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Irans neuer Präsident Rohani hat "persönlich-politisches Gewicht"

Kurz vor seiner Amtseinführung verbreitete der neue iranische Präsident Rohani antisemitische Parolen - die er allerdings korrigieren ließ. Israels Premier Netanjahu hielt sich daraufhin bedeckt. Dies sei ein bemerkenswerter Schritt im indirekten Dialog beider Länder, sagt der CDU-Politiker Ruprecht Polenz.

Ruprecht Polenz im Gespräch mit Jürgen Liminski | 03.08.2013
    Jürgen Liminski: Heute wird der neue iranische Präsident Hassan Rohani in sein Amt eingeführt, morgen soll er dann vereidigt werden. Mit ihm werden Hoffnungen verbunden, weil er nach seiner Wahl im Juni gesagt hatte, die Zeit des Extremismus müsse zu Ende gehen, und wörtlich:

    Hassan Rohani: Wir werden uns mit der Welt versöhnen, die Politik der Regierungen von Besinnung und Hoffnung wird eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Welt sein. Wenn wir eine Veränderung in der Welt wünschen, müssen wir in der Welt präsent sein. Eine aktive Präsenz. Abseits stehen und Parolen rufen, wird keine Veränderung herbeiführen.

    Liminski: "Wir werden uns mit der Welt versöhnen" – gestern allerdings gab es Verwirrung um eine weitere Äußerung. Wie ist Rohani überhaupt einzuordnen, wie ernsthaft sind seine Worte zu nehmen? Ist alles nur Show, um Zeit für den Gewinn einer Atombombe zu gewinnen? Zu diesen Fragen erwarten wir gleich den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, den CDU-Politiker Ruprecht Polenz.

    64 Jahre alt ist Hassan Rohani. Er ist ein Mann des Systems, gilt aber als moderater Geistlicher und ist für viele nach acht Jahren konfrontativer Politik eine Art Hoffnungsträger. Viele Iraner hoffen in Zeiten wirtschaftlicher Krise auf Besserung. Hassan Rohani soll es richten. Beitrag als MP3-Audio Rainer Baumgarten mit einer Porträtskizze.

    Liminski: Reinhard Baumgarten. In etlichen Medien wurde er also als große Hoffnung vor allem der jungen Leute dargestellt, und die ausgelassene Freude nach der Wahl des neuen iranischen Präsidenten gab diesem Eindruck auch recht. Gestern nun, einen Tag vor seiner Amtseinführung heute, zitierten ihn die iranischen offiziellen Nachrichtenagenturen Isna und Mehr mit den Worten: "Die islamische Welt muss gegenüber dem zionistischen Regime Einheit zeigen, da dieses Regime eine alte Wunde ist, die seit Jahren in ihrem Körper steckt und beseitigt werden muss." Zitat Ende. Es folgte ein Protest aus Israel, und anschließend korrigierten die Agenturen das zuvor gesendete Zitat, indem sie den Nebensatz "diese Wunde, die gereinigt werden muss" strichen.

    Wie ist das zu verstehen? Ist das das Ende der Hoffnung auf Entspannung und Versöhnung mit der Welt? Bleibt die islamische Republik bei ihrem Vernichtungskurs gegenüber Israel? Zu diesen Fragen begrüße ich den Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses und Iran-Experten, den CDU-Politiker Ruprecht Polenz, guten Morgen Herr Polenz!

    Ruprecht Polenz: Guten Morgen, Herr Liminski!

    Liminski: Herr Polenz, Israel ist empört, Premier Netanjahu meint, der neue iranische Präsident habe früher die Maske fallen lassen als erwartet. Wie interpretieren Sie diese Äußerung und ihre Korrektur.

    Polenz: Ich finde es schon interessant, dass diese Korrektur gekommen ist, und sie bezieht sich ja offensichtlich auf eine Rede, die man im iranischen Fernsehen hat sehen können. Und der israelische Premierminister hat auch auf diese Korrektur reagiert und hat auch seine Äußerung, mit der er darauf geantwortet hatte, quasi zurückgenommen. Also ein interessanter Prozess, den wir so bisher in dem indirekten Dialog, wenn man das so nennen will, zwischen Israel und dem Iran, nicht hatten.

    Liminski: "Spiegel online" beruft sich bei der Korrektur auf Aufnahmen des Staatsfernsehens, auf denen Rohani sich moderater geäußert haben soll. Ist das Staatsfernsehen überhaupt frei oder ist da nicht eher der Wunsch der Vater der Interpretation?

