die verschiedenen Ministerien dann trotzdem jeweils was gemacht haben. Ich finde, man kann die Abteilungen zusammenlegen in einem Ministerium. Ich finde es auch notwendig, weil klar sein muss, das ist eine, die große Aufgabe, die wir innenpolitisch in den nächsten Jahren haben, und deswegen ist das Bündeln von Kompetenzen, das Bündeln der Geldströme et cetera ganz zentral. Und wenn es um vor Ort geht, dann erleben wir an vielen Stellen, dass die Kommunen das großartig machen, und trotzdem ist es so, dass die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer sich entweder selbst organisieren oder Leute, die was tun wollen, nicht wissen, wo sie hingehen sollen, und die neu Ankommenden, die Neubürgerinnen und Neubürger werden wollen, eben auch an ganz verschiedene Stellen laufen müssen. Und deswegen geht es um Bündeln und nicht darum, eine neue Bürokratie oben aufzusetzen.
    Kaess: … sagt Katrin Göring-Eckart. Sie ist die Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen. Danke für dieses Gespräch!
    Göring-Eckardt: Ich bedanke mich auch. Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.