Kommentar zu Merz-Kritik an Gaza-Krieg
Späte Einsichten in Deutschland

Bis vor wenigen Wochen waren kritische Stimmen zu Israels Kriegsführung selten. Umso bemerkenswerter sind nun die klaren Worte von Bundeskanzler Friedrich Merz. Damit könnte er zum Vorbild werden - für andere Politiker und Teile der Medienlandschaft.

Von Benjamin Hammer |
Friedrich Merz spricht bei einer Pressekonferenz in ein Mikrofon.
Bundeskanzler Friedrich Merz übte beim Nordischen Gipfel in Finnland deutliche Kritik an der Kriegsführung Israels. (IMAGO / Lehtikuva / IMAGO / Roni Rekomaa)
Der Publizist Daniel Gerlach sprach vor wenigen Tagen mit dem ZDF. Er habe den Eindruck, dass in Teilen der politischen Elite in Deutschland das Verhältnis zu Israel etwas Sektenhaftes bekommen habe, sagte der Nahost-Experte. Diese Menschen befänden sich in einem geschlossenen Weltbild und seien gar nicht mehr zugänglich für sachliche Argumente.
Eine heftige Wortwahl, aus der aber Verzweiflung spricht über die Haltung vieler deutscher Politikerinnen und Politiker.

Ex-Bundeskanzler Scholz gab Tonalität vor

Die dazugehörige Tonalität hatte Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz vorgegeben - wenige Wochen nach den Hamas-Terrorangriffen des 7. Oktobers 2023. Solidarität mit Israel nach dem schlimmsten Angriff seit der Staatsgründung: Darüber herrschte Konsens. Aber Scholz ging noch weiter, als er sagte, dass Israel ein Staat mit sehr humanitären Prinzipien sei. Er habe keine Zweifel, dass sich die Armee an die Regeln des Völkerrechts halte.
Dieses pauschale Urteil war schon damals fehlerhaft. Und es passte in den folgenden Monaten immer weniger zur Trümmerwüste, in die Gaza mit Israels Bomben verwandelt wurde, und zu den tausenden getöteten Kindern. Doch große Teile der Politik suchten ihr Heil weiter in einfachen Wahrheiten.
Etwa, dass die Hamas für alle Toten dieses Krieges verantwortlich sei. Dass Israel praktisch keine andere Wahl bleibe, als Zivilisten zu töten, weil sich die Hamas hinter ihnen verschanze.

Aufschrei Israels blieb aus

Besonders wenige kritische Stimmen waren bis vor wenigen Wochen aus der Union zu hören. Umso bemerkenswerter ist das, was CDU-Chef Friedrich Merz nun sagt. Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, sagte der Kanzler, lasse sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus begründen. 
Zuvor hatten es Minister von Israels Regierung, die Zerstörung und ethnische Säuberung propagieren, auch für deutsche Politiker praktisch unmöglich gemacht, sich Israels Kriegsführung noch schönzureden.
Ein Aufschrei auf israelischer Seite blieb nach den klaren Worten des Bundeskanzlers übrigens aus. Im Gegenteil. „Wir hören sehr gut zu“, sagte Israels Botschafter wörtlich.
So kann Merz zum Vorbild für Politikerinnen und Politiker werden, die aus Verunsicherung oder gar der Furcht, des Antisemitismus verdächtigt zu werden, bislang geschwiegen haben.
Die klaren Worte aus Deutschland könnten auch mit US-Präsident Donald Trump zusammenhängen. Dessen vermeintliche Wahrheiten sind noch einfacher und grobschlächtiger – nicht nur mit Blick auf den Nahen Osten. Von so viel Plumpheit kann sich Deutschland nun absetzen.
Nur spät kommen die Einsichten in der deutschen Politik und in Teilen der Medienlandschaft. Sehr spät.

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