Die Aufregung vor dem belgischen Regierungssitz war groß. Viele Journalisten wollten gestern von Yves Leterme eine Erklärung, warum er ausgerechnet jetzt aus der belgischen Politik aussteigen will. Jetzt, wo die Verhandlungen für eine neue Regierung Spitz auf Knopf stünden. Aber Leterme blieb wortkarg.
"Ich werde dazu später noch etwas sagen. Ich bin auch noch nicht weg. Wir haben vereinbart, dass ich die Geschäfte erst mal weiterführe. Aber ich hoffe, dass es bei den Koalitionsverhandlungen zu einer Einigung kommt."
Die Nachricht, dass Noch-Ministerpräsident Yves Leterme aus der belgischen Politik aussteigt, kam überraschend. Viele Belgier hatten sich darauf eingestellt , dass Leterme und seine Übergangsregierung noch ewig weitermachen würden. Vor fast eineinhalb Jahre war der flämische Christdemokrat vom Amt des belgischen Premierministers zurückgetreten ist, nach einem Streit zwischen den Sprachgruppen. Bei den anschließenden Wahlen gingen seine Christdemokraten dramatisch unter. Deutlicher Wahlsieger wurde die Neue Flämische Allianz des Separatistenchefs Bart De Wever. Doch weil Separatisten lieber spalten als regieren, kam mit ihnen bis heute keine tragfähige Koalition für Belgien zustande. Und so regierte Yves Leterme mit all seinen Ministern eben geschäftsführend weiter. Und nicht nur das: Während er zuvor als gewählter Regierungschef das Land von einer Krise in die nächste gesteuert hatte, ist er nun, als abgewählter Regierungschef, überaus erfolgreich. Die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosigkeit stagniert und Leterme hat plötzlich keine Feinde mehr.
Politische Gegner, die ihn früher um jeden Preis loswerden wollten, werfen Leterme nun vor, er würde sich aus der Verantwortung stehlen. Der Sozialist Rudy Demotte ist Ministerpräsident der Wallonie:
"Wenn er jetzt nicht bereit ist, seine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung voll und ganz wahrzunehmen, dann riskiert er, dieses Land in ein institutionelles Chaos zu stürzen."
Die neue Wertschätzung von Yves Leterme hat natürlich auch damit zu tun, dass der Christdemokrat sich zum ersten Mal in seiner politischen Laufbahn nicht mehr um den flämisch-wallonischen Dauerstreit kümmern muss. Er führt nur die Geschäfte, und das macht er ganz ordentlich, finden die Belgier auf beiden Seiten der Sprachgrenze. Um den politischen Konflikt zwischen den reichen Flamen im Norden und den französischsprachigen Wallonen im Süden kümmern sich die Parteien bei den Koalitionsverhandlungen. Seit Juni letzten Jahres schleppen sich die Verhandlungen mit bis zu neun Parteien hin – kaum ein Belgier interessiert sich noch dafür.
Größtes Hindernis für eine Einigung war bislang die Kompromisslosigkeit der Separatistenpartei N-VA. Ihr Chef Bart De Wever hat vor kurzem sogar eingeräumt, dass ihm ein Scheitern der Koalitionsgespräche am liebsten wäre. Seine Partei will schließlich die Unabhängigkeit Flanderns, und dafür käme ihr das Ende Belgiens ganz gelegen.
Zwar ist de Wevers Neue Flämische Allianz inzwischen aus den Koalitionsverhandlungen ausgestiegen, aber ihr Geist sitzt nach wie vor mit am Tisch. Vor allem die flämischen Christdemokraten haben panische Angst, für jeden noch so kleinen Kompromiss mit den französischsprachigen Parteien von den Wählern bestraft zu werden.
Denn in Flandern herrscht mittlerweile eine Grundstimmung, nach der alles besser wird, je weniger man mit den frankophonen Belgiern zu tun hat. Zwar sind nur zwölf Prozent der Flamen für ein unabhängiges Flandern, aber eine breite Mehrheit zeigt Sympathie für die Argumente der Separatisten.
Dabei kommen Flamen und Wallonen im täglichen Leben gut miteinander aus. Doch sobald es um Politik geht, wird's schnell giftig. Viele Flamen empfinden die kulturelle Überheblichkeit der französischsprachigen Teile Belgiens als Zumutung, umso mehr, als das Geld inzwischen in Flandern verdient wird. Jedes Jahr fließen rund fünf Milliarden Euro aus dem wohlhabenden Flandern in die abgehalfterten Stahl- und Kohleregionen der Wallonie.
Alle flämischen Parteien, nicht nur die Separatisten, wollen die Finanzen künftig stärker trennen und fordern auch sonst eine stärkere Abgrenzung. Dafür dürfen sich die Verhandlungen ruhig hinziehen, finden die flämischen Wähler. Die Fragen des Zusammenlebens müssten jetzt geklärt werden, das sei wichtiger als eine neue Regierung.
Bislang konnten sich alle Belgier damit beruhigen, dass ja nichts anbrennt, solange sich Yves Leterme um die laufenden Geschäfte kümmert. Nun hat Leterme mit seiner Ankündigung, aus der Politik auszusteigen, die Verhandler unter Zeitdruck gesetzt – zumindest ein wenig. Politikwissenschaftler Marc Uyttendaele:
"Die geschäftsführende Regierung oder die stärkste Partei kann jederzeit irgendeinen ihrer Minister zum geschäftsführenden Premier wählen, der weiter regiert, bis eine neue vollwertige Regierung im Amt ist."
