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Jens Spahn (CDU)
"Rechtliche Hürden für Abschiebungen abbauen"

Jeder, der nicht vor Krieg und Verfolgung flüchte, müsse wieder aus Deutschland ausreisen, sagte CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn im Deutschlandfunk. Dafür müssten auch rechtliche Hürden für Abschiebungen abgebaut werden, wie sie etwa durch ärztliche Atteste entstünden.

Jens Spahn im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Jens Spahn spricht und gestikuliert dabei mit geballter Faust
    Der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) (picture alliance / Rolf Vennenbernd / dpa)
    Spahn war am Dienstag auf dem Bundesparteitag der CDU in Essen mit 70,5 Prozent wieder ins Parteipräsidium gewählt worden. Er hatte sich den Platz erst vor zwei Jahren mit einer Kampfkandidatur erobert. Der 36-Jährige ist Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesfinanzminister* und gilt als einer der Kritiker von Angela Merkels Flüchtlingspolitik. Die Parteitags-Rede der Bundeskanzlerin lobte Spahn im Interview. Sie habe klargemacht, "dass bei uns deutsches Recht gilt und nicht die Scharia." Auch sei Merkel auf ihre Kritiker zugegangen, wie etwa beim Thema Vollverschleierung im öffentlichen Raum.
    Mehr auf Abschiebehaft setzen
    Wichtig sei nun, konsequenter bei der Durchsetzung von Recht, und damit bei Abschiebungen, vorzugehen. Dazu müsse mehr auf Abschiebehaft gesetzt und der Dialog mit den Bundesländern verstärkt werden, betonte Spahn. Auch müssten rechtliche Hindernisse abgebaut werden, wie sie etwa durch ärztliche Atteste entstünden. Es könne nicht sein, dass Hunderttausende im Land blieben, die eigentlich ausreisepflichtig seien und weiter steuerfinanzierte Sozialleistungen bekämen.
    "Wir wissen, dass wir die Schwerpunkte in der Kommunikation, aber auch in dem, was wir angehen, klarer als in der Vergangenheit formulieren müssen", so Spahn weiter. Dabei gehe es etwa um die Werte und Prinzipien, die hierzulange gälten. Auch das Thema Leitkultur müsse wieder angesprochen werden.
    CDU-Parteitag wird fortgesetzt
    Am Vormittag wird der CDU-Bundesparteitag in Essen mit Beratungen über den Leitantrag des Vorstands fortgesetzt. Er soll den Rahmen für ein gemeinsames Wahlprogramm mit der Schwesterpartei CSU darstellen. In der Vorlage mit dem Titel "Orientierung in schwierigen Zeiten" geht es unter anderem um eine Verschärfung des Asylrechts sowie für mehr Personal zur Verfolgung und Abwehr von Kriminalität.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Ein ehrliches Ergebnis hat die CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet. So hat sie es vor dem Parteitag in Essen gesagt. Und das war natürlich eine ganz elegante Umschreibung dafür, dass die 97 Prozent von vor zwei Jahren schlichtweg kaum zu überbieten waren. Mit knapp 90 Prozent hat die CDU ihre Vorsitzende jetzt gestern im Amt bestätigt.
    Am Telefon mitgehört hat das auch das frisch wiedergewählte CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn. Schönen guten Morgen.
    Jens Spahn: Schönen guten Morgen, Frau Schulz.
    Schulz: Mit knapp 90 Prozent ist Angela Merkel bestätigt worden als CDU-Vorsitzende. Das ist in absoluten Zahlen natürlich ein gutes Ergebnis, relativ gesehen aber ihr zweitschlechtestes und sogar das schlechteste überhaupt während ihrer Kanzlerschaft. Was wollte die Partei ihr damit sagen?
