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IS Terrormiliz
Hinrichtungsbilder gehören nicht in die Medien

Die Ermordung des US-Journalisten James Foley wurde über soziale Medien im Netz gezeigt. Journalisten müssten berichten, was vor Ort passiere, aber die Hinrichtung selbst gehöre nicht in die Medien, sagte Michael Konken, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes im DLF. Man müsse auch auf die Angehörigen Rücksicht nehmen, ergänzte er.

Michael Konken im Gespräch mit Reinhard Bieck | 21.08.2014
    Michael Konken, DJV-Bundesvorsitzender
    Michael Konken, DJV-Bundesvorsitzender (picture alliance / dpa / Hauke-Christian Dittrich)
    Sandra Schulz: Auch die neue Macht der Neuen Medien – sie wird angesichts dieses Terrorvideos noch einmal deutlich: Die Terroristen des Islamischen Staats, sie inszenieren sich über das Internet und verbreiten so mit wenigen Klicks ihre Propaganda, blitzschnell tausendfach, wenn nicht hunderttausendfach oder millionenfach über die ganze Welt. Über die Rolle der Neuen Medien und auch den Journalismus im Krieg hat mein Kollege Reinhard Bieck mit Michael Konken gesprochen, dem Vorsitzenden des Deutschen Journalistenverbandes. Als erstes hat er ihn gefragt: Ist die Ermordung, die Zurschaustellung des Kollegen eine, in Anführungszeichen, neue Qualität der Kriegsführung?
    Michael Konken: Ja, das ist eine brutale Qualität, die ja wohl auch jetzt Realität geworden ist, und das zeigt doch, wie gefährlich auch dieser Beruf von Journalisten ist, wenn sie gerade im Ausland auch tätig sind und gerade in solchen Krisengebieten.
    Reinhard Bieck: Im Netz waren die Bilder von Foleys Ermordung zu sehen, wurden von Google und Twitter aber schnell wieder gelöscht. Wie weit dürfen Zeitungen, Magazine und das Fernsehen gehen?
    "Diese Bilder gehören nicht in die Öffentlichkeit"
    Konken: Diese Bilder gehören nicht in die Öffentlichkeit. Wir müssen zwar darüber berichten und müssen erzählen und sagen, was dort passiert ist, aber die Bilder, die dort jetzt auch aufgenommen wurden, gehören nicht ins Fernsehen, gehören auch nicht als Bilder in eine Zeitung, weil auch diejenigen, glaube ich, die intensiv mit ihm verbunden sind, Angehörige, an die man denken muss, dann auch sehen, wie hier jemand dann hingerichtet wird, und solche Bilder haben in den Medien nichts zu suchen.
    Bieck: Herr Konken, Sie haben es eben schon angerissen: Seit heute kann kein Journalist mehr im Norden des Irak arbeiten, jedenfalls sofern er nicht lebensmüde ist. Aber wo bleiben dann die für die Weltöffentlichkeit wichtigen und objektiven – soweit es geht – Informationen?
    Konken: Gut, das ist jetzt wirklich eine schwierige Situation. Journalisten müssen weiter berichten, sie müssen darüber berichten, was dort passiert, ansonsten kann sich, glaube ich, niemand in der Welt ein objektives Bild machen, kann beurteilen, was dort los ist. Und ich bin sicher, dass auch Journalisten weiter berichten werden, was dort passiert. Aber diese Gefahr, dass man gekidnappt wird, dass man eventuell dann auch hingerichtet wird, diese Gefahr ist gegeben, und das zeigt schon, wie gefährlich dieser Beruf in solchen Bereichen dann ist.
    Berichterstattung aus Krisengebieten ist individuelle Entscheidung
    Bieck: Ich möchte noch mal nachfragen: Können Sie wirklich guten Gewissens einem Kollegen oder einer Kollegin empfehlen, von dort zu berichten, dort hinzugehen?
