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Islamkonferenz
Zwischen Dialog und Ausschluss

2006 hatte der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble Muslime, Länder, Kommunen und Bundesverwaltung zur ersten deutschen Islamkonferenz gerufen. Doch in den Folgejahren kriselte es im Gremium. Mit Thomas de Maizière im Innenressort soll nun wieder frischer Wind in die Sache kommen.

Von Dorothea Jung | 23.03.2014
    Wolfgang Schäuble: "Der Islam ist Teil Deutschlands, und er ist Teil Europas, er ist Teil unserer Gegenwart, und er ist Teil unserer Zukunft."
    Thomas de Maizière: "Wenn man sagt ein Teil, heißt das aber auch, er ist nicht das Ganze. Wenn Sie jetzt fragen: 'Wird damit jetzt der Islam auf die gleiche Stufe gestellt wie das christliche und das jüdische Religionsverständnis, Kulturverständnis, was wir haben?' - dann ist meine Antwort auf absehbare Zeit: Nein."
    Hans-Peter Friedrich: "Ich denke, dass die Menschen, die hier leben und islamischen Glaubens sind, natürlich hier auch Bürger in diesem Land sind und zu diesem Land gehören, aber dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt."
    Drei deutsche Innenminister, drei Positionen zum Islam. Drei Äußerungen, die im Zusammenhang mit einem Ereignis fielen, das zum ersten Mal im September 2006 stattfand: der deutschen Islamkonferenz. Als Wolfgang Schäuble - seinerzeit Innenminister - Muslime, Länder, Kommunen und Bundesverwaltung zum Dialog nach Berlin rief, hatte er Großes vor:
    "Als ergebnisoffener, zielgerichteter Prozess soll die Konferenz darauf hinarbeiten, einen gemeinsamen Willen herzustellen, der es uns eben dann besser ermöglicht, in Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam mit Muslimen zu handeln."
    Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble spricht im Bundestag über die Islamkonferenz und die Integration von Moslems
    Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble spricht im Bundestag über die Islamkonferenz und die Integration von Moslems (AP)
    Bei der Herstellung eines gemeinsamen Willens sollte es dann allerdings in den Folgejahren mitunter heftig knirschen. Das hatte zum einen mit den unterschiedlichen Erwartungen der Teilnehmer zu tun. Schäubles Ziel war ganz allgemein eine bessere Integration der muslimischen Bevölkerung.
    "Das ist für die Friedlichkeit, für die Toleranz, das heißt für die Stabilität unserer Freiheitsordnung, ein wichtiges Thema."
    Aufgabenbereich der Konferenz
    Die Konferenz bestand aus einer Plenarsitzung, die einmal im Jahr stattfand und weiteren regelmäßigen Treffen in Arbeitsgruppen zu bestimmtem Themen. Dort sollten die Teilnehmer nicht nur diskutieren, wie zum Beispiel in den Ländern islamischer Religionsunterricht zu organisieren wäre - oder wie man die Ausbildung von Imamen und Religionslehrern verbessern kann. Sondern auch, wie man etwa verhindert, dass muslimische Mädchen durch ihre Familien benachteiligt werden; oder wie man erreicht, dass islamische Verbände sich von extremistischen Gruppen distanzieren. Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime war zur Konferenz geladen und hatte mehr erwartet.
    "Die Muslime hatten die naive Hoffnung, dass mit dem Zugriff oder Beiwohnen an der Islam-Konferenz die Frage der Anerkennung als Religionsgemeinschaft quasi in der Tasche ist."
    Hintergrund: Vier große muslimische Dachverbände in Deutschland hatten sich zeitnah zur Islamkonferenz eigens zu einem Koordinationsrat zusammengeschlossen. Zu diesem Bündnis gehörten erstens der Islamrat, dessen Mitglieder mehrheitlich zur Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs gehören – einer Organisation, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Zweitens der Zentralrat der Muslime, unter dessen Dach sich ebenfalls einige Moscheevereine versammeln, die im Visier des Verfassungsschutzes stehen. Dann der Verband der islamischen Kulturzentren, kurz: VIKZ, eine Koranschulbewegung, in der sich strenggläubige, bildungsbewusste Muslime vereinen. Und schließlich die größte muslimische Organisation in Deutschland, die Ditib, der deutsche Ableger der staatlichen Türkischen Union der Anstalt für Religion. Diese vier Verbände hofften, dass aus der Islamkonferenz eine Anerkennung ihres Bündnisses als Repräsentanz der Muslime in Deutschland erfolgen würde.
