Donnerstag, 25. April 2024

Behindertensport
DBS-Präsident Beucher sieht Nachholbedarf

Während der Corona-Pandemie hat der Deutsche Behindertensportverband (DBS) 15 Prozent seiner Mitglieder verloren. Im Dlf-Gespräch gibt sich Präsident Friedhelm Julius Beucher optimistisch, den Trend bald umkehren zu können. Strukturell sieht er in der deutschen Para-Sportlandschaft allerdings noch viel Nachholbedarf. Für einen Schub könnten laut ihm Paralympics in Deutschland sorgen.

Friedhelm Julius Beucher im Gespräch mit Christian von Stülpnagel | 18.05.2023
Friedhelm Julius Beucher ist seit 2009 Präsident des Deutschen Behindertensportverbands.
Friedhelm Julius Beucher ist seit 2009 Präsident des Deutschen Behindertensportverbands. (IMAGO / Zoonar / IMAGO / Zoonar.com / Joachim Hahne)
Für Friedhelm Julius Beucher gibt es kein "sehnlicheres Ziel", als die Paralympics nach Deutschland zu holen. Wenn er sehe, was sich in anderen Ländern der Welt durch Großereignisse verändern kann, erhoffe er sich davon einen Riesenschub für mehr Barrierefreiheit, sagte der Präsident des Deutschen Behintertensportverbands (DBS) im Deutschlandfunk: "Denn da hinkt unser Land noch deutlich hinterher."

"Müssen Sportstätten barrierefrei machen"

Laut dem letzten Teihabebericht der Bundesregierung betreibt mehr als die Hälfte der Menschen mit Behinderungen in Deutschland keinen oder nie Sport. "Eine bedenkliche Zahl", findet Beucher, der darin eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung sieht. Allerdings seien auch Investitionen in Barrierefreiheit notwendig - gerade auch, weil Deutschland sich mit der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention dazu verpflichtet hat. "Wir müssen unsere Sportstätten mit riesigen Schritten barrierefrei machen."
Er sieht aber auch die Vereine in der Pflicht. In einer Umfrage hätten nur sieben Prozent der deutschen Sportvereine angegeben Sport für Menschen mit Behinderung anzubieten: "Das darf nicht sein, da darf man die Menschen mit Behinderung nicht zurücklassen." Während der Pandemie hatte der DBS laut eigenen Angaben 15 Prozent seiner Mitglieder verloren. Beucher hofft nun auf neue Mitglieder - auch weil es wieder mehr Breiten- und Rehasportangebote gebe.

Zentrales Problem Nachwuchsgewinnung

Den Para-Sport in Deutschland sieht der DBS-Präsident generell in einer stetigen Weiterentwicklung. Man schneide international gut ab und habe sich in vielen Sportarten bereits für die Spiele in Paris 2024 qualifiziert. Angesprochen auf die vergleichsweise schwache Medaillenausbeute bei den paralympischen Spielen 2021 in Tokio sagte Beucher: "Wir schauen nicht nur auf den Medaillenspiegel."
Die Konkurrenz sei zudem größer geworden. International betrachtet stellt Beucher eine "tolle Entwicklung" im Para-Sport fest. Selbst dort, wo es früher keinen Para-Sport gegeben habe, seien mittlerweile Selbstverständlichkeiten angekommen. Doch Länder wie Aserbaidschan würden sich aktuell noch auf einzelne Sportarten wie Judo oder Kugelstoßen fokussieren - und weniger auf klassische Mannschaftssportarten. Im Medaillenspiegel seien sie dadurch an Deutschland vorbeigezogen. Allerdings sei Deutschland mit mehr als 20 Sportarten auch in der Breite vertreten. Ein zentrales Problem sei jedoch die Nachwuchsgewinnung, da lege man die Hände nicht in den Schoß.

Rückkehr russischer und belarussischer Athleten "nicht vertretbar"

In die Debatte über eine mögliche Rückkehr russsicher und belarussischer Athletinnen und Athleten in die Sportwelt bringe sich der DBS aktiv ein, sagte Beucher: "Mit unseren Wertevorstellungen ist es nicht vereinbar, dass eine kriegsführende Nation im friedlichen Wettbewerb mit anderen antreten kann."
Dass es entgegen der Empfehlung des IOC so schnell keine Rückkehr in den Para-Sport geben werde, hatte auch schon Andrew Parsons, Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), im Deutschlanfunk gesagt.