    Spahn: Na ja, Frau Schulz. Relativ gesehen zu den letzten zwölf Monaten mit fünf verlorenen Landtagswahlen, mit intensiven, auch natürlich sehr kontroversen Diskussionen auch in der Partei wie in der Bevölkerung über die Flüchtlings- und Migrationssituation der letzten Monate, ist das doch ein wirklich gutes Ergebnis, das auch viel Unterstützung ist für das, was ansteht. 90 Prozent - Sie müssen mal sehen: Bei der SPD hat der Vorsitzende 74 Prozent. Selbst Horst Seehofer ist mit 87 Prozent gewählt worden, wenn ich mich richtig erinnere. Nach den letzten zwölf Monaten ist das ein gutes Ergebnis.
    Schulz: Ein gutes Ergebnis, sagen Sie, mit dem die Partei der Kanzlerin auch ein ganz klares "weiter so!" mit auf den Weg geben will?
    Spahn: Na ja, was heißt weiter so? Wir haben eine besondere Situation mit den vielen Menschen, die neu ins Land gekommen sind. Wir werden ja heute den Leitantrag diskutieren. Aber wir wissen, dass wir die Schwerpunkte auch in der Kommunikation, aber auch in dem, was wir angehen, dementsprechend setzen müssen, der Aufgabe gemäß, klar formulieren müssen, klarer vielleicht als in der Vergangenheit, was sind die Werte und Prinzipien, das Stichwort Leitkultur ist ja gerade gefallen, die dieses Land zusammenhalten, die dieses Land so erfolgreich machen. Was ist es, was wir nicht akzeptieren?
    Da war die Frau Bundeskanzlerin gestern ja auch sehr klar, etwa beim Thema Vollverschleierung oder der Frage, dass bei uns deutsches Recht gilt und nicht die Scharia. Und wie können wir am Ende auch wirtschaftlich erfolgreich bleiben? Denn nur dann wird die Integration auch in den Arbeitsmarkt zum Beispiel gelingen. Wie können wir Impulse setzen in der Industriepolitik oder indem wir Steuern senken? Alles klare Ansagen, alles ein klarer Kurs für die nächsten zehn Monate, auch für den Wahlkampf.
    "Jetzt geht es darum, beim Thema Integration weiter voranzukommen"
    Schulz: Und das reicht auch den vielen, vielen Stimmen, die jetzt über Monate den Kurswechsel gefordert haben?
    Spahn: Es geht ja vor allem auch um die richtige Schwerpunktsetzung jetzt, nachdem es erst mal darum ging, auch viele Menschen aufzunehmen und vor allem die Zahlen spürbar zu reduzieren. Das ist ja das, was wir vor zwölf Monaten in Karlsruhe gesagt haben auf dem Parteitag. Um nicht Akzeptanz zu verlieren in der Bevölkerung, um die Gesellschaft nicht zu überfordern, geht es jetzt ja vor allem darum, wie können wir beim Thema Integration weiter vorankommen, bei Menschen, die aus völlig anderen Kulturen zum Teil kommen und die auch erst mal hier sich einfinden müssen, wo wir aber auch klar sagen müssen, was gilt.
    Jetzt geht es um die Frage, wie können wir Europa - es ist ja Italien, Großbritannien, die Migrationskrise, viele, viele Themen sind da - so auch weiter gestalten, dass wir vor allem Probleme lösen und nicht nur Papiere in Brüssel verabschieden. Das sind die Themen der nächsten Monate und das sind einfach andere Themen, als sie vielleicht in der Hochzeit der Krise und der Entwicklung in den letzten zwölf Monaten waren.
    Schulz: Aber, Herr Spahn, ist denn da deutlich genug geworden, was die Kanzlerin, was die CDU da künftig anders machen will? Es ist der Satz gefallen, die Situation aus dem Sommer 2015, die dürfe sich so nicht wiederholen, aber wir haben auch beobachtet eine Kanzlerin, die sich über Wochen, über Monate geweigert hat, Fehler einzugestehen, die jetzt auch nach wie vor sich ausgesprochen schwertut zu sagen, was sie denn anders machen will. Wird die Botschaft denn ankommen?
