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Jahresrückblick 2014
Ein einschneidendes Jahr für die NATO

Für das Militärbündnis NATO ist 2014 das Jahr der "Aggression, Krisen und Konflikte", bilanziert Generalsekretär Jens Stoltenberg. Einen großen Anteil daran hatte Russland. Die Mitglieder können aber auch auf Positives zurückblicken.

Von Annette Riedel | 30.12.2014
    Die Versammlung der Außenminister der Nato in Brüssel.
    Die Versammlung der Außenminister der NATO in Brüssel - es gab viel zu tun in diesem Jahr. (imago/Xinhua)
    Das Ende des Jahres 2014 markiert für die NATO das Ende ihres bis dato längsten militärischen Engagements.
    "Mit dem Abschluss unserer ISAF-Mission in Afghanistan treten wir in eine neue Ära ein, in der wir helfen wollen, die politischen Institutionen in die Lage zu versetzen, mehr Verantwortung zu übernehmen."
    Zu diesem von Bundesaußenminister Steinmeier beschriebenen Zwecke verbleiben 2015 zwar noch rund 12.000 NATO-Soldaten, darunter bis zu 850 Deutsche, in Afghanistan. Aber ihr Mandat und damit ihre Aufgaben ändern sich. Sie sollen für eine gewisse Zeit die afghanischen Sicherheitskräfte unterstützen, damit diese tendenziell vollständig ohne Hilfe aus dem Ausland auskommen. Dafür gibt es zunächst erst einmal mindestens ein Jahr lang "Resolute Support" der verbleibenden NATO-Truppen, "Entschiedene Unterstützung" - so der Name der Mission: Eine auf nicht militärische Aufgaben angelegte Mission, die beraten, assistieren, ausbilden soll.
    US-Außenminister Kerry: "Das ist ein besonderer Moment. Nach 13 Jahre endet das militärische NATO-Engagement. Mit der neuen Mission 'Resolute Support' beginnt eine neue Phase der NATO-Unterstützung für afghanische Sicherheitskräfte."
    Eine, von der man lange Zeit nicht sicher sein konnte, ob Kabul die notwendigen formalen Weichen zu stellen rechtzeitig in der Lage sein würde. Aber die innenpolitischen Querelen und Rivalitäten nach den Präsidentschaftswahlen sind vor Kurzem soweit bereinigt worden, dass der neue afghanische Präsident Ghani beim letzten NATO-Außenministertreffen in Brüssel sagen konnte:
    "Durch Verluste und Opfer miteinander verbunden, beginnt für die NATO und Afghanistan in eine neue Phase ihrer Partnerschaft. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind bereit, ihre patriotische Pflicht anzunehmen, ihr Land zu verteidigen und die Fortschritte der letzten Jahre."
    "2014 war ein Jahr der Aggression, Krisen und Konflikte"
    Wie nicht nur Willens, sondern auch in der Lage die afghanischen Sicherheitskräfte tatsächlich sind, daran mag es berechtigte Zweifel geben. Für die NATO hatte Afghanistan 2014 nicht mehr den Stellenwert, den es jahrelang hatte - vor allem durch die Ukraine-Krise und das gespannte Verhältnis zu Russland in der Folge.
    "2014 war ein Jahr der Aggression, Krisen und Konflikte. Aber die NATO steht bereit in Stärke",
    behauptet der Neue an der Spitze der NATO, Jens Stoltenberg. 2014 markierte auch den Wechsel an der Spitze des Bündnisses: Der Däne Rasmussen übergab den Stab als NATO-Generalsekretär an den Norweger Stoltenberg. Daran, dass die NATO tatsächlich bereit steht in Stärke, wie er sagt, auch daran darf gezweifelt werden, zweifelt das Bündnis letztlich selbst und hat in diesem Jahr mit erheblichen Veränderungen begonnen. Ihre ad hoc in den osteuropäischen NATO-Mitgliedsländern wegen der Ukraine-Russland-Krise verstärkte Präsenz will die NATO insgesamt dauerhaft ausbauen. Und sie will neue Strukturen schaffen, beispielsweise mit einer Art "Superschneller Eingreiftruppe", auch "Speerspitze" genannt. Mit ihr sollen Krisenreaktions- und Einsatzfähigkeit von aktuell bis zu drei Monaten auf unter eine Woche verkürzt werden. Ex-NATO-General Rasmussen sagte es so:
    "Mit unseren Plänen reagieren wir auf Russlands aggressives Verhalten. Aber sie befähigen das Bündnis, auf alle Sicherheitsbedrohungen zu reagieren - wo immer sie auftauchen."
    Europa und die USA rücken zusammen
    Das Verhältnis zwischen Russland und der NATO war seit dem Kalten Krieg nicht mehr kälter. Der Vorwurf des Westens: Russland habe aggressiv die Souveränität der Ukraine verletzt, verletze sie weiter, halte sich nicht an internationale Verträge. Die NATO unterstützt die Ukraine, aber nicht militärisch, sondern finanziell und mit Beratern. Eine NATO-Mitgliedschaft steht im Moment für beide Seiten nicht zur Debatte.
    "Zu allererst geht es um Artikel 5 - die Verpflichtungen aus dem Prinzip der kollektiven Selbstverteidigung."
    Dieser Artikel 5, von dem der amerikanische Präsident Obama spricht, heißt vereinfacht: 28 für Einen im Falle eines militärisches Angriffs auf ein NATO-Mitgliedsland. Dass das nach dem Ende des Kalten Krieges im Bündnis, namentlich für die osteuropäischen Mitglieder, wieder eine ganz reale Bedeutung gewinnen könnte - das hätte wohl kaum einer vor der Zuspitzung der Ukraine-Krise in diesem Jahr gedacht. Und vielleicht auch nicht unbedingt, dass ein amerikanischer Präsident noch oder wieder von den Europäern als dem Eckpfeiler des internationalen US-Engagements sprechen würde.
    "Europäer und die NATO sind unsere engsten Partner auf der Weltbühne."
    Das als Bedrohung der europäischen Sicherheitsarchitektur empfundene Verhalten Russlands ließ die USA und Europa wieder zusammenrücken und dämpfte Fragen an Sinn und Unsinn der NATO 2014 zumindest vorübergehend.