    "Wir wissen, wenn wir zum Beispiel den islamischen Religionsunterricht in der Schule einführen möchten, dann braucht man auf Länderebene einen einheitlichen Ansprechpartner. Und wenn wir auf der Länderebene auch als Ansprechpartner fungieren möchten, dann müssen wir uns an dieses föderative System in Deutschland insgesamt anpassen, so wie EKD und Bischofskonferenz sollten wir Muslime auch dieses Modell uns aneignen."
    So damals Bekir Alboga, der Dialogbeauftragte der Ditib. Das Ziel des Koordinationsrates auf Anerkennung konnte allerdings nicht erreicht werden.
    Erfolge und Misserfolge der ersten Islamkonferenz
    Die Erfolge der ersten Islamkonferenzen lagen weniger im großen Ganzen, sondern eher in greifbaren kleinen Schritten. Nach Meinung von Christine Langenfeld hat die Konferenz vor allem Wege aufgezeigt, wie die Muslime ganz praktisch mit dem Staat gemeinsam Lösungen erarbeiten können. Christine Langenfeld ist Vorsitzende des Sachverständigenrates Deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Die Göttinger Professorin für öffentliches Recht hat in der ersten Islamkonferenz mitgearbeitet. Ihr Fazit: Die Islamkonferenz hat vor allem Entscheidungen zum Religionsunterricht vorangetrieben und dabei die Bundesländer ordentlich in die Pflicht genommen:
    "Ich habe schon den Eindruck gewonnen in der Zeit vorher, dass die Bemühungen aufseiten der Länder nicht ganz so vorangetrieben worden sind, wie man sich das hätte wünschen können. Und die Islamkonferenz hat hier auch ein gewisser politischer Druck erzeugt, und sie hat deutlich gemacht, dass man sich nicht unentwegt auf rechtliche Hindernisse berufen kann, um islamischen Religionsunterricht anzubieten."
    Inzwischen sind auf Landesebene einige muslimische Verbände sogar als Religionsgemeinschaften anerkannt und wirken auf unterschiedliche Weise am Religionsunterricht mit. Andere muslimische Gemeinden haben durch die Islamkonferenz ebenfalls Wege gefunden, sich einzubringen. Die türkische Ditib baut zum Beispiel vorsorglich Landesverbände auf. Theologische Fakultäten zur Ausbildung von Imamen und Religionslehrern wurden eröffnet.
    Misserfolge gab es allerdings auch. Besonders im Atmosphärischen. So ärgerten sich die Verbände zum Beispiel von Anfang an über die Teilnehmerliste. Weil Wolfgang Schäuble wusste, dass die Mehrheit der vier Millionen Muslime in Deutschland nicht in Verbänden organisiert ist, hatte er neben den Vertretern islamischer Organisationen auch nicht-organisierte muslimische Einzelpersonen zur Konferenz eingeladen. Rechtsprofessorin Christine Langenfeld hält dieses Vorgehen für gerechtfertigt.
    "Das heißt, es lag nahe, die Repräsentanz der Vielfalt des Islam auch über diese Einzelpersonen mit abzusichern. Das hat dann aber auch durchaus zu Kritik geführt, weil: Die Verbände können das nur sehr schwer akzeptieren, dass eben Einzelpersonen, die dann auch zum Teil kritische Gläubige sind, auf einer Ebene mit ihnen stehen, die sich als Repräsentanten der Muslime fühlen."
    Gegenseitige Kritik der Teilnehmer
    Die in der Mehrheit konservativ ausgerichteten Verbandsfunktionäre waren also gezwungen, sich auf der Konferenz auch mit Muslimen auseinanderzusetzen, die offensiv ein liberaleres Islamverständnis einforderten. Derartige Gespräche hatten bislang in Deutschland kaum stattgefunden. Mehrfach wurde aus den nicht-öffentlichen Sitzungen der Arbeitskreise kolportiert, dass dort zwischen organisierten und nicht-organisierten Glaubensbrüdern und -schwestern die Fetzen flogen. Vor allem Teilnehmerin Necla Kelek wurde von den Verbandsvertretern angegriffen. Die nicht organisierte islamkritische Autorin hatte den Verbänden vorgeworfen, in der Islamkonferenz einseitig ein konservatives Islamverständnis zu propagieren:
    "Ich habe in der Islamkonferenz erfahren, dass die Islamverbände so organisiert sind, dass man mit ihnen keine Demokratie machen kann, dass sie auf ihr Recht pochen. Sie wollen einfach ihr Recht auf Körperschaft des öffentlichen Rechtes abholen. Und so wie sie sich das vorstellen, wie der Islam zu leben ist, wollen sie einfach leben. Und sie wollen dabei nicht gestört werden. Und leider ist das eine sehr traditionelle Form, ich möchte sagen, dass das leider so ist."
    Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime hält die damalige Einladung nicht-organisierter Muslime in die Islamkonferenz sogar für undemokratisch:
    Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland
    Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland (dpa / pa / Schlesinger)
    "Der Staat kann sich seine Dialogpartner nicht aussuchen. Vertretungen finden nicht statt durch Aussagen, ich bin zwar eine Einzelperson, aber ich red' jetzt mal für die schweigende Mehrheit, das ist ein undemokratischer Vorgang und entspricht nicht unsern Gepflogenheiten unseres Landes."
    Islamkonferenz-Teilnehmer Yilmaz Kahraman sieht das anders. Der studierte Islamwissenschaftler ist Bildungsbeauftragter der Alevitischen Gemeinde Deutschland - einer zwar dem Islam zugerechneten, aber eigenständigen Glaubensrichtung.
    "Die Einzelpersonen haben halt gezeigt, dass über die Verbände hinaus Muslime auch eine sehr plurale Gesellschaft sind. Und ich denke, das ist einfach eine Ungerechtigkeit gegen unser Demokratie-Verständnis, dass man versucht, solche Personen mundtot zu machen, indem man mit pseudo-demokratischen Argumenten hantiert."
    Islamkonferenz II mit Thomas de Maizière
    Nach der Bundestagswahl 2009 hieß der neue Innenminister zunächst Thomas de Maizière. Unter der Überschrift „Islamkonferenz II“ führte er den Dialog mit den Muslimen fort. Allerdings tauschte er die nicht-organisierten Muslim-Vertreter vollständig aus, um erneute Konflikte zu vermeiden. Gleichzeitig empfahl er dem Islamrat, seine Mitgliedschaft ruhen zu lassen, weil gegen das wichtigste Islamrats-Mitglied Milli Görüs seinerzeit strafrechtlich ermittelt wurde. Daraufhin zog sich der Islamrat ganz aus der Konferenz zurück. Dann sagte auch noch der Zentralrat der Muslime seine Teilnahme ab. Er wollte keine nicht-organisierten Teilnehmer mehr in der Runde. Und vor allem wollte er andere Themen diskutiert haben. Zu der Zeit war die rechtspopulistische Pro-Bewegung sehr aktiv und demonstrierte gegen Moscheebauten in ganz Deutschland; Thilo Sarrazin machte mit provokanten Thesen über Muslime von sich reden, und es gab zahlreiche islamfeindliche Aktionen. Darüber hätte man auf der Islamkonferenz diskutieren müssen, erklärt Aiman Mazyek, heute Vorsitzender des Zentralrates"
    "Entscheidend waren die inhaltlichen Punkte, beispielsweise antimuslimischer Rassismus wenn Sie so wollen, eine Fortentwicklung und Verbesserung der Themen und auch der Zusammensetzung von der Islam-Konferenz, und deswegen haben wir gesagt, wir machen dann mit, wenn es wieder konstruktiv wird."
    Islamkonferenz II mit Hans-Peter Friedrich
    Um trotzdem eine Vielfalt innerhalb der islamischen Teilnehmer zu gewährleisten, lud Thomas de Maizière stattdessen Vertreter der bosnischen und der marokkanischen Muslime ein. Als 2011 de-Maizière-Nachfolger Hans-Peter Friedrich dann die Islamkonferenz II übernahm, spitzten sich die Konflikte weiter zu. Der CSU-Politiker hatte bei Amtsantritt erklärt, dass der Islam historisch nicht zu Deutschland gehöre. Außerdem hatte er eine Sicherheitspartnerschaft zwischen islamischen Organisationen und deutschen Sicherheitsbehörden angeregt, die auf einem extra Präventionsgipfel diskutiert werden sollte. Die aus Bosnien stammende Islamwissenschaftlerin Armina Omerika kritisierte damals:
    Bundesinnenminister Friedrich und Mahada Wayha, Delegierte der Jungen Islam Konferenz, unterhalten sich während der Islamkonferenz am 07.05.2013
    Bundesinnenminister Friedrich und Mahada Wayha, Delegierte der Jungen Islam Konferenz, unterhalten sich während der Islamkonferenz am 07.05.2013 (picture alliance / dpa)
    "Die Sicherheitsmaßnahme, wie sie in der Presse vor dem Beginn der heutigen Plenarsitzung angekündigt war, fördert unseres Erachtens eine sehr bedenkliche Kultur des Denunziantentums unter den Muslimen und fördert keineswegs die Integrationsfunktion, welche der DIK laut Grundverständnis zukommen sollte."
