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Italien und die Neue Seidenstraße
"China versucht, die EU zu spalten"

EU-Gründungsmitglied Italien stellt sich hinter Chinas Pläne zur Neuen Seidenstraße. Damit gerate Italien in Gefahr, sich abhängig zu machen, sagte Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament, im Dlf. Die EU müsse aufpassen, dass die Wertschöpfung in der Industrie in Europa bleibe.

Bernd Lange im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
Die Präsidenten von China und Italien, Xi Jinping (li.) und Sergio Mattarella
Bei aller Kritik an China sei die Isolierung des Landes "der falsche Weg", sagte der EU-Politiker Bernd Lange (SPD) im Dlf. Im Bild: Die Präsidenten von China und Italien, Xi Jinping (li.) und Sergio Mattarella (Imago/Francesco Ammendola)
Jörg Münchenberg: Mit großem Pomp ist der chinesische Staatspräsident Xi Jinping in Rom empfangen worden. Drei Tage wird er sich in Italien aufhalten, und heute wollen beide Seiten eine Absichtserklärung unterzeichnen, in dem sich das EU-Gründungsmitglied Italien auch formell hinter die geostrategischen Pläne Chinas zur Seidenstraße stellen wird, während gleichzeitig die EU ihre Chinastrategie auf eine neue Basis stellen will. Verkürzt könnte man das so auf den Nenner bringen: Weg vom Partner, hin zum Rivalen.
Am Telefon ist nun der Vorsitzende des einflussreichen Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange, SPD. Herr Lange, einen schönen guten Morgen!
Bernd Lange: Herr Münchenberg!
Münchenberg: Italien unterstützt da ganz offiziell das Seidenstraßenprojekt, von dem ja nicht zuletzt die USA eindringlich warnen. Hat Italien das Risiko oder die Risiken dieses Deals nicht verstanden?
Lange: Italien hat das Interesse, dass Investitionen nach Italien kommen, und das ist, glaube ich, legitim, und da muss man auch, wenn man über China diskutiert, auch mitdenken, ob man nicht auch andere Möglichkeiten hat, um Investitionen zu tätigen. Zum Zweiten würde ich die Bewertung von China nicht so sehr von den USA abhängig machen. Die haben natürlich auch ein strategisches Interesse. Und zum Dritten, die Verpflichtungen, die da formuliert sind, sind sehr, sehr vage. Wir haben ja auch zum Beispiel … Neuseeland hat auch so eine Absichtserklärung. Das sind eher wolkige Verpflichtungen, dass man zusammenarbeiten will, im Transporthandel, auch in Landwirtschaft, Wissenstransfer, Synergien, der Geist der Seidenstraße – alles sehr vage Formulierungen. Hintergrund ist: Italien möchte mehr Investitionen bekommen und mehr Zugang zum chinesischen Markt. Ob das jetzt isoliert als Italien der richtige Weg ist, sei mal dahingestellt, aber ich glaube, es ist nicht so ein großer Bruch der europäischen Politik.
EU-Politiker Bernd Lange (SPD) sitzt vor einer EU-Flagge
Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments (imago / Agencia EFE)
Münchenberg: Auf der anderen Seite zum Beispiel Frankreich oder Großbritannien wollen das nicht unterzeichnen, und Kritiker sagen ja auch, diese Seidenstraße sei letztlich ein modernes Instrument der Hegemonie. Haben die Kritiker unrecht?
Lange: Nein, sie haben strategisches, ökonomisches, aber auch geopolitisches Interesse, die Chinesen. Solange der Investitionsfond funktioniert – und da sind ja auch einige Länder außerhalb Europas drauf eingestiegen –, ist das für die eine Chance, Investitionen zu tätigen. Einige haben sich auch inzwischen – weil das ist ja kein Geschenk, was die Chinesen geben – sogar etwas überschuldet deswegen, weil die Kernkonditionen auch nicht besonders gut sind. Nein, das ist ein spezifisches Interesse, deswegen müssen wir genau gucken. Also ich meine, Italien, da sind die Chinesen ja auch schon da. Der Gasversorger ist mit chinesischer Beteiligung, Pirelli ist mit chinesischer Beteiligung, Hafenwirtschaft, und jüngst Inter Mailand ist jetzt ein chinesischer Fußballclub. Also von daher muss man gucken, wie die Interessen gelagert sind und wie man sich positioniert. Wir haben gerade einen Investitionsüberwachungsmechanismus in der Europäischen Union etabliert, um zu gucken, wie geht das in den strategischen Sektoren, muss man da stärker einen Riegel vorschieben, und zum Zweiten, glaube ich, muss man auch mehr offensiv eine eigene Wirtschafts- und Industriepolitik folgen, Investitionen, Technologie, sodass der Wettbewerb nicht nur besteht, indem man sich abschottet, sondern viel mehr offensiv neue Innovationen nach vorne bringt.
"Gefahr, dass Länder sich auch abhängig machen"
Münchenberg: Herr Lange, ich will trotzdem noch mal ein Beispiel nennen: Griechenland ist ja auch Mitglied dieser Partnerschaft, und 2015 hat ja die EU eine doch kritische Wortmeldung in Sachen Menschenrechtsverletzungen zu China veröffentlichen wollen. Das ist dann auf Druck – so heißt es zumindest hinter den Kulissen – von Peking, gespielt über Griechenland, dann doch nicht passiert. Ist denn so eine Vorgehensweise da nicht auch öfters zu befürchten?
