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Jaspers und Adorno für den Osten

Der RIAS saß zwar im Westen Berlins, doch er war auch Instrument des Kalten Krieges und sendete gezielt in die sowjetisch besetze Zone, die spätere DDR. Das galt auch für den Hochschulfunk. Einer gleichgeschalteten Hochschullandschaft wollte man die Forschungsergebnisse von Wissenschafltern aus der ganzen Welt entgegensetzen.

Von Andrea Lueg |
    Vom Sendestart Ende der 40er Jahre an gab es im RIAS eine Plattform für Studierende und deren Interessen und Nöte, auch für diejenigen, die aus der sowjetischen Besatzungszone flüchten mußten. Als zum Beispiel Studierende wegen des wachsenden politischen Drucks auf die Ostberliner Universität Unter den Linden forderten

    "Dass sofort in Angriff genommen wird, die Entwicklung einer Freien Universität im Westen Berlins."

    Lief das im RIAS über den Sender. Und eng verknüpft mit der Gründung der Freien Universität entstand die Idee zu einer wissenschaftlichen Vortragsreihe, der Funkuniversität, die 1949 startete.

    "Guten Abend verehrte Hörerinnen und Hörer. In der Funkuniverstiät hören Sie heute ein Koreferat von Professor Dr. Max Hartmann zu dem Thema unserer gestrigen Sendung: die Voraussetzungen, Grundprinzipien und Forschungsmethoden der Naturwissenschaften."

    Zweimal wöchentlich gab es von da an im Spätabendprogramm einen halbstündigen Vortrag aus den Sozial-, Geistes- oder Naturwissenschaften. Zwei Ziele hatte sich die Redaktion gesetzt: zum einen wollte man wissenschafltich interessierte Hörer über die neuesten weltweiten Forschungsergebnisse informieren. Zumal die während der Nazizeit kaum noch verbreitet worden waren. Vor allem aber sendete die FunkUniversität in den Osten. Sie war der Versuch, der einseitigen Wissensvermittlung dort etwas entgegen zu setzen .

    "Die Idee war, den Hörern in der DDR, wissenschaflich Interessierten und Wissenschaftlern die Möglichkeit zu geben, zu erfahren, was im Westen in der Wissenschaft geschah, was erforscht wurde, was gedacht wurde und da hat man gleich von Anfang an sehr viele Wissenschaftler, Philosophen, Denker jeglicher Art in die Funkuniversität einbezogen, die als Emigranten in der Nazizeit ins Ausland gehen mußten, die das gerne taten auch, weil sie dann zum ersten mal wieder nach Kriegsende eine Möglichkeit hatten in Deutschland sich öffentlich zu äußern."

    So erinnert sich Walter Kirchner, früher Leiter der Bildungsredaktion im RIAS. Rund 3000 in- und ausländische Autoren arbeiteten in den knapp 40 Jahren, in denen es die Funkuniversität gab, für die Sendung. Darunter zum Beispiel der Philosoph Karl Jaspers.

    Und auch Theodor Adorno

    Soweit sie Deutsch konnten, sprachen die Autoren ihre Vorträge selbst und nicht immer, erinnert sich Walter Kirchner, war es leicht, die Wissenschaftler ins Funkhaus und vors Mikrofon zu locken. Zunächst bekam die Redaktion auch noch direkte Resonanz der Hörer.

    "Am Anfang, bis zum Mauerbau gab es ja persönliche Kontakte , es konnten Besucher zum RIAS kommen, die Mitarbeiter konnten auch in die damalige sowjetische Besatzungszone oder nach Ostberlin zumindest das war möglich, nach dem Mauerbau war das zunächst mal völlig abgeschnitten, es kamen ja dann sehr viele Flüchtlinge, auch junge Menschen, auch Wissenschaftler, mit denen man dann Kontakt aufnehmen konnte und Dinge klären konnte,die sich in der DDR ereignet hatten. "

    Direkten Kontakt zu Wissenschaftlern in der DDR konnte die Redaktion nach dem Mauerbau nicht mehr pflegen, für die Betroffenen wäre das zu gefährlich gewesen. Der Wunsch, Hochschulangehörige im Osten zu informieren, blieb bis zum Schluß ein zentrales Ziel der Funkuniversität – und erst als der RIAS 1993 abgewicklet wurde, endeten auch ihre Vorträge.

    Um die wohl aufregendste Zeit im RIAS Hochschulfunk, um die 68er, geht es morgen in Campus & Karriere.