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"Jetzt muss Tiefensee sich bewegen"

Der CDU-Verkehrspolitiker Klaus Lippold erwartet im koalitionsinternen Streit um die Bahnprivatisierung Entgegenkommen von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). Das vom SPD-Parteitag verlangte Volksaktienmodell sei nicht akzeptabel, sagte Lippold, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag. Die neu ins Gespräch gebrachte Privatisierung der Konzerntöchter sei eine "denkmögliche Option".

Moderation: Christian Schütte |
    Christian Schütte: "Wir sind auf gutem Weg", so Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee nach den gestrigen Beratungen mit der Bahn zum geplanten Börsengang. Er zeigt sich optimistisch, und das muss er wohl auch. Denn sollte es nichts werden mit der Privatisierung, stehe der Bahnkonzern langfristig vor großen Schwierigkeiten, sagt Tiefensee. Am Montag will er der Koalition neue, konkrete Pläne vorstellen.

    Darüber spreche ich nun mit Klaus Lippold von der CDU, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag. Guten Morgen, Herr Lippold!

    Klaus Lippold: Einen schönen guten Morgen, Herr Schütte!

    Schütte: Herr Lippold, ist die Bahn noch zu retten?

    Lippold: Die Bahn ist zu retten, aber das setzt Beweglichkeit voraus, und das setzt vor allen Dingen voraus, dass die SPD ihre Parteitagsbeschlüsse in der Koalition nicht umsetzt. Wir haben eine Koalition, und wir sind nicht Befehlsempfänger von Parteitagsbeschlüssen. Wir sind dem Minister Tiefensee in der Koalition sehr weit entgegengekommen. Jetzt muss Tiefensee sich bewegen. Das heißt, das Volksaktienmodell ist so nicht akzeptabel. Wir wollen nichts tun, um seiner selbst willen, denn mit dem Volksaktienmodell wäre der Bahn nicht gedient, und auch die übrigen Vorstellungen, die er bislang entwickelt hat, treffen nicht auf unsere Vorstellung, dass wir schlussendlich die Option später für eine Trennung von Netz und Betrieb offen halten wollen. Wir wollen die Übergangszeit, wie sie bislang von Tiefensee vorgeschlagen wird, in der die Bahn das Netz weiterbetreibt, von 15 auf 10 Jahre verkürzen. Wir wollen, dass hinterher klar feststeht, zu welchen Konditionen, bezahlbaren Konditionen fest, das Netz wieder rückübereignet werden kann, falls das gewollt wird, damit eventuell später eine Trennung vorgenommen werden kann. Wir wollen auch sicherstellen, dass die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, dass die Frage der Netznutzung sehr klar und eindeutig geregelt wird, und ein Probelauf kommt, bevor jetzt in die Privatisierung einsteigen. Das sind die Bedingungen. Ohne diese Bedingungen kann es keine Teilprivatisierung geben.

    Schütte: Nun sind ja einige Vorschläge schon bekannt geworden. Nehmen wir einen, es geht darum, dass nicht die Bahn selbst, sondern Tochterunternehmen, wie Schenker etwa, privatisiert werden könnten. Würde dies die Bahn zukunftsfähig machen?

    Lippold: Das ist eine Frage der Bahnstrategie. Es ist nicht zwingend notwendig, dass die Bahn ein Unternehmen, das auf der Straße Verkehr betreibt, in der Hand hat. Man kann, wenn man neues Geld will, auch Teile des Unternehmens veräußern, um das dadurch eingehende Geld dann in das Unternehmen Bahn zu investieren. Das ist eine denkmögliche Option. Wenn ich einen Logistikkern machen will, muss ich mir immer darüber im Klaren sein, dass es an und für sich relativ schwierig ist, dass der deutsche Steuerzahler auch zukünftig einen Konzern unterstützt, der in allen Teilen der Welt tätig sein will, der auf allen Feldern der Logistik tätig sein will und von deutschen Steuerzahlern das Geld für Netz, Betrieb in ganz erheblichem Umfang erhält.

    Schütte: Im Gespräch ist ja auch folgender Vorschlag: Man teilt das Unternehmen auf, das Netz und die Infrastruktur, also die Bahnhöfe, bleiben beim Bund, nur der Fahrbetrieb und die Logistik gehen zum Teil in private Hände. Brächte dies denn genug Geld ein?