Lange: Ja, und das ist eben die Gefahr, dass Länder sich dann auch abhängig machen. Es gibt ja auch eine chinesische Eisenbahnschnellstraße zwischen Belgrad und Budapest und chinesische Energieinvestitionen in Ungarn, und auch Ungarn positioniert sich manchmal eher im Interesse von China als im Interesse der Europäischen Union. Also das darf eben überhaupt nicht passieren, deswegen geht es darum, die gemeinsame europäische Strategie besser zu formulieren.
Wertschöpfung muss in der Industrie in Europa bleiben
Münchenberg: Aber was ist da gemeinsam noch, wenn … Es sind ja auch 16 osteuropäische Länder bei dieser Partnerschaft mit dabei, jetzt noch Italien, hat ein anderes Schwergewicht, ist ja schließlich EU-Gründungsmitglied. Also was ist denn von dieser gemeinsamen Strategie noch übrig, wenn viele Länder da ausbrechen und sagen, wir stellen uns eigentlich auf die Seite Chinas?
Lange: Das würde ich nicht so scharf formulieren, auf die Seite Chinas zu stellen. Wie gesagt, es gibt bestimmte ökonomische Interessen. Ich meine, ich glaube, Italien hat nur einen Zehntel des Exportes nach China wie Deutschland. Von daher muss man auch sagen, große Automobilkonzerne verkaufen mehr als die Hälfte … deutsche Automobilkonzerne verkaufen mehr als die Hälfte der Autos in China. Also da gibt es auch erhebliche ökonomische Interessen. Wir müssen jetzt mal wirklich definieren: Gucken wir, wo investiert China, unter welchen Bedingungen wird investiert, welche Absichten sind damit verbunden, können wir Alternativen formulieren, welche industriepolitische Strategie hat China. Elektromobilität zum Beispiel, können wir Batterien selbst produzieren, können wir Innovationen nehmen. Es geht um die Frage, wer investiert wo, und da möchte ich in der Tat, dass wir gemeinsam in der Europäischen Union hier dafür sorgen, dass Wertschöpfung in der Industrie in Europa, in europäischer Hand bleibt.
Lange: Chinas Interventionspolitik lehnen wir ab
Münchenberg: Diese neue Strategie ist ja noch nicht sozusagen beschlossen. Besagt sie aber letztlich auch aus europäischer Sicht, wir gehen eigentlich oder müssen jetzt auch mehr einen konfrontativen Kurs gegenüber China fahren?
Lange: Ich glaube, wir müssen offen und klar sein, und das ist manchmal gegenüber China vergessen worden, weil es ökonomische Interessen gab. Genauso wie wir Trumps Protektionismus ablehnen, lehnen wir Chinas Interventionspolitik und ungleiche Behandlung ab, und auch die Frage von Arbeitnehmerrechten, Umweltstandards und Menschenrechte thematisieren wir, offen und klar, aber wir wollen natürlich auch mit China im Rahmen der Welthandelsorganisation versuchen, dieses System weiter zu nutzen, um faire Regeln zu etablieren. Das heißt, eine Isolierung von China, würde ich auch sagen, ist der falsche Weg.
Münchenberg: Aber im Umkehrschluss, war die EU gegenüber China in der Vergangenheit nicht viel zu naiv? Man hat ja immer gedacht, man könnte zum Beispiel das Modell einer freien Marktwirtschaft dann nach China exportieren.
Lange: Naiv würde ich wahrscheinlich auch nicht so scharf sagen, aber nicht unbedingt geeint und vielleicht nicht klar genug. Zum Beispiel die Frage Zugang zum Beschaffungsmarkt, gibt es eine völlige Ungleichgewichtigkeit, und das kann man nicht ewig dulden, oder die Frage des Umgangs mit geistigem Eigentum, oder die Frage der Investitionsbedingungen und das Offenlegen von Geschäftsgeheimnissen von Unternehmen. Das alles darf es nicht geben, und das müssen wir entweder jetzt bilateral – EU, China – angehen oder die Regeln der Welthandelsorganisation verschärfen. Und letztendlich, das muss man auch sagen, ist China ja einige Male verurteilt worden, und dann setzt China das auch um, aber das Instrument muss man, glaube ich, häufiger und klarer nutzen als in der Vergangenheit.
"China versucht, die EU zu spalten"
Münchenberg: Aber noch mal: Haben es die Chinesen oder hat China nicht letztlich ein ziemlich einfaches Spiel, die Europäer auseinanderdividieren zu können, einfach weil die Interessen so unterschiedlich sind, eben Stichwort Italien, Stichwort Osteuropäer, Stichwort aber auch Deutschland, wichtiges großes Exportland, das natürlich ganz andere Interessen hat?
Lange: Ja, das wird versucht, und ich meine, das ist ja das Spiel der Kräfte. China versucht, die EU zu spalten, Russland versucht das, die USA versuchen das auch, und da kann eigentlich die Antwort nur sein, wir müssen gemeinsam ran und die ökonomischen Herausforderungen anpacken. Wie gesagt, wir müssen mehr Investitionen generieren – das ist halt so –, gerade in den südlichen Staaten, und wir müssen unsere Industrie zukunftsfit machen, und das können wir nur gemeinsam.
Münchenberg: Sagt Bernd Lange, SPD und Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament. Herr Lange, vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen!
Lange: Gerne! Alles Gute!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.