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Islam in Griechenland
Eine staatliche Moschee für Athen

Zum Beten gehen Athens Musliminnen und Muslime bislang in den Keller. Die improvisierten Moschee-Räume liegen meist in Untergeschossen. Doch das soll sich nun ändern. Voraussichtlich im Mai soll eine repräsentative Moschee eröffnen. Sie wurde komplett vom Staat finanziert.

Von Rodothea Seralidou |
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Beten zwischen Lüftungsschächten: die Al-Salam-Moschee in Athen (Deutschlandradio / Rodothea Seralidou)
Freitagsgebet in der Al-Salam-Moschee im Athener Stadtteil Neos Kosmos - einer Garage im Untergeschoss eines Mehrfamilienhauses. Rund sechzig Gläubige haben sich hier versammelt. Unter ihnen der 18-jährige Mohammed. Der Seefahrtsstudent ist im ägyptischen Alexandria aufgewachsen, seine Mutter ist Halbgriechin:
"Ich komme jeden Freitag hierher. Hier sind die meisten Araber. Pakistani haben andere Moscheen, sie haben dann die Predigt in ihrer Sprache. Aber alle Gebetsräume für Muslime sind wie der hier, unter der Erde. Ich würde so gerne in eine richtige Moschee gehen, eine Moschee über der Erde, die auch danach ausschaut, deren Anblick uns Freude bereitet. Dann werden wir auch nicht mehr das Gefühl haben, wir gehen für unser Gebet in ein Gotteshaus zweiter Klasse."
Athener Moschee soll komplett vom Staat finanziert werden
Giorgos Kalatzis kennt das Problem. Er sitzt in seinem Büro im griechischen Ministerium für Bildung und Religion und skizziert ein rechteckiges Gebäude: die neue Moschee im Athener Stadtteil Votanikos - ein rein staatliches Bau-Projekt.
Kalatzis: "Anders als die griechischen Kirchen und Synagogen, deren Bau die Gläubigen durch Spenden mitfinanzieren, wird die Athener Moschee als einziges Gotteshaus komplett von der griechischen Staatskasse finanziert. Wir wollen dadurch Spenden aus dem Ausland vermeiden. Denn mit dem Geld kommt auch die Einflussnahme auf die Imame und auf die Gläubigen. Andere europäische Länder wissen nur zu gut, was das bedeutet. Auch Deutschland, Österreich und Holland."
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Giorgos Kalatzis, griechischer Generalsekretär für Religionen: "Mit dem Bau einer neuen Moschee setzen wir ein Zeichen." (Deutschlandradio / Rodothea Seralidou)
Gerade die Türkei, die gerne den Bau der Moschee finanziert hätte, könnte die Muslime für ihre Zwecke instrumentalisieren, fürchtet Kalatzis. Auch der Vorschlag des türkischen Staatspräsidenten, Athen sollte eine Moschee aus der osmanischen Zeit wieder in Betrieb nehmen, werde deshalb abgelehnt:
"Warum ist denn in Athen eine Moschee notwendig? Weil hier neu zugewanderte Muslime leben, aus verschiedenen Ländern. Ihr Gebetshaus sollte dementsprechend diese neue Realität widerspiegeln. Die Inbetriebnahme einer alten Moschee aus der osmanischen Zeit, über die wir als Griechen nicht besonders froh sind, wäre ein falsches Zeichen. Für uns ist klar: Für die Muslime Athens ist ausschließlich Griechenland verantwortlich, im Rahmen unserer Verfassung und der Europäischen Konvention für Menschenrechte. Kein anderes Land."
Imam wird verbeamtet
Rund 800.000 Euro habe das Gebäude gekostet, alle Ausgaben des Moschee-Betriebs würden vom Staat getragen. Dementsprechend groß ist auch das Mitspracherecht der Regierung und der Stadt Athen: Im Moschee-Vorstand sitzen neben Vertretern der muslimischen Communities auch Mitarbeiter des Religions- und des Finanzministeriums sowie der Stadt Athen. Der Imam soll verbeamtet sein, wie die orthodoxen Priester auch.