    Lippold: Das muss erst sorgfältig durchgeprüft werden. Es muss auf seine Aussicht auf Erfolg durchgecheckt werden. Ich würde da jetzt nicht einfach einen Schnellschuss machen. Ich glaube, es ist jetzt an der Zeit, nach den ganzen Irritationen, die in die Diskussion getragen worden sind, nüchtern zu bilanzieren, Vorschläge sorgfältig zu prüfen. Es geht hier um eine Infrastrukturentscheidung von unwahrscheinlicher Bedeutung, eine Infrastrukturentscheidung, wie wir sie in den letzten 15 Jahren nicht getroffen haben. Das ist also notwendig, dass wir sie sorgfältig und detailliert vorbereiten.

    Schütte: Sie haben vorhin schon das Netz angesprochen, und wenn ich Sie richtig verstanden habe, wäre Ihre Idee, dass das Netz dann doch an Investoren gehen sollte?

    Lippold: Nein, gerade das Netz nicht. Die Netzinfrastruktur soll in der Hand des Staates bleiben. Wir wollen, dass mehr Wettbewerb auf dem Netz möglich ist, und das ist nach unserer Auffassung dann gegeben, wenn das Netz beim Staat bleibt und nur der Betrieb und die Logistik dann bei der Bahn verbleiben. Dass wir jetzt ein Modell haben, in dem die Bahn auch betreibt, dem haben wir für diese Übergangszeit zugestimmt und sind dabei Tiefensee sehr entgegengekommen, aber das ist nicht unsere Grundvorstellung. Damit wird Wettbewerb auf der Schiene nicht in dem Umfang möglich, wie wir uns das wünschen würden.

    Schütte: Sie haben eben den Kompromissvorschlag von Herrn Tiefensee schon angesprochen. Sind Sie eigentlich ein bisschen verärgert über den Koalitionspartner, denn vor dem SPD-Parteitag schien der damalige Kompromissvorschlag ja in der Koalition zu stehen?

    Lippold: Es ist ganz einfach so, dass offensichtlich die Parteitagsregie der SPD den Parteitag nicht im Griff hatte. Da sind eine Reihe von Beschlüssen gefasst worden, die, wenn ich das richtig sehe, von der Spitze so gar nicht gewollt waren, aber die Spitze hat eine Schlappe erlitten. Und, wie gesagt, wir haben eine Koalition mit der SPD-Fraktion, nicht mit dem SPD-Parteitag. Jetzt ist es an der Zeit, sorgfältig zu überlegen, wie das Ganze sauber gelöst wird, damit die Bahn mehr Zukunft hat.

    Schütte: Der Widerstand, der sich in den Ländern angekündigt hatte, der scheint aber abgewendet zu werden, wenn Sie sich durchsetzen würden, dass das Netz tatsächlich beim Bund bleibt, das heißt, von dort aus rechnen Sie mit freier Fahrt?

    Lippold: Ich gehe davon aus, dass die Vorstellungen, wie wir sie geäußert haben, von den Ländern in weitaus größerem Umfang als akzeptabel eingeschätzt werden. Insofern wäre auch dies ein Vorzug.

    Schütte: Und die Einigung mit der SPD, wie soll die gelingen?

    Lippold: Darüber wird man verhandeln müssen.

    Schütte: Noch ein Wort zum Tarifkonflikt. Die Lokführer der GDL bestreiken seit gestern Mittag den Güterverkehr. Eine Einigung zwischen Gewerkschaft und der Bahn ist zumindest noch nicht in Sicht, obwohl es jetzt erste Vorschläge zu geben scheint. Ist jetzt doch im Tarifstreit wieder die Politik gefragt?

    Lippold: Nein. Wir haben eine Tarifautonomie, und den Grundsatz sollten wir nicht verlassen. Die Tarifautonomie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten bewährt. Sie hat zu einer befriedeten, sozialen Entwicklung in der Bundesrepublik ganz maßgeblich beigetragen. Da hat Politik sich herauszuhalten und nicht einzugreifen.

    Schütte: Klare Worte. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Klaus Lippold von der CDU. Danke für das Gespräch.