    Polenz: Nein, das Staatsfernsehen ist sicherlich nicht frei, aber wenn eine Rede, die das Staatsfernsehen quasi auch auftragsgemäß aufnimmt und ausstrahlt, gesendet wird, dann hat man ja das Originaldokument der Rede, und Farsi-Kundige können dann natürlich auch feststellen, was gesagt worden ist. Ich bin ziemlich sicher, man wird sich jetzt diesen Abschnitt auch noch mal im Ausland anschauen können, um nun nicht nur auf iranische Nachrichtenagenturen angewiesen zu sein. Aber ich finde den Vorgang der Korrektur als solchen bemerkenswert, denn offensichtlich liegt jedenfalls Rohani daran, in einer anderen Weise im Westen und auch in Israel wahrgenommen zu werden, als das nach den ersten Meldungen der Fall war.

    Liminski: Nun haben wir, wie Sie sagen, einen indirekten Dialog, gleichzeitig zitiert der "Spiegel" weiter, der Präsident habe alle Muslime aufgefordert, den Jerusalem-Tag, al-Kutz in arabisch, zu nutzen, um an diese Wunde zu erinnern, sowie wörtlich "gegen die Verbrechen des zionistischen Regimes Protest einzulegen". Ist da eine Änderung im Kriegskurs gegen Israel zu erkennen?

    Polenz: Also dass die Feindschaft gegenüber Israel seit der Islamischen Revolution 1979 quasi zur Staatsräson des Iran gehört, das ist leider so, und das wird sich auch, fürchte ich, so schnell nicht ändern. Und der Iran ist der einzige Staat in der Region, der eine Zweistaaten-Lösung bisher ablehnt, der sich der Initiative der Arabischen Liga insoweit nicht angeschlossen hat, sondern nach wie vor der Meinung ist, es müsse eine Volksabstimmung im ganzen ehemaligen Mandatsgebiet der Briten stattfinden, um über die Zukunft dieser Region zu entscheiden. Aber damit steht er staatlich alleine. Ich glaube, diese Position wird sich so schnell nicht ändern, aber die Chance, dass über Gespräche und Verhandlungen in anderen Fragen man auch hier weiterkommen kann, wenn etwa die nukleare Bedrohung durch eine Lösung des Nuklearkonflikts aus der Welt geschafft werden könnte, das will ich nicht ausschließen.

    Liminski: Israel hat mit einem Luftschlag gegen die nuklearen Anlagen Irans gedroht, und das hat Netanjahu nun nicht zurückgenommen. Rechnen Sie noch mit so einem Schlag?

    Polenz: Das ist die israelische Position seit Langem, deutlich zu sagen, wir nehmen nicht hin, dass der Iran Nuklearwaffen besitzt, das ist insofern jetzt nichts Neues. Aber je erfolgreicher die Verhandlungen, die ja jetzt nach der Regierungsbildung wiederaufgenommen werden, verlaufen, umso unwahrscheinlicher ein solches Szenario.

    Liminski: Falls dieser Schlag dennoch erfolgen sollte, wie muss Deutschland sich dann verhalten? An der Seite Israels stehen oder an der Seite Irans?

    Polenz: Wir würden sicherlich an der Seite Israels stehen, aber ich hoffe doch sehr, wenn Sie sich mal die Region anschauen, nach Syrien schauen, nach Ägypten schauen, nach Libyen schauen, dann kann man sich vorstellen, wie ein weiterer militärisch bewaffneter Konflikt in dieser Region die Spannungen verschärfen und wie er wirken würde. Ich hoffe doch sehr, dass sich ein solches Szenario vermeiden lässt. Und die Chancen sind durch den neuen Präsidenten Rohani jedenfalls nicht kleiner geworden. Ich glaube, man kann mit einer gewissen Hoffnung jetzt an die Nuklearverhandlungen gehen.

    Liminski: Nun haben die USA die Sanktionen gegen den Iran verschärft, haben wir gerade im Bericht von Reinhard Baumgarten auch gehört – wem nutzt das? Dem Regime in Teheran, weil es dadurch mehr Zeit gewinnt und der Bevölkerung einen Schuldigen für die wirtschaftliche Misere benennen kann oder den internationalen Gesprächen über die Kontrolle der nuklearen Anlagen?

