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"Studenten haben das Wort!" - RIAS Uni-Radio im Kalten Krieg

Im Januar 1947 begann im RIAS der Hochschulfunk. Alle 14 Tage bekamen die Studenten das Wort. In den Anfangsjahren ging es den Machern der Sendung vor allem darum, Verständnis für die schwierige Lage der Studenten nach dem Krieg zu wecken.

Von Andrea Lueg |
    "Verehrte Hörerinnen und Hörer, liebe Kommilitonen!"

    So klang er, der Start des RIAS Hochschulfunks im Januar 1947.
    Vor 60 Jahren startete der Rundfunk im amerikanischen Sektor, kurz RIAS, der Vorläufer des Deutschlandradios in Berlin. Was wenige wissen: Schon ein Jahr nach den ersten Sendeschritten begann im RIAS der Hochschulfunk, der über die Jahre von der Gründung der Freien Universität über die 68er bis zur Abwicklung ostdeutscher Hochschulen nach der Wende am Puls der Alma mater blieb. Wir nehmen das Jubiläum zum Anlass für eine kleine Serie über den Hochschulfunk der Stunde Null.

    Erst etwas später gab es eine eigene Erkennungsmelodie und einen Titel. Alle 14 Tage ertönte "Studenten haben das Wort", und es ging dann im RIAS eine knappe Viertelstunde um alles, was mit Hochschule und Wissenschaft zu tun hatte in einem Land, das sich gerade mühsam aus den Trümmern wühlte.

    "Die geistige Struktur unserer Studenten, ihre Probleme, ihre Wünsche, werden ebenso in unserer Sendereihe behandelt werden wie Wissenswertes von allen Deutschen Hochschulen und den Universitäten im Ausland."

    Die Macher der Sendung hatten sich selbst die Aufgabe gestellt, Verständnis für die schwierige Lage der Studenten nach dem Krieg zu wecken. Redakteur der Sendung war übrigens Gerhard Löwenthal, später ein bekannter Journalist und ebenso erbitterter wie umstrittener Gegner des SED-Regimes.

    Die schwierige Lage der Studenten in der Zeit bestand zum einen darin, erstmal einen Studienplatz zu ergattern. Im Sommersemester 1946 gab es in den verschiedenen Besatzungszonen 70.000 Studenten. Aber über 50.000 Bewerber wurden wegen Platzmangels oder wegen politischer Belastung nicht zugelassen. Wer einen Studienplatz hatte, musste oft kilometerweit zu Fuß zur Vorlesung gehen, musste zusehen, dass er sich genug zu essen organisierte und im Winter beim Studium nicht erfror. Und dann mussten sich Hochschulen und Studenten nach Jahren der Gleichschaltung im Nationalsozialismus selbst neu definieren.

    "Und wir wollen uns einmal ganz offen und zwanglos unsere Meinung sagen."

    Diskussionen im Studio gehörten zum festen Programm der Sendung, zum Beispiel über die Wahlen zum Studentenrat an der Berliner Universität.

    "Habt Ihr schon gesehen, jetzt sind am schwarzen Brett das Statut und die Wahlordnung angeschlagen worden - Hat nicht jemand eins da? - Ja, ich hab eins da. Was ist denn eigentlich unklar?"

    Die Frage, wie das Zulassungsverfahren für Studenten an den Universitäten aussehen sollte, war ebenso Thema wie wichtige wissenschaftliche Kongresse in der ganzen Welt oder das Wiederaufkommen von Studentenverbindungen etwa an der Uni Heidelberg:

    "Hallo Heidelberg? – Hier ist Eginhard Ehlers, ich spreche aus Heidelberg für den RIAS-Hochschulfunk."

    "Studenten haben das Wort" war tatsächlich ganz nah dran an den Studenten der Zeit. Ein Großteil der Beiträge wurde von ihnen selbst geliefert und ein Redaktionsausschuss, der sich aus Studierenden Berliner Hochschulen zusammensetzte, bestimmte die Inhalte der Sendungen.

    "Und darum bitten wir Sie, uns zu schreiben, was Sie auf dem Herzen haben. Machen Sie Vorschläge von Themen, die für Sie selbst und darüber hinaus für die Allgemeinheit von Interesse und Bedeutung sind. Sie helfen dadurch, den geistigen Zusammenhalt zwischen allen Hochschulen und Studenten und das Band zwischen unseren Universitäten und der Öffentlichkeit immer enger zu knüpfen."

    Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre gerieten die Hochschulen in Ostdeutschland immer stärker unter Druck, Rede- und Wahlfreiheit wurden eingeschränkt und Studierende und Lehrende begehrten dagegen auf. Als zum Beispiel die Veterinärmedizinische Fakultät der Berliner Uni im Osten zur Disziplinierung komplett nach Leipzig verlegt werden sollte, protestierte Professor Paul Koch im RIAS.

    "Die damit zusammenhängenden Ereignisse haben mich selbst und eine Reihe von Studenten gezwungen, die Universität unter den Linden zu verlassen, weil der immer stärker werdende Gesinnungsterror es uns unmöglich macht, weiterhin in Freiheit und Unabhängigkeit zu lehren und zu forschen."

    Auf der einen Seite konnte so etwas Öffentlichkeit für die Betroffenen geschaffen werden, doch auf der anderen Seite gerieten Studenten auch gerade wegen ihrer Kontakte zu dem Sender in äußerst gefährliche Situationen.

    Aber morgen gibt es den zweiten Teil unserer kleinen Serie über die ersten Schritte des Hochschulfunks beim RIAS, der vor 60 Jahren seinen Sendebetrieb startete. Und darin geht es um Studenten, die durch ihre Mitarbeit beim RIAS ihr Leben riskierten.