
"Ein paar Möhren? Kaffeefilter?"
Ein kleiner enger Raum in Köln-Kalk, hier ist eine Ausgabestelle der Tafel. U-förmig sind Kisten mit Kartoffeln, Zucchini, Joghurt, Milch und Schokolade gestapelt. Vera Heidmann, die hier ehrenamtlich arbeitet, geht mit einer Frau durch den Raum und bietet ihr Lebensmittel an:
- "Da ist aber Hackfleisch drin. Esst ihr Schweinefleisch?"
- "Ja. Ja."
- "Ja. Ja."
Die Frau packt alles in ihren Einkaufswagen. Vor der Tür hat sich schon eine kleine Schlange gebildet. Fast nur Frauen, einige haben Kinder dabei. Denn wenn die Tafel einmal in der Woche nachmittags aufmacht, sind zuerst die Familien dran – und das sind hier in der Regel alleinerziehende Frauen mit Kindern.
"Obst, Gemüse, Brot und Brötchen, Käse und Milch und das reicht fast für eine Woche. Das hilft sehr auf jeden Fall."
Sagt eine junge Frau, die auffallend schick gekleidet ist - mit engen Jeans und roten Pumps. Ob es ihr schwer falle, hierher zu kommen?
"Ja. Weil das ein ganz anders Leben ist als das davor."
Im Leben davor war sie verheiratet und hatte mehr Geld. Jetzt sorgt sie allein für ihr Kind und kann sich nicht mehr viel leisten.
- "Hast du eine Tasche bei für die Brötchen?"
- "Ja."
- "Ja."
"Es wird einfach immer mehr"
Vera Heidtmann leitet die Ausgabestelle der Kölner Tafel in dem sozial schwachen Stadtteil. Die 53-Jährige würde gerne mehr Menschen helfen. Doch inzwischen klopfen hier einfach zu viele an. Deshalb wurde Anfang des Jahres sogar die Warteliste abgeschafft.
"Weil da standen dreimal so viele Leute drauf, wie wir versorgen konnten."
Um wenigstens 20 neue Bedürftige aufzunehmen, wurde das Ausgabesystem geändert.
"Also es wird immer mehr. Das ist das Problem. Aber wir schaffen's einfach nicht mehr. Mehr geht leider nicht mehr. Also 90, 92, da ist bei uns wirklich Stopp. Und das sind Familien, das sind ja nicht 90 Einzelpersonen, sondern wir haben über Einzelpersonen über Paarhaushalte, über Familien, über WGs. Wir haben also im Prinzip alles."
Nach eigenen Angaben helfen die bundesweit mehr als 900 Tafeln regelmäßig circa 1,5 Millionen Menschen - ein Drittel davon sind Kinder und Jugendliche. Knapp die Hälfte der Tafeln sind eigenständige Vereine, die anderen werden von gemeinnützigen Organisationen getragen. Doch ihr Engagement ist nicht unumstritten.
So weisen beispielsweise einige Vertreter von Caritas und der Gewerkschaft Verdi daraufhin, dass die Tafeln dem Staat dabei helfen, sich aus seiner Verantwortung zu ziehen. Das sieht Vera Heidmann ähnlich, aber sie möchte die Leute nicht stehen lassen:
"Der Staat wird die Verantwortung nicht übernehmen"
"Man kann's also drehen und wenden, wie man will. Natürlich haben die auf der einen Seite recht, mit dem was sie sagen, aber auf der anderen Seite wird sich wirklich nichts ändern. Ich glaube nicht, dass der Staat die Verantwortung auf sich nimmt. Das hat er vorher nicht getan und wird es nachher nicht tun. Und ich möchte den Menschen nicht sagen: 'Es tut mir leid, morgen kriegt ihr hier nichts mehr'. Weil die Not der Menschen bleibt."
Wer in die Ausgabestelle in Köln-Kalk kommt, muss seine Bedürftigkeit mit seinem Hartz IV-Bescheid nachweisen.
"Weil sonst hätten wir tatsächlich Menschen hier, die Geld verdienen und einfach nur sparen möchten und das wollen wir nicht."
Betont die Leiterin. Die Bedürftigen zahlen jedes Mal einen Euro für alles, was sie nach Hause mitnehmen. Auch Frauke, 51 Jahre alt, alleinstehend, Hartz IV-Empfängerin. Mithilfe der Tafel kommt sie einigermaßen zurecht. Vor allem über frisches Obst und Gemüse freut sie sich:
"Weil Gemüse und Obst ist teuer, ich kann gesünder leben, weil man kann sich das ja nicht mehr leisten, wenn man einkaufen geht. Ich kenn die Preise, was ich brauche, auswendig und dann komm ich hin und zack sind die Preise wieder anders. Auch wenn das nur zehn Cent sind, aber man merkt das."
Frauke hat vor ein paar Jahren ihre Arbeit als Altenpflegehelferin verloren. Ihr Arbeitgeber hatte Insolvenz angemeldet. Etwas Neues hat sie bis heute nicht gefunden.
"Alles versucht, nichts bekommen. Je älter man wird, desto schwieriger wird es."
Auch wenn es viele Menschen Überwindung kostet, die Tafel aufzusuchen, dankbar sind sie alle.
"Das reicht mir. Vielen Dank. Bis nächste Woche."