"Ich werde dazu später noch etwas sagen. Ich bin auch noch nicht weg. Wir haben vereinbart, dass ich die Geschäfte erst mal weiterführe. Aber ich hoffe, dass es bei den Koalitionsverhandlungen zu einer Einigung kommt."
Die Nachricht, dass Noch-Ministerpräsident Yves Leterme aus der belgischen Politik aussteigt, kam überraschend. Viele Belgier hatten sich darauf eingestellt , dass Leterme und seine Übergangsregierung noch ewig weitermachen würden. Vor fast eineinhalb Jahre war der flämische Christdemokrat vom Amt des belgischen Premierministers zurückgetreten ist, nach einem Streit zwischen den Sprachgruppen. Bei den anschließenden Wahlen gingen seine Christdemokraten dramatisch unter. Deutlicher Wahlsieger wurde die Neue Flämische Allianz des Separatistenchefs Bart De Wever. Doch weil Separatisten lieber spalten als regieren, kam mit ihnen bis heute keine tragfähige Koalition für Belgien zustande. Und so regierte Yves Leterme mit all seinen Ministern eben geschäftsführend weiter. Und nicht nur das: Während er zuvor als gewählter Regierungschef das Land von einer Krise in die nächste gesteuert hatte, ist er nun, als abgewählter Regierungschef, überaus erfolgreich. Die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosigkeit stagniert und Leterme hat plötzlich keine Feinde mehr.
Politische Gegner, die ihn früher um jeden Preis loswerden wollten, werfen Leterme nun vor, er würde sich aus der Verantwortung stehlen. Der Sozialist Rudy Demotte ist Ministerpräsident der Wallonie:
"Wenn er jetzt nicht bereit ist, seine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung voll und ganz wahrzunehmen, dann riskiert er, dieses Land in ein institutionelles Chaos zu stürzen."
Die neue Wertschätzung von Yves Leterme hat natürlich auch damit zu tun, dass der Christdemokrat sich zum ersten Mal in seiner politischen Laufbahn nicht mehr um den flämisch-wallonischen Dauerstreit kümmern muss. Er führt nur die Geschäfte, und das macht er ganz ordentlich, finden die Belgier auf beiden Seiten der Sprachgrenze. Um den politischen Konflikt zwischen den reichen Flamen im Norden und den französischsprachigen Wallonen im Süden kümmern sich die Parteien bei den Koalitionsverhandlungen. Seit Juni letzten Jahres schleppen sich die Verhandlungen mit bis zu neun Parteien hin – kaum ein Belgier interessiert sich noch dafür.
Größtes Hindernis für eine Einigung war bislang die Kompromisslosigkeit der Separatistenpartei N-VA. Ihr Chef Bart De Wever hat vor kurzem sogar eingeräumt, dass ihm ein Scheitern der Koalitionsgespräche am liebsten wäre. Seine Partei will schließlich die Unabhängigkeit Flanderns, und dafür käme ihr das Ende Belgiens ganz gelegen.
Zwar ist de Wevers Neue Flämische Allianz inzwischen aus den Koalitionsverhandlungen ausgestiegen, aber ihr Geist sitzt nach wie vor mit am Tisch. Vor allem die flämischen Christdemokraten haben panische Angst, für jeden noch so kleinen Kompromiss mit den französischsprachigen Parteien von den Wählern bestraft zu werden.
Denn in Flandern herrscht mittlerweile eine Grundstimmung, nach der alles besser wird, je weniger man mit den frankophonen Belgiern zu tun hat. Zwar sind nur zwölf Prozent der Flamen für ein unabhängiges Flandern, aber eine breite Mehrheit zeigt Sympathie für die Argumente der Separatisten.
Dabei kommen Flamen und Wallonen im täglichen Leben gut miteinander aus. Doch sobald es um Politik geht, wird's schnell giftig. Viele Flamen empfinden die kulturelle Überheblichkeit der französischsprachigen Teile Belgiens als Zumutung, umso mehr, als das Geld inzwischen in Flandern verdient wird. Jedes Jahr fließen rund fünf Milliarden Euro aus dem wohlhabenden Flandern in die abgehalfterten Stahl- und Kohleregionen der Wallonie.
Alle flämischen Parteien, nicht nur die Separatisten, wollen die Finanzen künftig stärker trennen und fordern auch sonst eine stärkere Abgrenzung. Dafür dürfen sich die Verhandlungen ruhig hinziehen, finden die flämischen Wähler. Die Fragen des Zusammenlebens müssten jetzt geklärt werden, das sei wichtiger als eine neue Regierung.
Bislang konnten sich alle Belgier damit beruhigen, dass ja nichts anbrennt, solange sich Yves Leterme um die laufenden Geschäfte kümmert. Nun hat Leterme mit seiner Ankündigung, aus der Politik auszusteigen, die Verhandler unter Zeitdruck gesetzt – zumindest ein wenig. Politikwissenschaftler Marc Uyttendaele:
"Die geschäftsführende Regierung oder die stärkste Partei kann jederzeit irgendeinen ihrer Minister zum geschäftsführenden Premier wählen, der weiter regiert, bis eine neue vollwertige Regierung im Amt ist."