Die meisten Muslime stört das nicht. Im Gegenteil: Sie waren diejenigen, die den Bau einer staatlichen Moschee gefordert haben, sagt Naim El-Ghandour von der "Muslimischen Vereinigung Griechenlands". Der 64-Jährige ist vor Jahrzehnten aus Ägypten eingewandert und hat mittlerweile die griechische Staatsbürgerschaft:
"Vor den Plänen zu dieser Moschee sollte eine Moschee außerhalb Athens gebaut werden. Das Geld dazu wollte Saudi-Arabien beisteuern. Gott sei dank war die orthodoxe Kirche dagegen, denn sonst hätten wir jetzt in Athen Wahhabismus und Extremismus. Wir als griechische Muslime wollen kein Geld aus dem Ausland. Wir wollen nicht die Verhältnisse, die es dadurch in anderen Ländern gibt."
"Das sieht ja überhaupt nicht aus wie ein Gebetshaus"
Der Islam sei eine friedliche Religion, sagt El Ghandour, und die Muslime hätten ein prachtvolles Gotteshaus verdient, weg von den Garagen und Kellerwohnungen. Leider sei das neue Moscheegebäude aber alles andere als prachtvoll, so seine Kritik am staatlichen Projekt:
"Der Staat erkennt uns Muslime durch einen offiziellen Ort zum Beten zwar endlich an. Ich verstehe aber nicht, warum die Moschee wie eine Lagerhalle aussehen muss. Das sieht ja überhaupt nicht aus wie ein Gebetshaus."
Tatsächlich wird das 1.000 Quadratmeter große Gebäude rechteckig und schlicht sein. Minarette gibt es nicht. Von einer "Lagerhalle" könne aber nicht die Rede sein, sagt die Athener Stadträtin Nelli Papachela:
"Es handelt sich eben um ein modernes Gebäude; nicht, um die Moschee herabzuwürdigen, sondern weil die Gegend nur so von antiken Funden wimmelt. Und für dieses Gebäude musste man nicht tief graben. Sonst wäre das Risiko groß, auf Antiquitäten zu stoßen. Das würde erneut für Verzögerungen sorgen."
Moschee seit dreizehn Jahren in der Planung
Und davon gab es bisher mehr als genug: Der Bau der Moschee in Votanikos wurde 2006 beschlossen; vor dreizehn Jahren. Es folgten Bürgerproteste: besorgte Anwohner und der Bischof von Piräus, bekannt für seine ultrakonservativen Ansichten, klagten vor Gericht. Gleichzeitig brach die Wirtschaftskrise aus. Es folgte eine Zeit politischer Instabilität und ständiger Regierungswechsel.
Es sei also wenig verwunderlich, dass die Moschee als öffentliches Bauprojekt erst jetzt fertig geworden ist, sagt Kalatzis vom Religionsministerium. Wird die staatliche Moschee erst mal eröffnet, will das Ministerium bei den vielen kleinen muslimischen Gebetsräumen härter durchgreifen:
"Sie müssen entweder eine Genehmigung bekommen oder werden geschlossen. Bisher wurden sie geduldet, das wird nun aufhören."
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Am Eingang zur Keller-Moschee: Der Student Mohammed hofft, bald überirdisch beten zu können (Deutschlandradio / Rodothea Seralidou)
Noch beten die Muslime aber in Garagen wie der von Neos Kosmos. Der 18-jährige Mohammed hofft, dass die Eröffnung der staatlichen Moschee in Athen ein Anfang ist: für weitere Moscheen in Griechenland und für mehr Akzeptanz:
"Es müssen auch Moscheen in anderen griechischen Städten eröffnen, denn dort haben die Muslime ähnliche Probleme wie wir hier in Athen. Und die Leute müssen verstehen, dass wir auch Teil dieser Gesellschaft sind. Dass Griechen nicht nur 'Giorgos' oder 'Kostas' heißen können, sondern eben auch 'Mohammed'."