    Die DIK, die Deutsche Islamkonferenz, war von Hans Peter Friedrich über seine sicherheitspolitischen Pläne nicht informiert worden. Die meisten Teilnehmer der Islamkonferenz fühlten sich von diesem Vorgehen übergangen, nicht ernstgenommen und verletzt. Dabei hatte das Thema Sicherheit und Extremismusprävention in Arbeitsgruppen der Islamkonferenz II bis dahin durchaus eine wichtige Rolle gespielt. Yilmaz Kahraman von der Alevitischen Gemeinde Deutschland zum Beispiel erarbeitete dort unter anderem Richtlinien für die Jugendarbeit.
    "Also, wenn man sich jetzt mal diesen Syrienkonflikt ansieht: Es sind ja über 300 Menschen aus Deutschland, also Dschihadisten, da in den Krieg gezogen. Und wenn man jetzt sagt, dass wir uns mit diesem Sicherheitsproblem nicht auseinandersetzen müssen, dann ist das sehr naiv, finde ich. Aber natürlich hat das so auch einen Schatten auf die deutsche Islamkonferenz geworfen, und man muss gucken, dass man die deutsche Islamkonferenz jetzt so aus diesem negativen Feeling heraus eher in so eine positive Bahn führt."
    Islamkonferenz III ohne Vorgaben über Inhalte
    Die Konferenz auf eine positive Bahn führen - das hat sich der neue Innenminister Thomas de Maizière nun vorgenommen: Sicherheitsaspekte sollen auf der anstehenden Islamkonferenz III nicht erörtert werden. Thomas de Maizière habe sich entschieden, die Inhalte nicht vorzugeben, sondern mit den muslimischen Verbänden gemeinsam zu erarbeiten, erklärt Staatssekretär Güner Krings.
    "Ich glaube, dass wir auf Augenhöhe kommunizieren, und ich glaub, da hat Thomas de Maizière ein besonderes Talent, das auch in seinem Auftreten sehr, sehr deutlich zu machen. Und ich glaube, das ist manchmal hilfreicher, als bestimmte politisch inhaltliche Fragen, wir begegnen uns auf Augenhöhe, ist glaube ich ein wichtiges Erfolgsrezept für die nächsten Monate und Jahre."
    Geladen sind nun die vier Verbände, die sich im Koordinationsrat zusammengeschlossen hatten, also auch der Islamrat, der mit Hinweis auf Ermittlungsverfahren gegen Milli-Görüs-Funktionäre nicht an der Islamkonferenz II teilgenommen hatte. Inzwischen ist jedoch der Milli-Görüs-Generalsekretär Deutschlands zurückgetreten. Außerdem ist erneut die Alevitische Gemeinde Deutschland dabei sowie die Moscheeverbände der Marokkaner und der Bosniaken. Neu in der Runde: die Ahmadiyya Muslim-Gemeinde - eine Organisation vornehmlich pakistanisch-stämmiger Muslime. Die Ahmadiyya- Gemeinde erhielt in Hessen als erster Muslimverband Deutschlands den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechtes. Als Migrantenorganisation, die laizistische Muslime vertritt, sitzt die Türkische Gemeinde in Deutschland mit am Konferenztisch. Nach einem ersten Vorgespräch sei klar, dass die dritte Islamkonferenz eine schlankere Konferenz wird, erklärt Kenan Kolat von der Türkischen Gemeinde in Deutschland:
    "Bei der ersten und zweiten Phase der Islamkonferenzen hatten wir große Plenarsitzungen, an denen circa 80 Personen teilgenommen haben. Das werden wir jetzt kürzen. Dieser Ausschuss, das frühere Plenum, das wird wahrscheinlich aus je neun Personen bestehen, neun Verbandsvertreter muslimischer Seite, neun Vertreter des Staates, Bundesministerien, Kommune, Länder; und diese Gruppe wird sich regelmäßiger treffen, wo wir auch unsere Meinung dann einbringen wollen."
