Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Belarus sind dem russischen Angriff auf die Ukraine von vielen Sportwettbewerben ausgeschlossen worden. Der Internationale Bob- und Schlitten Verband IBSF hatte die Suspendierung des russischen Verbandes schon am 2. März verkündet. Die Suspendierung wurde jedoch in der vergangenen Woche wieder aufgehoben, vom Schiedsgericht des Internationalen Verbandes.
Für Andreas Trautvetter, Präsident des deutschen Bob- und Schlittenverbandes und Vize-Präsident im Weltverband, kam diese Entscheidung wenig überraschend, wie er im Interview mit dem Deutschlandfunk sagte. Das Schiedsgericht habe die Suspendierung allerdings aus rein formellen Gründen aufgehoben, betonte Trautvetter, nicht aufgrund einer inhaltlichen Bewertung.
Es sei nach Überprüfung der Statuten unklar gewesen, ob das Exekutivkomitee des Weltverbands die Befugnis für diese Entscheidung gehabt habe. Die Suspendierung von Verbänden müsse eigentlich durch den Kongress beschlossen werden, so die Sichtweise des Schiedsgerichts.
Trautvetter: Suspendierung spätestens auf dem kommenden Verbandskongress
Trautvetter ist sich "einhundert Prozent sicher", dass der Vorschlag zur Suspendierung des russischen Verbandes auf dem kommenden Kongress vor dem Beginn des Weltcup-Winters die nötige Zweidrittel-Mehrheit bekommen werde. "Inhaltlich und moralisch war das Vorgehen des Exekutivkomitees gerechtfertigt. Die Berechtigung, dass wir auch rechtskonform gehandelt haben, werden wir uns auf dem Kongress holen."
Allerdings werde das Exekutivkomitee bis dahin die Satzung übearbeiten und offene Fragen klären, auch um einen erneuten Beschluss rechtlich wasserdicht zu machen. So könnten aktuell etwa nur einzelnde Mitglieder wegen kriminellen Verhaltens suspendiert werden - nicht aber ganze Verbände, die Staaten repräsentieren, die zum Beispiel einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu verantworten haben. Der Internationale Rodelverband habe dies vorgemacht und eine entsprechende Satzungsänderung beschlossen.
Trautvetter: "Völkermord nicht weniger bestrafen als Doping"
Dass Sportverbände und Aktive damit für verbrecherische Handlungen der Machthaber in ihrem Heimatland bestraft werden, müsse man hinnehmen, so Trautvetter. Es habe auch in anderen Ländern Beispiele für mutige Sportler gegeben, die sich davon distanziert und ihre Zukunft im Ausland gesucht hätten. Diese Athleten hätten im Leistungssport immer eine Zukunft.
Zur Frage nach dem Umgang mit Russlands Sport und der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen verwies Trautvetter auf den Anti-Doping-Kampf - und die dort geltenden klaren Regelungen: Doping sei ein Betrugsbestand, wer zweimal betrügt, werde lebenslang gesperrt. "Was Russland in der Ukraine macht, ist ein völkerrechtswidriger Aggressionskrieg, Massenmord und Völkermord. Da muss doch die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt bleiben. Dies kann ich doch nicht weniger bestrafen als Betrug."
Für Trautvetter sei eine Teilnahme Russlands am internationalen Wettbewerben und Veranstaltungen der IBSF deshalb ausgeschlossen, solange Russlands Besatzung der Ukraine anhält und keine Friedensverhandlungen aufgenommen würden.
IOC-Verweis auf politische Neutralität "nicht gerechtfertigt"
Trautvetter kritisierte im Deutschlandfunk auch die "lasche Haltung" des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), das es bislang bei einer Empfehlung belassen hat, Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Belarus auszuschließen. Falls dies organisatorisch nicht möglich sei, sollten sie unter neutraler Flagge antreten.
Als Präsidiumsmitglied des Weltverbands fühle er sich "vom IOC alleine gelassen". Bei völkerrechtswidrigem Verhalten sei es "nicht mehr gerechtfertigt, politisch neutral zu sein". Trautvetter erwarte, dass das IOC eine klare Position bezieht. Das Verhalten von Staaten, in denen Menschenrechte nicht eingehalten werden, müsse sanktioniert werden. Auch bei der Vergabe von internationalen Großveranstaltungen, die dort dann nicht mehr durchgeführt werden könnten.