Archiv


Italienische Abgeordnete kritisiert "Lehrmeister" Deutschland

"Zurzeit gibt es in Italien viel Kritik an der Haltung von Frau Merkel," sagt Laura Garavini von der italienischen Demokratischen Partei. Deutschland profitiere am meisten vom Euro und sollte schuldenabbauende Länder nicht wie kleine Kinder behandeln.

Das Gespräch führte Gerd Breker |
    Peter Kapern: Er habe, so hieß es in der vergangenen Woche nach dem EU-Gipfel, Kanzlerin Merkel eine Falle gestellt und sie über den Tisch gezogen – Mario Monti, der Ministerpräsident Italiens. Gestern saßen sich die beiden wieder gegenüber, Angela Merkel und Mario Monti bei den deutsch-italienischen Regierungskonsultationen in Rom.
    Wie ist es denn nun bestellt um den Reformer Mario Monti? Darüber hat mein Kollege Gerd Breker gestern Abend mit Laura Garavini gesprochen. Sie ist Abgeordnete der Demokratischen Partei im italienischen Parlament. Zunächst hat er sie gefragt, ob Mario Montis Vorhaben, das explodierte Staatsdefizit Italiens noch in diesem Jahr auf zwei Prozent zu senken, mehr ist als nur ein frommer Wunsch.

    Laura Garavini: Ja, Italien wird es schaffen. Gestern hat die Regierung ein neues Sparprogramm im Rahmen der sogenannten "standing review" vorgelegt. Darin ist vorgesehen, beispielsweise, dass die Gehälter im öffentlichen Dienst für zwei Jahre eingefroren werden, dass zehn Prozent der Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen werden, dass 20 Prozent der Stellen der Führungskräfte gestrichen werden und dass die Zahl der Provinzen um fast die Hälfte reduziert wird. Das wird langfristig Einsparungen von 36 Milliarden Euro bringen. Also Italien hat schon in den letzten sechs Monaten, aber auch mit diesen neuen Sparmaßnahmen, die vorgesehen sind, seine Hausaufgaben wirklich gemacht.

    Gerd Breker: Für Italien wird es immer schwieriger, auf den Kapitalmärkten sich mit frischem Geld zu versorgen, beziehungsweise es wird immer teurer. Wie kann man diesem Trend entgegenwirken?

    Garavini: Italien, kann ich aber versichern, wird keine Hilfe brauchen, wird keine Unterstützung von Europa verlangen. Unsere Lage ist Gott sei Dank ganz anders als die von Griechenland, Irland oder Portugal. In diesem Jahr wird Italien auch ein Defizit von nur zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts haben, das heißt die Hälfte, was EU-Medien anbelangt. Und für nächstes Jahr wird Italien sogar einen Überschuss haben. Und auch, was die Schulden anbelangt, das darf man nicht vergessen: Das ist exakt genau die Quote, die Italien hatte, das heißt Schuldenquote von 120 Prozent, genau die gleiche, die Italien hatte, als es Ende der 90er-Jahre in den Euro aufgenommen wurde. Das heißt, die Finanzlage Italiens ist wesentlich besser, als die Märkte tun. Bis vor sechs Monaten hatten wir das Problem der fehlenden Glaubwürdigkeit der Regierung Berlusconi. Jetzt hat Italien mit Monti eine Regierung, die glaubwürdig ist.

    Breker: Auf dem letzten Gipfel hat unter anderem Mario Monti erreicht, dass der Rettungsschirm, der ständige Rettungsschirm, den es bald geben soll, dass der auch Staatsanleihen kaufen kann. Warum ist das für Italien so wichtig?

    Garavini: Es ist wichtig, aber Italien hat nicht vor, das für sich selber eigentlich in Anspruch zu nehmen. Wir wünschen uns, dass die EU-Gelder gezielt für Wachstumsmaßnahmen in Südeuropa insbesondere ausgegeben werden, damit ein Teil der Schulden in den Krisenländern gemeinsam abgebaut wird. Wir möchten einen Vertrauensvorschuss, dass wir die notwendigen Strukturreformen in den nächsten Jahren hinbekommen, die einen ausgeglichenen Haushalt möglich machen. Und wir wollen vor allem, dass endlich in Europa eine konsequente Politik gegen Spekulanten gemacht wird, die mit dem Schicksal von Millionen von Menschen spielen. In diesem Sinn ist die Tobin-Tax (Finanztransaktionssteuer bei internationalen Devisengeschäften), die eingeführt werden soll, ein ganz wichtiger Schritt und der soll auch schnell kommen.

    Breker: Frau Garavini, wie wird in Italien die Art und Weise, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel versucht, die Euro-Krise zu bewältigen, wie wird das gesehen, wie wird das bewertet?

    Garavini: Zurzeit gibt es in Italien viel Kritik an der Haltung von Frau Merkel und überhaupt an der Haltung von Deutschland, weil, es besteht der Eindruck, dass Deutschland ein bisschen den Lehrmeister für die Länder im Süden spielen will, und das macht Deutschland natürlich dann sehr unbeliebt. Ich denke, man müsste wesentlich deutlicher machen, dass Deutschland vom Euro am meisten profitiert, wie kein anderes Land in Europa, und dass man Länder, die mit hohem Einsatz ihre Schulden abbauen und Wachstum schaffen wollen, wie beispielsweise Italien, nicht wie kleine Kinder behandeln darf, denn wenn man das macht, wenn man den Eindruck gibt, Länder werden wie ein kleines Kind behandelt und eigentlich für seine Fehler bestraft, das nutzt nur den Populisten von rechts, und es gibt eine ganze Menge, nicht nur in Italien, sondern in Europa.

    Kapern: Mein Kollege Gerd Breker im Gespräch mit Laura Garavini, der italienischen Parlamentsabgeordneten von der Demokratischen Partei.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.