    Spahn: Worum es ja zum Beispiel geht ist, dass wir das deutliche Signal auch deutlicher als in der Vergangenheit setzen und senden, dass nicht jeder in Deutschland bleiben kann, der es irgendwie nach Deutschland schafft. Nur weil man eine griechische Insel oder auch Italien irgendwie erreicht, kann es nicht sein, dass man in Europa bleibt oder in Deutschland bleibt, wenn man da mal ist. Sondern - und das ist das Thema Abschieben, Ausweisepflicht durchsetzen - diejenigen, die keine Flüchtlinge sind, die nicht aus dem Irak oder Syrien vor Krieg und Verfolgung fliehen, die müssen zurück in ihre Heimatländer, und zwar konsequent. Das war ja ein großes Thema und das ist ein Signal in die Welt, glauben Sie es mir! Wenn man weiß, dass man zurückmuss, …
    "Wir sagen konkret, was wir beim Thema Abschieben verändern wollen"
    Schulz: Sagen Sie mir nur ganz kurz, weil wir es jetzt so oft gehört haben. Was ist daran neu?
    Spahn: Was neu ist - und das war ja die Debatte der letzten Tage; die haben Sie sicherlich auch mitbekommen, Frau Schulz -, dass wir sehr konkret sagen, was wir beim Thema Abschieben noch verändern wollen und angehen wollen. Das fängt bei Abschiebehaft an, da wo sie nötig ist. Das fängt bei der Frage an, wie wir besser mit den Ländern die Themen koordinieren, um auch ganz konkret, wenn Abschiebungen stattfinden, die rechtlichen und tatsächlichen Hindernisse abzubauen. Das sind Themen wie ärztliche Atteste.
    Das heißt, diesen Bereich, wo es um Rechtsdurchsetzung eines Rechtsstaates geht - das sind ja alles Verfahren auch zum Teil mit Gerichtsentscheidung -, diesen Bereich haben wir deutlich mehr ausgeleuchtet als in der Vergangenheit, weil die Deutschen zurecht sagen, Leute, es kann doch nicht sein, dass Hunderttausende im Land sind, die eigentlich ausreisepflichtig sind und die steuerfinanzierte Sozialleistungen bekommen.
    Schulz: Hat der stellvertretende Parteivorsitzende Armin Laschet hier gestern Morgen im Programm aber allesamt als Präzisierungen bezeichnet, weil ich ja danach gefragt hatte, was neu ist. Das ist dann ein Missverständnis auch in der CDU-Parteispitze?
    Spahn: Nein! Es sind vor allem die neuen Schwerpunkte. Es ist eine Präzisierung dessen, wie Sie selber sagen, was wir in der Vergangenheit auch schon gesagt haben, aber nicht in dieser Konsequenz und in dieser Detailtiefe auch in Parteitagsbeschlüssen und in gemeinsamen Diskussionen erarbeitet haben, was wir jetzt umsetzen wollen. Sie müssen mal sehen die Karlsruher Erklärung von vor zwölf Monaten. Wenn Sie die mal durchgehen und Häkchen hinter dem machen, was umgesetzt wurde, ist fast alles umgesetzt.
    Und ich möchte einfach, dass wir es schaffen, wenn wir in einigen Monaten über unser jetziges Papier gehen, wo wir sehr konkrete Vorschläge machen, dass dann wir auch sagen können, haben wir umgesetzt, haben wir durchgesetzt. Das sind Parteitagsbeschlüsse. Ich habe schon viele erlebt, die so sehr in konkretes Handeln geführt haben. Das hat es noch nicht oft gegeben.