    Polenz: Zunächst einmal hat das Repräsentantenhaus diesen Beschluss gefasst, der muss noch vom Senat bestätigt werden. Damit ist wahrscheinlich zu rechnen. Und dann müssen die verschärften Sanktionen von Obama auch durch seine Unterschrift unter das Gesetz in Kraft gesetzt werden, was er wahrscheinlich machen wird. Aber noch sind die Sanktionen nicht verschärft, es ist sozusagen eine neue Schraubenumdrehung quasi angekündigt oder eingeleitet.

    Ob das der richtige Zeitpunkt war, es gab immerhin von den Abstimmenden eine kleine Minderheit in den USA, die das bezweifelt haben. Ich bin auch nicht so sicher, ob man nicht doch hätte jetzt erst einmal dem neuen Präsidenten eine Chance geben sollen, zu zeigen, ob er es nun wirklich bei den Verhandlungen ernst meint. Denn die Verhandlungsstrategie der EU, drei plus drei, wo ja die USA mit dabei sind, läuft ja darauf hinaus, wenn man Fortschritte erzielt, etwa bei der Beendigung der 20-Prozent-Anreicherung bei den Anlagen in Fordo, die tief verbunkert unter der Erde sind, dann kann man sich auch Schritt für Schritt eine Erleichterung bei den Sanktionen vorstellen. Allerdings nur, wenn tatsächlich in der Wirklichkeit sich etwas verändert, nicht nur in Ankündigungen oder auf dem Papier.

    Liminski: Dann noch einmal zu Rohani. Was kann er denn konkret tun, um die Hoffnungen zu erfüllen, die in ihn gesetzt werden?

    Polenz: Nun, man muss immer wissen, Rohani ist nicht der mächtigste Mann im Iran, das ist und bleibt der geistige Führer Khamenei. Aber durch die Abstimmung – ich will jetzt nicht von einer Wahl in unserem Sinne sprechen, aber immerhin, hat Millionen Stimmen der Iraner bei diesen Wahlen bekommen, hat er natürlich auch ein eigenes, persönlich-politisches Gewicht. Und ich hab ihn ja früher mehrfach getroffen, er ist aus einem anderen Holz geschnitzt als Chatami, der doch eher ein Schöngeist war. Er ist schon ein Politiker, der gestalten möchte. Seinerzeit hätte man ihn sicherlich nicht als Moderaten bezeichnet, sondern da galt er als konservativer Kleriker. Dass er heute moderat wirkt, liegt daran, dass sich das iranische politische Spektrum weiter verengt und negativ verschoben hat.

    Aber unter den gegenwärtigen Umständen hat er Möglichkeiten, und er hat bestimmte Dinge auch angekündigt. Und wenn er gerade noch einmal von der wirtschaftlichen Entwicklung im Iran spricht, der seine Hauptsorge gilt, dann sind wir natürlich auch dabei, dass er unbedingt etwas tun muss, dass der Westen und dass die internationale Gemeinschaft die Sanktionen lockert. Denn die Wirtschaft liegt natürlich auch wegen der Sanktionen darnieder.

    Liminski: Ganz konkret: Könnte er sich, wenn er überhaupt eine andere Politik will, gegen Khamenei durchsetzen?

    Polenz: Das wird sicherlich nicht in einer direkten Konfrontation möglich sein, sondern in einer Art und Weise, dass er Khamenei davon überzeugt, dass es im iranischen Interesse, auch im Interesse des iranischen Regimes liegt, Kompromisse einzugehen. Er selbst hat ja 2006 in einem Brief, den das "Time Magazine" auch veröffentlicht hat, hat er quasi einen Leserbrief hingeschrieben, skizziert, wie er sich die Lösung des Nuklearkonflikts vorstellt, nämlich Transparenz und Kontrolle, aber kein Verzicht auf die Anreicherung, aber keine Atomwaffen. Das ist, so knapp zusammengefasst, seine Position gewesen, die er damals, verbal jedenfalls, eingenommen hat.

    Liminski: Skepsis ist geboten, aber eine Chance sollte Rohani auch haben, meint hier im Deutschlandfunk der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz. Besten Dank für das Gespräch, Herr Polenz!

    Polenz: Danke schön, Herr Liminski!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Ruprecht Polenz (CDU) ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, dem er seit 1994 angehört.
    Ruprecht Polenz (CDU) ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. (ruprecht-polenz.de)