"Das Problem ist nicht der Papst", sagt Matteo Salvini. "Die Kirche tut so viel Gutes. Das Problem ist aber, dass sie anscheinend nicht richtig unterscheiden kann zwischen illegalen Flüchtlingen und Flüchtlingen, die ein Recht auf Aufnahme bei uns haben. Ich finde es nicht gut, dass es da Leute gibt, die sich als moralische Instanzen auf Kosten anderer aufspielen".
Matteo Salvini liebt die Konfrontation, das bekommt auch die katholische Kirche zu spüren. Salvini ist Chef der Partei Lega und seit kurzem auch italienischer Innenminister und Vizeregierungschef. Als solcher hat er jetzt die Möglichkeit, die von ihm seit Jahren propagierten Parolen in Sachen Einwanderungsbegrenzung in die Tat umzusetzen: Weniger Einwanderer und raus mit jenen, die keine Aufenthaltsgenehmigung haben. Das ist sein erklärtes Ziel. Rund 60 Prozent aller Italiener, das bestätigen Umfragen, denken in Sachen Einwanderer wie er. Und so nimmt er es selbstbewusst auch mit der katholischen Kirche und ihrem Oberhaupt auf. Seit er Innenminister ist, hat sich sein Ton verschärft:
"Es ist doch heuchlerisch, wenn die Bischöfe behaupten: 'Nehmen wir doch alle auf und kümmern uns um sie', während Massen obdachloser Italiener in ihren Autos übernachten müssen."
Matteo Salvini will nicht nur mit einigen Tausend Soldaten die Küsten Süditaliens bewachen, damit Flüchtlingsboote nicht mehr die Küsten erreichen, sondern entschied auch, dass die Schiffe von ONG, die im Mittelmeer Flüchtlinge von Schlepperbooten retten, nicht mehr in italienischen Häfen anlegen dürfen.
"Auch ich komme aus einer Einwandererfamilie"
Eine solche Politik kollidiert frontal mit den Ideen von Papst Franziskus. Der bezieht, wie hier vor wenigen Wochen, inzwischen ebenso deutlich Stellung wie sein Gegenpart Matteo Salvini. Franziskus sagte: "Auch ich komme aus einer Einwandererfamilie. Mein Vater, meine Großeltern sind wie viele Italiener nach Argentinien ausgewandert. Sie erfuhren, was es bedeutet, nichts zu besitzen. Auch ich könnte heute einer dieser Verzweifelten sein, die versuchen zu uns zu gelangen".
Je schärfer der Ton der neuen Regierung zum Thema Einwanderung wird, um so entschiedener reagiert auch der Papst: "Eine Regierung muss dieses heikle Thema mit großer Vorsicht und Sensibilität angehen. Das bedeutet, dass es nicht darum geht, diese Menschen einfach nur aufzunehmen, sondern zu versuchen, sie zu integrieren. Ich weiß von gelungenen Integrationsversuchen hier in Italien".
Doch von Integration will die neue Regierung nichts wissen. Einwanderer aus Staaten, die, so Innenminister Salvini, "nur" unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten leiden, sollen nicht mehr nach Italien dürfen. Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung, die in der Regel in Italien seit Jahren geduldet werden, sollen aufgegriffen und unverzüglich ausgewiesen werden.
Einwanderer mit Aufenthaltsgenehmigungen, die straffällig werden, sollen von zu schaffenden Schnellgerichten schnell verurteilt und ebenfalls ausgewiesen werden. Das bisher existierende System von Auffanglagern will der Innenminister durch ein neues System gefängnisähnlicher Einrichtungen ersetzen.
Dass Geistliche in ihren Kirchen nicht anerkannte Flüchtlinge aufnehmen, ist für Innenminister Salvini der Beweis dafür, dass die katholische Kirche permanent italienisches Recht breche und dafür zur Verantwortung gezogen werden sollte.
Verständnis für "Italien-zuerst"-Politik
Der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz Nunzio Galantino ist ein enger Vertrauter des Papstes. Er warnt vor Fremdenfeindlichkeit:
"Wir alle sind sehr beunruhigt. Denn was wir hier in Sachen Einwanderer zu hören bekommen, ist erschreckend. Wenn unsere politischen Repräsentanten von Einwanderern sprechen, dann sprechen sie nicht über Menschen mit Problemen, sondern nur über ein einzugrenzendes Phänomen".
In einem offiziellen Dokument der Bischofskonferenz vom März dieses Jahres heißt es allerdings, dass Italien den Menschen, die nach Europa auswandern wollen, vor allem in deren Heimat helfen sollen - mit dem Ziel, das Auswandern zu verhindern. Immer mehr Bischöfe äußern offen Verständnis für Matteo Salvinis "Italien zuerst"-Politik.
Papst Franziskus findet in Sachen Einwanderung selbst bei seinen eigenen Geistlichen kein offenes Ohr. In den sozialen Netzwerken findet der ultrarechte Pater Giulio Maria Tam Zuspruch. Seine öffentlichen Auftritte, wie vor kurzem am römischen Stadtrand, sind gut besucht:
"Schaut euch doch unsere Städte an! Wir fühlen uns wie in Afrika! Diese Menschen, die mit unserer Kultur nichts zu tun haben, wollen uns vertreiben!"
Zunehmend denken Italiens Katholiken wie ihr Innenminister und nicht wie der Papst. Auch das beweisen Umfragen. Der Klerus rettet sich ins Unentschiedene.
Als Franziskus als Bischof von Rom Ende 2015 die Priester seiner Diözese dazu aufforderte, in ihren Pfarrhäusern jeweils eine Flüchtlingsfamilie aufzunehmen, wurde diese Bitte zwar mit viel Applaus bedacht. Doch bis heute ist dieser päpstlichen Aufforderung nur ein kleiner Teil der Geistlichen nachgekommen: keine fünf Prozent des römischen Klerus.