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Iran-Atomabkommen
Deutsche Wirtschaft sieht neue Potenziale

Die Einigung mit dem Iran wird überwiegend positiv aufgenommen - eher für Unverständnis sorgt Israels Ministerpräsident Netanjahu, der sein Land nun gefährdet sieht. Öl- und Gaslieferungen, aber auch neue Exportmöglichkeiten verspricht sich die deutsche Wirtschaft von einer Lockerung der Sanktionen.

Von Falk Steiner |
    Iranische Flaggen
    Iranische Flaggen (Dirk Gebhardt)
    Die Reaktionen auf die Einigung über ein Rahmenabkommen mit dem Iran über eine friedliche Nutzung der Kernenergie, die internationale Kontrolle der nuklearen Fähigkeiten des Irans und den Abbau von Sanktionen gegen das Land bleiben auch in Deutschland ein Thema.
    Für die Äußerungen des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, dass die Existenz Israels durch das Abkommen gefährdet sei, wenn dem Iran die Möglichkeit zur Entwicklung von Atomwaffen bleibe, hat der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik Volker Perthes kein Verständnis:
    "Ich habe zunehmend das Gefühl, dass das ein Glaubenssatz von Premierminister Netanjahu ist, der auch von seinen Generälen, von ehemaligen Geheimdienstchefs also von wirklichen Sicherheitsfachleuten in Israel nicht geteilt wird. Er ignoriert vollständig, dass das Abkommen, wie immer die Details aussehen werden, die nuklearen Fähigkeiten Irans einschränkt, dass es Grenzen setzt. Während ohne ein Abkommen hätte Iran eben keine Grenzen für den Ausbau seines Nuklearprogramms."
    Kritik an den Vorbehalten Netanjahus
    So Perthes heute Morgen im Deutschlandfunk. Wenig Verständnis für diesen Glaubenssatz äußerte auch der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Manfred Kock, der sich intensiv für die Aussöhnung im Nahen Osten einsetzt. Ebenfalls im Deutschlandfunk sagte er am Morgen:
    "Dass Israel selbst sich immer wieder bedroht fühlt, ist ja nicht ohne Grund. Aber dass Netanjahu sich jetzt diesen Versuch oder diesen Anfang einer Einigung mit dem Hauptgegner Iran als eine zusätzliche Bedrohung empfindet: Ich denke, es ist eher das Gegenteil, ein wichtiger Schritt in dem Verhältnis zueinander."
    Doch die Auswirkungen des Abkommens gehen auch in der Region über das Verhältnis Irans zu Israel weit hinaus. Das Nuklearprogramm sei für die arabisch-sunnitischen Nachbarn nicht der Hauptgrund für Besorgnis, so Volker Perthes von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Es gebe Länder wie Saud-Arabien und die Emirate, die ...
    "nicht so sehr über das Nuklearprogramm Irans besorgt sind. Die sehen durchaus, dass das Abkommen den Iran dazu verpflichtet, weniger Zentrifugen laufen zu lassen und so weiter –, sondern die einfach über die Verbesserung, die vermutete Verbesserung des iranisch-amerikanischen und iranisch-europäischen Verhältnisses besorgt sind. Und das Gefühl haben, dass Iran sich jetzt zur dominanten Macht am Persischen Golf entwickeln würde. Dafür braucht Iran keine Atombombe, aber wenn es raus ist aus der Isolation, wenn es keine Sanktionen mehr gibt, wenn die iranische Wirtschaft aufblüht, wenn Iran möglicherweise auch seine konventionelle Stärke ausspielt, mehr Einfluss nimmt im Irak, in Syrien, im Jemen, das ist, was die Saudis zum Beispiel oder die Emiratis tief besorgt."
    Wirtschaftliche Hoffnungen auch in der Bundesrepublik
    Wirtschaftlich hängt das nicht zuletzt von den Ländern ab, die bislang Sanktionen gegen das schiitische Regime in Teheran verhängt haben. Auch in der Bundesrepublik sind die Hoffnungen groß, dass man nun von dem Abkommen und dem damit einhergehenden Sanktionsabbau profitieren könnte. Unionsfraktionsvize Michael Fuchs sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", dass die Sanktionen nun schnellstmöglich gelockert werden sollten. Ein politisch gemäßigter Iran könne zudem die wachsende Abhängigkeit Deutschlands und Europas von russischen Gaslieferungen verringern, so Fuchs. Die Gas- und Ölwirtschaft des Irans ist einer der von den Sanktionen besonders betroffenen Bereiche.
    Das Land biete gerade auch deutschen Unternehmen ein großes Potenzial, insbesondere in den Bereichen Automobil, Maschinenbau und Energie, so ein Sprecher des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA). Wirtschaftliche Möglichkeiten durch die Aufhebung von Sanktionen sieht auch Bundesentwicklungszusammenarbeitsminister Gerd Müller, CSU: Deutschland habe traditionell gute wirtschaftliche Beziehungen zum Iran, die schnell wieder ausgebaut werden könnten, so Müller gegenüber der "Passauer Neuen Presse".