    Nicht-organisierte Einzelpersonen nur noch als Experten
    Nicht-organisierte Einzelpersonen sollen in Zukunft nur noch als Experten in die Arbeitsgruppen geladen werden. Der Diplompsychologe Ahmad Mansour, der sich in der letzten Islamkonferenz als nicht-organisierter Muslim in der Arbeitsgruppe "Präventionsarbeit mit Jugendlichen" engagiert hatte, befürchtet, dass durch eine derartige Organisationsform der Verbandsislam gestärkt wird. Seiner Ansicht nach sollte die Islamkonferenz nach Wegen suchen, wie ein liberales und offenes Islamverständnis verstärkt werden kann.
    "Fast alle Verbände repräsentieren einen sehr konservativen Islam, der in manchen Punkten mit dem demokratischen Grundgesetz nicht vereinbar ist. Und die Verbände in dieser Zeit, besonders jetzt zu verstärken, finde ich fatal. Besonders wenn wir zum Beispiel die Debatte um den Münsteraner Professor Mouhanad Khorchide nennen; und da müssen wir uns Gedanken machen."
    Der Diplompsychologe spielt auf Mouhanad Khorchide an, der in Münster einen Lehrstuhl für Islamische Religionspädagogik innehat und muslimische Religionslehrer ausbildet. Khorchide nähert sich dem Koran mit historisch-kritischen Methoden und vertritt einen modernen, aufgeklärten Islam. Er wird zurzeit vom muslimischen Beirat der Universität, in dem Verbandsvertreter des Koordinationsrates repräsentiert sind, unter Druck gesetzt. Die Verbände drohen, Professor Khorchide die Lehrerlaubnis zu entziehen oder entziehen zu lassen. Yilmaz Kahraman von der Alevitischen Gemeinde Deutschland ist der Meinung, dass dieses Vorgehen unbedingt auf der neuen Islamkonferenz erörtert werden muss.
    "Die muslimischen Verbände definieren einfach, dass man bestimmte Rituale praktizieren muss, in bestimmte Gebetshäuser gehen muss, also da wird versucht, so 'ne Art Vereinheitlichung des Islams anzustreben. So nach dem Motto: 'Alles, was zu unserem Islamverständnis nicht gehört, darfst du nicht ausüben, sonst nehmen wir dir die Lehrerlaubnis aus der Hand'. Und wir wünschen uns, dass die Deutsche Islamkonferenz die Kuh vom Eis kriegt. Das Thema Lehrerlaubnis, das muss noch mal diskutiert werden, diese Problematik muss gelöst werden für die Zukunft."
    Bislang sieht es allerdings nicht so aus, als ob darüber auf der dritten Islamkonferenz diskutiert wird. Laut Kenan Kolat von der Türkischen Gemeinde in Deutschland sollen sich die Debatten künftig auf zwei Themen konzentrieren: auf die Seelsorge und auf die Wohlfahrtspflege.
    Kenan Kolat gestikuliert im Gespräch mit Journalisten
    Kenan Kolat Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland (dpa / Wolfgang Kumm)
    "Einmal geht es um Seelsorge in der Bundeswehr, in Krankenhäuser und, und, und. Aber dazu gehört auch das muslimische Leben allgemein, dazu gehört auch islamische Feiertagdebatte zum Beispiel, steht auch explizit auch drin. Und zweiter Themenbereich ist Wohlfahrtspflege. Ob man dann einen muslimischen Wohlfahrtsverband gründen möchte oder nicht, das ist die Debatte, die dann dort vorgehen soll, und in diese zwei Arbeitsgruppe werden dann Experten auch dazukommen."
    Frischer Wind mit Thomas de Maizière
    Nachdem es unter seinem Amtsvorgänger so ausgesehen hatte, als ob die Islamkonferenz keine Zukunft mehr hat, scheint nun unter Thomas de Maizière wieder frischer Wind in die Debatte zu kommen. Trotz aller Schwierigkeiten – ein Erfolg der Islamkonferenzen ist nicht mehr rückgängig zu machen, davon ist Christine Langenfeld vom Sachverständigenrat für Integration und Migration überzeugt: Sie haben die Vielfalt des Islam in Deutschland in die Öffentlichkeit gerückt.
    "Dass vielen Menschen bewusst geworden ist, mein Gott in Deutschland leben vier Millionen Muslime, und diese vier Millionen Muslime sind zum Teil fromm, zum Teil sind sie überhaupt nicht fromm, und zum Teil beanspruchen sie die Religionsfreiheit, zum Teil eben nicht, und damit müssen wir irgendwie uns auseinandersetzen und das als eine Selbstverständlichkeit betrachten; ich denke, dass das ein ganz, ganz wichtiges Signal ist."