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Italien
Wie es nach dem Referendum weitergeht

Der Reformer Renzi ist mit dem Verfassungsreferendum in Italien gescheitert. Jetzt bringen sich die übrigen Parteien in Stellung - mit Forderungen und mit Drohungen.

Von Jan-Christoph Kitzler | 05.12.2016
    Renzi steht an einem Mikrofon vor einem grünen Plakat mit einer riesigen "Si"-Aufschrift und deutet mit dem Finger nach oben.
    Bisher ist die politische Zukunft Italiens noch ziemlich offen (DPA / ANSA / PALAZZO CHIGI PRESS OFFICE)
    "Viva l’Italia, in Bocca al Lupo a tutti noi!"
    "Es lebe Italien – und viel Glück uns allen!" Mit diesen Worten hatte Matteo Renzi die Italiener gestern Abend noch in die Nacht entlassen. Nachdem seine Verfassungsreform mehr als deutlich abgelehnt worden war. Fast 60 Prozent der Wahlberechtigten hatten für "Nein" gestimmt. Viele von ihnen fanden die Verfassungsreform falsch, viele wollten aber auch Matteo Renzi und seine Regierung abwählen. Das ist gelungen:
    "Ich wollte die zu vielen Posten der italienischen Politik streichen: im Senat, die Provinzen und den Nationalen Rat für Wirtschaft und Arbeit. Ich habe es nicht geschafft, also muss ich meinen Posten aufgeben. Ich werde das Kabinett einberufen, meinen Kollegen für dieses Abenteuer danken, eine einige, starke Mannschaft, und ich werde beim Staatspräsidenten auf dem Quirinal meinen Rücktritt einreichen."
    Alles noch ziemlich offen
    Was danach passiert ist noch ziemlich offen. Sergio Mattarella wird voraussichtlich schon in den nächsten Tagen mit den im Parlament vertretenen Parteien beraten, ob es einen anderen Regierungschef geben könnte, dem das Parlament das Vertrauen ausspricht. Mattarella muss sich auf Ablehnung einstellen, derer, die viel Wind gegen die Reform gemacht haben, die die Wahl zu einer Abstimmung "Renzi Si oder No" gemacht haben. Wie Matteo Salvini von der rechtspopulistischen und fremdenfeindlichen Lega Nord:
    "Uns befremdet das Ratespiel 'Wer wird Premier?' in diesen Stunden. Ganz schlechter Geschmack. Das heißt, dass einem völlig egal ist, was die Italiener gestern ausgedrückt haben: den Willen mitzumachen, so schnell wie möglich zu wählen. Wir werden uns nie diesem Casting anschließen: Padoan, Del Rio, Franceschini, Grasso. Wenn uns Präsident Mattarella einberuft bekräftigen wir: Wahlen, sofort. So schnell wie möglich."
    Auch von der Fünf-Sterne Bewegung ist nichts anderes zu erwarten als Fundamentalopposition. Auch dort ist man für sofortige Neuwahlen, jetzt wo die Bewegung viele für das "Nein" motiviert hat und auf der Welle schwimmt.
    Fünf Sterne lehnt Zusammenarbeit ab
    Eigentlich müsste das Parlament noch den Haushalt beschließen und ein neues Wahlrecht. Aber Alessandro Di Battista, der in den letzten Wochen im ganzen Land für das "No" unterwegs, war lehnt eine Zusammenarbeit ab:
    "Wir sind überzeugt, dass dieses Parlament, diese Parteien nur im Sinn haben, ein Wahlrecht gegen die Fünf Sterne zu machen. Punkt. Wir haben sie kennengelernt. Es ist eine Tatsache: sie haben alles getan, um den Wandel zu behindern. Mit diesen Subjekten, diesen Parteien können wir uns nicht an einen Tisch setzen, Nein. Wir haben nicht zwei Jahre lang ein Wahlgesetz gemacht, um es jetzt gegen die Fünf Sterne zu verändern. Wir sind nicht wie die Parteien, die das italienische Volk über eine Verfassungsreform eines Rechts berauben wollen."
    Für manchen Wähler war das ein böses Erwachen
    So lässt sich vermutlich kein Staat machen. Die Frage ist, ob die übrigen Parteien im italienischen Parlament einen neuen Regierungschef oder zum Beispiel eine Technokratenregierung unterstützen und sich einigen. Pierluca aus Rom ist der Meinung, es geht trotzdem alles seinen geordneten Gang:
    "Jetzt tritt der Ministerpräsident zurück, der dieses Referendum personalisiert hat. Das war auch eine Abstimmung über seine Person. Ob er das nun zugibt oder nicht. Das war die Richtung. Es wird eine Übergangsregierung geben, wie es bei uns öfter vorkommt. Und dann gibt es Wahlen."
    Doch für manchen Wähler war das heute Morgen ein böses Erwachen. Viele treibt die Sorge um vor politischem Chaos und den wirtschaftlichen Folgen - und davor, dass in Italien jetzt wieder über Jahre nur wenig vorangeht. So sieht es die 67-jährige Maura:
    "Es tut mir leid, ich bin verbittert. Ich glaube, dass Renzi seinem Land gut gedient hat. Mich hat ein Kommentar aus Brüssel getroffen, nachdem sie in Österreich mit dem Kopf gewählt haben, und in Italien mit dem Bauch. Das hat mich sehr getroffen. Ich glaube, dass das wahr ist."
    So bleiben nach dem Referendum viele Fragezeichen. Italien muss sich auf weniger stabile Verhältnisse einstellen. Die Frage ist, ob sich das Land die leisten kann?