    Konken: Wir warnen immer davor, in solchen Krisengebieten zu berichten, sich auch selbst zu schützen, und ich glaube, da wo Leib und Leben dann gefährdet ist, da muss man vorsichtig sein, und unter diesen Umständen wird man, glaube ich, genau überlegen müssen, ob man dann in solche Frontlinien geht, ob man in solche Gebiete fährt, um von dort zu berichten. Das ist problematisch, trotzdem werden es einige versuchen, um weiterhin auch der Weltöffentlichkeit zu zeigen, was hier passiert. Aber das muss jeder für sich entscheiden, und wir haben oft genug davor gewarnt, sich dann auch selbst zu schützen, genau zu überlegen, in welche Bereiche man geht, um dann auch eine Berichterstattung von dort zu gewährleisten.
    Bieck: Nicht nur im Irak, auch in Syrien, Afghanistan oder auch im Osten der Ukraine haben wir es mit sogenannten asymmetrischen Kriegen zu tun, das heißt, reguläre Armeen kämpfen gegen Terroristen oder Freischärler. Welche Herausforderung bedeutet das für die Journalisten?
    Konken: Ja, erst mal einzuordnen überhaupt: Wer kämpft dort gegen wen? Welche Aufgabe ... Wie sind die zusammenzurechnen? Wer kämpft hier an welcher Seite? Das ist, glaube ich, für uns alle sehr schwierig. Und ich glaube, wenn wir mal überlegen, was dort vorgeht, weiß kaum so richtig jemand, wie das dort genau aussieht. Und das ist gerade die Aufgabe der Journalisten, hier dann uns auch zu erklären, was dort vorgeht, wer hier an welcher Seite kämpft, wer gegen wen kämpft und wo dann auch die Gefahrenlage liegt, und das können eigentlich nur Journalisten vor Ort machen, die auch genau recherchiert haben, die genau im Thema sind, die genau wissen, was dort passiert. Also man muss sich schon in Krisengebieten, in Krisensituationen, in Kriegsgebieten auskennen, um hier dann auch wirklich die Öffentlichkeit wahrheitsgemäß zu informieren.
    Bieck: Die Terrorgruppe Islamischer Staat will in ihrem angestrebten Kalifat zurück in die Steinzeit, aber sowohl ihre Waffen als auch ihre Kommunikation sind auf dem neuesten Stand, sprich Hightech. Insbesondere ihre Computerkenntnisse dürften sich die selbst ernannten Gotteskrieger wohl in den Ländern geholt haben, die sie am meisten hassen, die USA und Großbritannien. Wie kann man so was verhindern, ohne der Reise- oder Meinungsfreiheit zu schaden?
    Terroristen holen sich überall ihre Informationen
    Konken: Ich glaube, das werden wir nicht verhindern können. Diese Terroristen werden sich ihre Informationen immer und überall holen können, sie werden sich überall weiterbilden können, um da auf dem neuesten Stand zu sein. Man wird vorher nicht ausrechnen können, wer als Terrorist zurückgeht. Das ist die Gefahr, mit der wir in der heutigen Zeit einfach leben.
    Bieck: Sie haben eben schon mal gekidnappte Kollegen ins Gespräch gebracht. Also wenn Journalisten als Geiseln genommen werden, dann kommt immer wieder das gleiche oder sogar dasselbe Problem auf, nämlich, ob Regierungen für das Leben und die Freilassung der Kollegen Lösegeld zahlen sollen. Sind Sie dafür?
    Konken: Also es geht mir natürlich darum, dass jeder Kollege, der dort in Geiselhaft kommt, auch wieder befreit wird, weil er hier eine öffentliche Aufgabe auch wahrnimmt, und ich glaube, Regierungen sollten dann alles tun, um solche Kolleginnen und Kollegen dann auch wieder aus der Geiselhaft zu befreien, denn sie nehmen eine Aufgabe wahr, die für uns alle wichtig ist und ohne die wir, glaube ich, uns keine objektive Meinung machen könnten, und da sind Regierungen natürlich auch am Zug.
    Schulz: Michael Konken, der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Die Fragen stellte mein Kollege Reinhard Bieck.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.