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Italien
Rassistische Angriffe nehmen zu

In Italien häufen sich Angriffe auf Migranten. Schuld daran ist aus Sicht der Opposition die populistische Regierung aus der Fünfsternebewegung und der rechten Lega, die mit ihrem scharfen Ton gegen Ausländer Gewalt befördere. Die italienische Gesellschaft zeigt sich bei dem Thema gespalten.

Von Lisa Weiß |
    Menschen protestieren in Rom gegen Rassismus
    Migranten in Italien werden immer öfter angegriffen (picture-alliance / dpa / Elisa Bianchini)
    Amin Nours Italienisch hat einen leichten römischen Einschlag – kein Wunder, der Schauspieler und Regisseur ist am Stadtrand von Rom aufgewachsen. Der 31-Jährige kennt fast jeden Winkel von Italiens Hauptstadt, fühlt sich als ganz normaler Italiener. Doch das sehen nicht alle so. Denn Amin Nour ist schwarz – er ist als Vierjähriger zusammen mit seiner Mutter vor dem Bürgerkrieg aus Somalia geflüchtet.
    "Ich nehme den Rassismus wahr, ich bekomme ihn durch Blicke, durch Worte und durch die Haltung der Menschen mit. Es gibt hier Rassismus, man muss gewaltfrei Stellung beziehen."
    Angriffe nehmen zu
    Amin Nour versucht häufig, rassistische Kommentare mit Ironie zu kontern, den Angriffen so die Spitze zu nehmen. Doch er, der auch Präsident der Vereinigung Schwarzer Italiener ist, sagt: Die Angriffe werden immer mehr. Und oft genug bleibe es nicht nur bei Worten.
    Die Liste der Übergriffe, bei denen ein rassistischer Hintergrund eine Rolle gespielt haben könnte, ist lang: Erst vor kurzem haben 13-Jährige mit einer Schreckschusspistole auf einen Gambier geschossen und rassistische Parolen skandiert, ein Marokkaner ist gestorben, verfolgt von zwei Italienern. Ein Koch aus Mali ist in Neapel angeschossen worden, ein Roma-Baby in Rom. Auf Sizilien ist ein Senegalese verprügelt worden. Zwei junge Männer aus Mali wurden von Kugeln aus einem Luftgewehr getroffen. Und, ebenfalls in Neapel, trafen Schüsse einen Senegalesen – er ist von seinem Onkel gefunden worden:
    "Ich bin hingelaufen und habe ihn alleine auf dem Boden liegend gefunden. Ich habe die Polizei gerufen. Der Junge hat mich gebeten, hilf mir, bring mich ins Krankenhaus, er hat mir gesagt, er habe große Schmerzen."
    Innenminister hält Migranten für das Problem
    Fast täglich liest oder hört man in italienischen Medien von neuen Angriffen auf Migranten. Doch wann war es wirklich Rassismus, wann gab es andere Gründe für einen Angriff? Oft genug lässt sich das nicht sicher sagen. Und so ist für Innenminister Matteo Salvini, der der rechten Partei Lega angehört, klar: Die Vorwürfe, Italien versinke in einer Welle des Rassismus, seien nur Blödsinn, eine Erfindung der Linken. Die wirkliche Bedrohung seien kriminelle Migranten:
    "Wenn mehr als die Hälfte der Menschen, die gestern festgenommen oder angezeigt worden sind, Ausländer sind, bedeutet das nicht, dass Salvini hässlich und schlecht ist. Sondern dass eine Einwanderung, die außer Kontrolle geraten ist, Verbrecher und soziale Konflikte ins Land bringt."
    Große Teile der Opposition in Italien sind dagegen der Meinung: Die populistische Regierung aus der Fünfsternebewegung und der rechten Lega habe Rassismus in Italien salonfähig gemacht, mit dem scharfen Ton gegen Ausländer befördere sie die Welle der Gewalt. Maurizio Martina von der Mitte-Links-Partei Partito Democratico will daher eine große Demonstration gegen Rassismus organisieren – im September, wenn die Italiener aus dem Urlaub zurück sind.
    "Dieses Land hier läuft leider Gefahr, dass dieses Klima der Intoleranz, der Ausländerfeindlichkeit, des Rassismus sich immer weiter ausbreitet. Wir dürfen das nicht banalisieren. Wer das verneint, macht sich zum Mittäter. Wir wollen kein Italien, das sich in Hass, in Rache, in Intoleranz abschottet."
    Gesellschaft tief gespalten
    Immer wieder wird in diesen Tagen deutlich: Italiens Gesellschaft ist bei diesem Thema tief gespalten. Dazu dürfte auch beitragen, dass Italien sich von der EU mit den Migranten, die übers Mittelmeer kommen, allein gelassen fühlt, dass das Land seine eigene faschistische Vergangenheit nie wirklich umfassend aufgearbeitet hat. Und, so sagt auch Amin Nour, der schwarze Italiener: Er habe das Gefühl, viele Menschen seien nicht direkt rassistisch, sondern eher ignorant. Für ihn ist klar: Er will sich weiter engagieren, gegen Rassismus ankämpfen. Egal, welche Parteien Italien gerade regieren.
    "Ich habe momentan einerseits Angst, aber andererseits will ich demonstrieren. Auch, weil ich nicht weglaufen will. Ich bin schon einmal geflüchtet."