    "Dieses Spannungsfeld auszuhalten ist das, was schwierig ist"
    Schulz: Jens Spahn, ich möchte mit Ihnen noch auf die Fälle von Freiburg und Bochum schauen. Im Freiburger Fall, dem Fall einer getöteten Studentin, dort ist ein minderjähriger Mann aus Afghanistan als tatverdächtig festgenommen worden, tatverdächtig wegen Vergewaltigung und Mordes. Und in Bochum gibt es eine Festnahme eines Flüchtlings wegen versuchten Mordes und Vergewaltigung. Ist der Fall Anlass, die Flüchtlingspolitik Angela Merkels in einem anderen Licht zu sehen?
    Spahn: Das ist erst mal natürlich ein Fall oder sind zwei Fälle, die sehr viele Emotionen wachrütteln. Das sehe ich auch in den Reaktionen, die ich in Gesprächen oder in E-Mails kriege, und das kriegt ja jeder mit, ich denke der Deutschlandfunk auch. Weil natürlich die eine Aussage richtig ist: Wären diese Menschen nicht ins Land gekommen, wären diese Taten nicht passiert. Anders herum ist die Aussage natürlich auch richtig, dass man nicht von einzelnen Taten auf alle Flüchtlinge und alle Migranten schließen kann und dass bei jungen Männern - und in großer Zahl sind ja auch junge Männer da, die auch zum Teil aus Ländern mit einer sehr verklemmten Sexualmoral, wenn überhaupt denn dann kommen und einem komischen Frauenbild -, dass das dann auch schwierig ist mit der Integration in Teilen dann.
    Dieses Spannungsfeld auszuhalten, einerseits diese Gefühlslage, diese auch zum Teil natürlich Wut, die erst mal auftaucht, aufzunehmen und gleichzeitig immer wieder darauf hinzuweisen, dass das Taten Einzelner sind und wir da nicht in eine Gruppenverurteilung hineinkommen dürfen, das ist das, was schwierig ist, aber was uns gelingen muss.
    Schulz: Jetzt gibt es Vorschläge, aus der baden-württembergischen CDU unter anderem, das Gesetz zur DNA-Analyse auszuweiten. Bisher darf nicht geschaut werden auf Merkmale wie Augen, Haar oder Hautfarbe. Das will der Justizminister in Baden-Württemberg jetzt ändern. Wird das künftig ein Durchsuchungsmerkmal sein, Haut, Augen und Haarfarbe?
    Spahn: Das ist eine Diskussion, die man miteinander führen muss. Aber das geht ja jetzt am Ende nicht nur um Flüchtlinge, sondern generell darum, wie können wir Täter bei solchen Taten, generell bei Gewalttaten ausfindig machen. Und das ist eine Debatte wie gesagt, die bezieht sich nicht nur auf Flüchtlinge oder Migranten, sondern es geht allgemein darum, wie können wir Täter besser dingfest machen.
    Schulz: Aber, Herr Spahn, sind wir da nicht ganz nah an einem Generalverdacht?
    Spahn: Wenn es darum geht, Haare zu analysieren, oder wir suchen Täter, und wenn ein Täter braunes Haar hat oder schwarzes Haar hat oder blondes Haar hat, dann hat er diese Haarfarbe. Und genauso wie wir mit Fotos zum Teil nach Tätern suchen, macht es ja schon noch Sinn, dass man, wenn man die Bevölkerung aufruft, mitzuhelfen, oder wenn man entsprechende Testungen macht, dass man dann weiß, wie derjenige aussieht. Das halte ich jetzt, ehrlich gesagt, für ein relativ normales Vorgehen.
    Schulz: Das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn heute Morgen hier bei uns in den "Informationen am Morgen". Danke dafür.
    Spahn: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    *Hinweis: Zuvor hieß es an dieser Stelle, Jens Spahn sei Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, richtig ist jedoch: Er ist Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesfinanzminister. Beamtete Staatssekretäre sind die ranghöchsten Beamten im Ministerium - Parlamentarische Staatssekretäre hingegen sind unterstützend für den Minister tätig und pflegen die Verbindung zum Bundestag und zum Bundesrat.