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Jodo Shinshu in Japan
Der klassenlose Buddhismus

In der bald 800 Jahre alten buddhistischen Bewegung Jodo Shinshu haben alle die gleiche Stellung, es gibt keinen Unterschied zwischen Priestern und Laien, Männern und Frauen. Und auch die Lebensweise wird nicht vorgeschrieben. Was zählt, ist Zuversicht.

Von Horst Blümel | 26.06.2015
    Blick auf den Higashi-Honganji-Tempel im japanischen Kyoto.
    Der Honganji-Tempel in Kyoto ist heute der Hauptsitz der Jodo-Shinshu-Schlule. (picture-alliance / dpa - Sammer)
    "Namo Amida Butsu" – Ich nehme Zuflucht zum Buddha Amida. Durch das Rezitieren dieser Worte und das absolute Vertrauen in den Buddha Amida sollen die Anhänger der Religion aus dem Kreislauf von Tod und Wiedergeburt befreit werden.
    Der Mönch Shinran Shonin gründete die Jodo Shinshu-Gemeinschaft im 13. Jahrhundert. Die Lehre basiert auf einem Gelübde des Buddha Amida. Dieser hat versprochen, alle Lebewesen, die ohne jeden Zweifel an ihn glauben, aus der Kette von Tod und Wiedergeburt zu erlösen. Wie der historische Buddha einst in einer Rede erklärte, wurde Buddha Amida bereits lange Zeit vor ihm erleuchtet.
    "Dieser Buddha wird der 'Buddha des unendlichen Lichts und des unendlichen Lebens' genannt. Bis zum heutigen Tag sind schon zehn Weltalter vergangen, seitdem Buddha Amida Erleuchtung erfahren hat."
    Nach dem Jodo Shinshu kann jedermann die Buddhaschaft erlangen
    Die Jodo-Shinshu-Bewegung fand nach ihrer Gründung besonderen Anklang bei einfachen Leuten. Jetzt gab es für sie einen Buddhismus, den sie ohne Schwierigkeiten praktizieren konnten. Dagegen war der traditionelle Buddhismus in Japan für sie wenig ansprechend.
    "Seit den Tagen des historischen Buddhas Shakyamuni wurden Meditation und Askese als geeignete Praktiken angesehen, um Erleuchtung zu erlangen. Durch diese Praktiken hat auch der historische Buddha Erlösung erfahren. Seitdem folgen Buddhisten seinem Beispiel. Im traditionellen Buddhismus allerdings können nur die Priester die Buddhaschaft erlangen", sagt Kiyoshi Yamamoto, ein Priester der Jodo Shinshu. Im Amida-Buddhismus dagegen steht für jeden der Weg offen, um aus dem Kreislauf von Tod und Wiedergeburt befreit zu werden.
    "Wir sind erleuchtet in dem Augenblick, da wir eins werden mit dem alles erhellenden, alles durchdringenden Licht des strahlenden Wahrheitsmondes, der aufleuchtet, sobald die dunklen Wolken des quälenden Begehrens vertrieben sind und wir das Ufer des Reinen Landes der Erfüllung erreichen. Wenn wir im Boot von Amidas Großem Gelübde den aufgewühlten Leidensozean von Geburt und Tod überquert haben, dann sind wir in der Lage, jedes empfindende Wesen zu retten."
    Anders als im althergebrachten Buddhismus gibt es für die Anhänger des Amida-Glaubens keine vorgeschriebene Lebensweise. So ist es ihnen zum Beispiel freigestellt, ob sie sich vegetarisch ernähren wollen. Sogar den Priestern der Religionsgemeinschaft ist der Fleischverzehr gestattet. Die einzige Voraussetzung, um ins "Reine Land" zu gelangen, ist die Zuversicht in den Buddha Amida.
    Als erleuchtetes Wesen zurück in die Welt
    "Durch das Sprechen des 'Nembutsu' bedanken wir uns dafür, dass Buddha Amida uns diesen Pfad zur Erlösung geschaffen hat. Die religiösen Praktiken, die im traditionellen Buddhismus vorgeschrieben sind, hat er schon für uns ausgeführt und an unserer Stelle Erleuchtung erfahren. Durch das Rezitieren des 'Nembutsu' werden die Verdienste und Tugenden des Buddha Amida auf uns übertragen."
    Der Amida-Glaube gehört zum Mahayana-Buddhismus. Im Mahayana-Buddhismus strebt der Einzelne nicht nur die eigene Erlösung an, sondern er kehrt als erleuchtetes Wesen zurück in die Welt, um den anderen Menschen auf dem Weg zur Buddhaschaft zu helfen.
    Die Gegenwart des Buddha Amida erfahren die Nembutsu-Anhänger schon zu Lebzeiten. Durch das ständige Wiederholen der Worte "Ich nehme Zuflucht zu Buddha Amida" wächst das Vertrauen in ihn. Irgendwann erfährt der Gläubige die Gegenwart des Buddha – er hat jetzt das Gefühl, das Nembutsu gemeinsam mit Buddha Amida zu sprechen. Durch dieses Erlebnis hat der Gläubige die Gewissheit, nach seinem Tod im "Reinen Land" geboren zu werden.
    "Das 'Reine Land' ist kein realer Ort, obwohl es manchmal als 'unendlich weit im Westen gelegen' beschrieben wird. Das 'Reine Land' ist eine Umschreibung für die Erleuchtung und das Wirken des Buddha Amida. Es ist das Energiefeld, das ihn umgibt. Im 'Reinen Land' geboren zu werden ist der Wunsch aller Amida-Buddhisten."
    Nachdem Shinran 1224 die Jodo Shinshu-Gemeinschaft gegründet hatte, wuchs die Religionsgruppe rasch. Der Mönch unterrichtete überwiegend ungebildete Leute im Amida-Glauben. Unter seinen Anhängern waren nun auch Fischer und Jäger, diese Berufe waren im althergebrachten Buddhismus geächtet. Auch viele Frauen schlossen sich der neuen Glaubensgemeinschaft an.
    "Shinran betonte immer wieder den Unterschied zu anderen Schulen des Buddhismus: Im Amida-Glauben haben alle die gleiche Stellung. Es gibt keinen Unterschied zwischen Priestern und Laien, Männern und Frauen. Auch spielt es keine Rolle, ob jemand verheiratet ist oder welchen Beruf er ausübt. Jeder ist im 'Reinen Land' willkommen. Dieser klassenlose Buddhismus war damals vor allen Dingen für Leute der unteren Gesellschaftsschicht sehr ansprechend."
    Heutzutage ist die Jodo Shinshu eine der größten buddhistischen Schulen in Japan. Ihr Hauptsitz ist der Honganji-Tempel in Kyoto, der auch die Grabstätte des Religionsgründers ist. Es gibt auch Jodo Shinshu-Gemeinschaften in anderen Teilen der Welt, unter anderem in Deutschland.