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Italien
Der Subito-Reformer

Der neue italienische Ministerpräsident Matteo Renzi predigt einen radikalen Wandel. Innerhalb von 100 Tagen will er Italien verändern. In dieser Woche nun lüftet der 39-Jährige nach und nach das Geheimnis um seine politischen Projekte. Nicht alle sind davon begeistert.

Von Kirstin Hausen | 13.03.2014
    Matteo Renzis Arbeitsmarktreform, frei nach amerikanischem Vorbild JobsAct getauft, ist seit Wochen das Thema in Italien. Gestern hat der Ministerrat letzte Details beschlossen, nun muss der Gesetzesentwurf das Parlament passieren. Erklärtes Ziel ist die Schaffung von Arbeitsplätzen und die bessere soziale Absicherung von Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen. Jeder, der seinen Job verliert, soll künftig in den Genuss von Sozialleistungen kommen. Das klingt nach klassisch linker Politik und müsste den Gewerkschaften, die in Renzis Partei ihren politischen Ansprechpartner sehen, eigentlich gefallen. Doch Gewerkschaftsführerin Susanna Camusso ist skeptisch:
    "Ein Teil des Landes hat einen hohen Preis für diese Krise zahlen müssen. Allen voran die Arbeiter und Rentner. Renzi muss daran denken, dass es diesen Menschen nicht um Ankündigungen geht, sondern um das, was am Ende dabei für sie heraus kommt."
    Susanna Camusso traut Matteo Renzi nicht. Zu großspurig kommen seine Versprechungen daher, zu arrogant wirkt sein Politikstil. Renzi ist kein Freund der typisch linken Diskussionskultur. Er will seine Reformen nicht zerreden, sondern durchbringen. Das entspricht dem Gebaren der politischen Rechten, Silvio Berlusconi lässt grüssen. Und genau mit dessen Hilfe hat Renzi im Parlament seinen ersten Sieg einfahren können.
    In der Abgeordnetenkammer stimmte eine Mehrheit für seine Wahlreform, deren Ziel stabilere Mehrheitsverhältnisse waren. Doch auf Druck von Silvio Berlusconi, der die Opposition anführt, ist die ursprüngliche Fassung wieder verwässert worden. Die Wähler der Demokratischen Partei sind enttäuscht.
    "Mich überzeugt das nicht, weil er nicht mit Berlusconi hätte verhandeln dürfen. Renzi hat Berlusconi wieder Macht und Einfluss gegeben, als er politisch bereits am Ende war."
    "Dieses Wahlgesetz ist kein innovativer Vorschlag, ich hätte mehr erwartet."
    Auf mehr Wohlwollen in der Bevölkerung stösst Renzis Vorschlag, die Steuern für niedrige Einkommensklassen zu senken und sein Versprechen, Italiens marode Schulgebäude zu sanieren. Da es jedoch für eine flächendeckende Sanierung an Geld fehlt, hat Matteo Renzi Italiens Bürgermeister gebeten, ihm in jeder italienischen Stadt eine reparaturbedürftige Schule zu nennen, um diese dann unbürokratisch und sofort zu sanieren. Sofort, subito. Das ist Renzis Schlagwort und seine Methode. Ergebnisse müssen sofort sichtbar sein. Kritiker werfen ihm blinden Aktionismus vor, Parteifreunde wie der Turiner Bürgermeister Piero Fassino meinen, besser so als gar nicht.
    "Das ist eine starke Mahnung an die Politik, ein Bruch mit der Langsamkeit, der Bürokratie. Wie viele Dinge wollen wir verbessern und dann passiert gar nichts, weil die Normen kompliziert sind, die Finanzierung nicht gesichert ist."
    Matteo Renzi will den Politikbetrieb entstauben, Entscheidungsprozesse effizienter machen und alte Zöpfe abschneiden. Auf seiner Liste überflüssiger Dinge steht auch die zweite Abgeordnetenkammer, der Senat. Da er keine Länderkammer sei wie in Deutschland, könne man ihn einsparen. Doch so einfach wird das nicht. Denn wenn es um die "Poltrone" geht, wörtlich übersetzt die "Sessel", womit aber Ämter und Posten gemeint sind, könnte sich auch in der eigenen Partei Widerstand formieren. Nicht wenige politische Beobachter fürchten, dass Renzi in den Kommissionen und Untergruppen des Parlamentes gebremst und zermürbt wird. Ezio Mauro, Chefredakteur der linksliberalen Tageszeitung "La Repubblica":
    "Renzi rechnet mit Boykott aus den eigenen Reihen. Und doch muss er seine Vorhaben vorantreiben. Die Senatsreform ist notwendig und wird von den Bürgern verlangt. Die Zahl unserer Abgeordneten ist zu hoch im Vergleich zu anderen parlamentarischen Demokratien."
    Bisher hat sich Matteo Renzi geschickt verhalten und ist Fallgruben seiner Gegner ausgewichen. Die nächsten Tage werden zeigen, wie viel Rückhalt er tatsächlich im Parlament hat.