Sonntag, 28. April 2024

Archiv

Jane-Goodall-Archiv
Der Schatz der Schimpansenforscherin

Fast 60 Jahre lang beschäftigte sich die Engländerin Jane Goodall mit der Lebensweise von Schimpansen. Dass wir diese Primaten besser verstehen und schützen, ist vor allem ihr zu verdanken. Von dem umfassenden Datenschatz der Verhaltensforscherin profitiert die Forschung noch heute.

Von Joachim Budde | 11.10.2017
    Konterfei von Jane Goodall und einem Schimpansen
    Von ihren Arbeiten über Schimpansen profitieren ganze Nachfolgenerationen an Verhaltensforschern: die 83-jährige Britin Jane Goodall (dpa/ Dai Kurokawa)
    Wenn Anne Pusey den kleinen klimatisierten Lagerraum ganz hinten in ihrem Institut an der Duke University in Durham im US-Bundesstaat North Carolina aufschließt, beginnt die reservierte, fast kühle gebürtige Engländerin zu strahlen. In den grauen schulterhohen Stahlschränken entlang der Wände lagert ein Schatz für Schimpansenforscher.
    "In diesem Raum befinden sich alle Daten, die Jane Goodall während ihrer Langzeitstudie in Gombe seit 1960 gesammelt hat. Wir haben hier all ihre Aufzeichnungen, die Aufzeichnungen ihrer Assistenten und Studenten und dazu Film- und Fotomaterial."
    Alles begann am Gombe-Fluss in Tansania
    Die britische Verhaltensforscherin Jane Goodall begann 1960, am Gombe-Fluss in Tansania Schimpansen zu beobachten. Ihre Beobachtungen verarbeitete sie in ihren Büchern und Filmen für ein breites Publikum und hat so viel dazu beigetragen, diese Primaten besser zu schützen. Inzwischen widmet sich Jane Goodall ausschließlich dieser Arbeit. Die Forschung in Tansania aber geht ununterbrochen weiter.
    "Seit 1960 haben Forscher diese Schimpansenpopulation durchgehend beobachtet. Obwohl alle Tiere, die Jane Goodall am Anfang kannte, inzwischen tot sind – ihre Nachkommen leben dort und wir wissen viel über Familienverhältnisse und ihr Verhalten. Es ist, als beobachte man ein Dorf über viele Jahre."
    Anne Pusey hat zu Beginn ihrer Karriere selbst ein paar Jahre in Gombe gearbeitet. Der Kontakt zu Jane Goodall bliebt auch danach noch eng. Immer wieder besuchte sie ihre Mentorin in deren Haus in Kenia. So auch Anfang der 90er Jahre, als sie entdeckte, dass den Unterlagen die Zerstörung drohte.
    Fast wäre der Datenbestand verloren gegangen
    "Jane bewahrte die Unterlagen in einem offenen Regal auf. Ich zog einen Stapel Papiere heraus, und ein Nagetier sprang über meine Schulter. Sie hatten direkt hinter den Akten ein sehr hübsches Nest gebaut aus Papierstreifen, die sie von den Unterlagen gerissen hatten. Außerdem hatten Insekten Löcher in die Stapel gebohrt. Wir entschieden, es sei Zeit, die Unterlagen an einen sicheren Ort zu bringen."
    Dieser sichere Ort ist jetzt an der Duke University. "Ein solcher Datenbestand ist eine Goldgrube für Wissenschaftler. Denn Schimpansen zu erforschen, erfordere Zeit und Geduld", sagt Anne Pusey.
    "Schimpansen leben lange, darum dauert es lange, ihre Lebensweise zu verstehen. Die Studie läuft seit 56 Jahren, und noch immer wissen wir kaum, welche Lebenserwartung Schimpansen überhaupt haben. Als Jane Goodall begann, kannte sie das Alter der Tiere, die sie antraf, nicht. Und viele der danach geborenen sind vorzeitig verstorben. Es gibt also noch viel zu lernen."
    Vaterschaft nicht immer deutlich nachweisbar
    Eine Forscherin, die die Gelegenheit dazu genutzt hat, ist Dr. Kara Walker. Die Anthropologin hat die Abstammungsverhältnisse der Schimpansen im Gombe-Nationalpark untersucht. Dabei stützt sie sich auf Daten aus der Langzeitstudie.
    "Auf der mütterlichen Seite wissen wir aus den Beobachtungen sehr gut, welche Weibchen welche Jungtiere zur Welt gebracht haben. Bei der Vaterschaft ist das knifflig, weil sich bei den Schimpansen jede mit jedem paart."
    Deshalb wäre zu erwarten, dass Inzucht relativ häufig ist. Um das zu überprüfen, hat Kara Walker Kotproben gesammelt, daraus genetische Fingerabdrücke erstellt und ermittelt, wie wer mit wem verwandt ist. Das Ergebnis überraschte sie.
    "Die Daten zeigen: Die Schimpansenweibchen vermeiden nicht nur Inzucht, sie suchen sich sogar die Väter für den Nachwuchs aus, die so entfernt wie möglich mit ihnen verwandt sind."
    Tiefe Einblicke dank des Goodall-Archivs
    Seit 20 Jahren schon profitierten Forscher wie Kara Walker, aber auch Doktoranden oder Masterstudenten vom Jane-Goodall-Archiv, sagt Professorin Anne Pusey.
    "Selbst wenn eine Studentin oder ein Student ein Jahr in Gombe verbringt, schaffen sie es kaum, genügend Daten zu sammeln. Dieses Archiv ermöglicht ihnen so viel tiefere Einblicke und die Chance, Abschlussarbeiten zu schreiben, die wirklich etwas aussagen über das Verhalten der Tiere."
    Dabei profitieren Anne Pusey und ihr Team davon, dass die Daten inzwischen zum großen Teil digital vorliegen. Für die Zeit seit 1970 ist so gut wie alles eingepflegt. Und die Datenbank wächst ständig weiter. Es bleibt also genug zu tun.