Donnerstag, 25. April 2024

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Branche gesteht Fehler bei Breitbandausbau ein

Flächendeckend schnelles Internet ist das Ziel. Doch der Breitbandausbau in Deutschland läuft nicht so schnell wie erhofft. Wo liegen Versäumnisse? Und wie ließen sich die Probleme beheben? Über diese Fragen wurde jetzt auf der Angacom diskutiert, einer Kongressmesse für Breitband und Medien.

Von Peter Welchering | 09.06.2021
Kabel für den Breitband-Internet-Ausbau liegen auf einer Wiese zwischen Grashalmen, im Hintergrund ist schemenhaft ein Haus zu erkennen.
Ein Fazit der Kongressmesse: Das bestehende Glasfasernetz in Deutschland könnte effizienter genutzt werden. (imago images / Manngold)
Die Kongressmesse Angacom beschäftigt sich mit Breitbandinfrastruktur und Breitbandanwendungen. Schon die Keynote zu ihrer Eröffnung von Vodafone-Chef Hannes Ametsreiter setzte den Ton: Sie stand unter der Überschrift "Reboot Germany – Mehr Digitalisierung wagen".

Wie steht es in Deutschland um den Ausbau der Breitbandkommunikation?

Dass Deutschland in Sachen Breitbandkommunikation viel zu stark hinterherhängt, wissen wir ja schon seit einiger Zeit. Home Office und Home Schooling haben nicht wirklich gut geklappt. Das Leitungsnetz ist zwar nicht zusammengebrochen, aber es ächzte doch an allen Ecken und Ecken. Nur fünf Prozent der Haushalte in Deutschland sind mit Glasfaser versorgt. Und da wo Glasfaser liegt, sind längst nicht alle angeschlossen. Wir haben zu lange auf Kupferleitungen gesetzt und wir haben zu lange darauf gesetzt, dass die Kabelanbieter schon eine gute Breitbandinfrastruktur hinkriegen werden. Und das fällt uns jetzt auf die Füße.
Das Foto zeigt Mobilfunkmasten auf einem Hausdach in Berlin.
Breitband-Ausbau auf dem Land - Ein Netz, dem Fasern fehlen
Die Große Koalition hat die "Gigabit-Gesellschaft" ausgerufen – mit flächendeckend schnellem Internet. Die Lücken sind aber gravierend. Und auch die neuen 5G-Frequenzen nützen auf dem Land niemanden, wenn keine Glasfaser verlegt wird. Doch der Ausbau bleibt vor allem eines: schleppend.
Theo Weirich, Geschäftsführer des norddeutschen Providers Wilhelm-Net, hat das sehr schön auf den Punkt gebracht, indem er sagte "Wir City-Carrier sind die Kinder des Marktversagens". Tatsächlich haben Markt und Politik in drei Bereichen hier versagt.

Wo bereitet der stockende Breitbandausbau besonders Probleme?

Erstens kriegen wir eine digitale nationale Souveränität so nicht hin. Zweitens wird das so nichts mit den Home Offices und vor allen Dingen mit der Verlagerung von Arbeitsplätzen – raus aus den Städten, raus aufs Land. Und drittens verlieren wir beim europäischen Hochleistungsrechnen völlig den Anschluss. Und dem entspricht viertens, dass wir in Sachen internationaler Wettbewerbsfähigkeit immer weiter zurückfallen.

Welche Maßnahmen sollten jetzt zuerst ergriffen werden?

Ein Ansatzpunkt ist das wissenschaftliche Höchstleistungsrechnen. Da hat die EU-Kommission Anfang des Monats ihr Programm für Europa aufgelegt. Das Budget beläuft sich auf acht Milliarden Euro. Dabei soll nicht nur die wissenschaftliche Rechenkapazität gestärkt werden und Europa als Supercomputerstandort so aufgebaut werden, dass es mit China und den USA mithalten kann. Es geht auch darum, den mittelständischen Unternehmen Supercomputeranschluss zu verschaffen. Zum Beispiel ist Medikamentenentwicklung im Wesentlichen eine Rechenaufgabe. Proteine werden da in Aber-Millionen Differentialgleichungen entwickelt. Um Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz entwickeln zu können, brauchen die Entwickler etwa im Bereich neuronaler Netze für Mustererkennung Rechenkapazitäten für Trainingsdaten, bei denen der Inhalt von dreitausend Festplatten und mehr mit einem Schlag verarbeitet werden kann. Das Stichwort dafür aus Brüssel heißt: Supercomputerpower aus der Steckdose. Aber damit die aus der Steckdose kommt, brauchen wir Leitungen, dicke Datenleitungen.

Warum ist Breitband-Infrastruktur auch auf dem Land wichtig?

Weil das das Leben in der Stadt zu teuer geworden ist. Immer mehr Menschen wollen auf dem Land leben und arbeiten. Und das heißt nicht nur Home Office. Das heißt auch, dass die Supercomputeranbindung zum Mittelständler kommen muss, der seinen Sitz auf dem Land hat. Supercomputeranbindung wird für die Unternehmen wichtiger als ein Autobahnanschluss. Und da sprechen wir momentan von Minimum Zehn-Gigabit-Anwendungen. 50-Megabit-Anwendungen gibt es in den Städten. Auf dem Lande wird es da schon dünn. Und die Diskussionen in Brüssel vom Monatsanfang, über das Euro-HPC-Programm, sind auch auf der Angacom noch mal aufgenommen worden. Bei den Supercomputer-Standorten liegen da nach den jetzigen EU-Planungen Finnland, Italien und Spanien weit vorne. Da hat Deutschland Aufholbedarf.

Wie könnte Deutschland beim Breitbandausbau schneller vorankommen?

Ganz konkret: Freier Zugang zu bereits verlegten Glasfasern, zu bestehender Infrastruktur. Dadurch soll der sogenannte Überbau vermieden werden, also dass zum Beispiel in einem Fördergebiet mit Steuergeldern ein lokaler Provider Glasfaser verlegt, und wenig später merkt ein großer Provider, dass hier die Nachfrage groß ist und man Geld verdienen kann und verlegt auch noch Glasfaser. Der große Provider soll Zugang zur verlegten Infrastruktur bekommen, also keine doppelte Verlegung. Aber im Gegenzug soll er sich verpflichten, ein bisher nicht versorgtes Gebiet anzuschließen. Kooperation heißt, dass sich Provider leichter zusammentun dürfen, um ein bestimmtes Gebiet glasfasermäßig zu erschließen.
Dem stehen kartellrechtliche Bestimmungen bisher entgegen. Und Vernetzung bedeutet, dass die bisherigen Coax-Kabel der Kabelfernsehanbieter sehr viel einfacher in die Glasfaserinfrastruktur eingebunden werden sollen. Da gibt es hunderttausende Kilometer Datenleitung, die für Bandbreiten bis zu zehn Gigabit genutzt werden können. Die also erst mal einbinden und nicht Glasfaser drüber legen. Also, da hat man auf der Angacom durchaus gemerkt, dass die europäische Superrechnerinitiative den Druck zur Einigung im Breitbandausbau verstärkt. Und das dürfte sich sehr hilfreich auswirken.