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Traumberuf mit Armutsrisiko
Journalismus zwischen Ideal und Selbstausbeutung

Journalismus - für viele ist das der vierte Pfeiler der Demokratie. Die Ideale, die viele Medienschaffende motivieren, erzeugen gleichzeitig auch Druck. Unsichere Arbeitsverhältnisse verstärken die Belastung. Wenn Journalismus demokratierelevant ist, wie steht es dann um die Demokratie, wenn journalistische Arbeit nicht zum Leben reicht? Und wie wirkt sich das auf die Berichterstattung aus?

Von Brigitte Baetz und Pia Behme |
Mit einem Plakat mit der Aufschrift "Journalisten bald 30% billiger" nimmt ein Journalist an einer Demonstration in der Münchener Innenstadt teil.
Insbesondere die Arbeitsbedingungen für freie Journalistinnen und Journalisten sind häufig prekär. (picture alliance / Peter Kneffel/dpa)
Journalismus - für viele ist das der vierte Pfeiler der Demokratie. Journalisten streben nach Wahrheit, manche fühlen sich als "Wächter". Diese Ideale, die das journalistische Selbstverständnis bilden, haben Gewicht. Sie motivieren viele Medienschaffende, ihren Job mit Sorgfalt zu machen. Gleichzeitig erzeugen diese Ziele Druck. Im Journalismus wird stets unter aller Augen, möglichst schnell und sorgfältig gearbeitet.
Für diese Mühen gibt es längst nicht für alle genug Geld und Anerkennung. Prekäre Arbeitsverhältnisse sind gerade für freie Journalistinnen und Journalisten normal, viele empfinde ihre berufliche Zukunft als unsicher. Manche Medien, wie Tageszeitungen, stehen unter stärkeren wirtschaftlichen Belastungen als andere Medien. Matthias von Fintel, Bereichsleiter Medien und Publizistik bei Verdi, findet die Lage bei der Presse dramatisch, obwohl es den Zeitungen wirtschaftlich gar nicht so schlecht gehe. "Dieses nah an der Politik im Lokalen dran zu sein, das können eigentlich nur Zeitungsredaktionen leisten und das fällt zunehmend weg - sowohl durch Einsparung von Stellen, aber auch durch immer weniger Personal, das in den Regionen noch unterwegs ist. Und das ist natürlich auch demokratiekritisch."

Corona-Pandemie hat prekäre Situation verstärkt

Die Pandemie hat die unsichere Situation von freien Journalistinnen und Journalisten weiter verstärkt. Viele Freie sahen sich von einem zum anderen Tag in ihrer Existenz bedroht. Es gab keine Kultur- und Sportveranstaltungen mehr, wenig worüber man noch schreiben konnte. Eine neue Studie der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung, zeigt, wie sich die Pandemie vor allem auf freie Journalistinnen und Journalisten ausgewirkt hat.

Psychische Belastung ist hoch

Die Verantwortung für eine sorgfältige Berichterstattung auf der einen, die prekären Arbeitsbedingungen auf der anderen Seite - der Druck und die psychische Belastung ist für viele Journalistinnen und Journalisten hoch. Inzwischen wird mehr darüber geredet, auch die Investigativjournalistin Isabell Beer setzt sich für eine offene Debatte über psychische Gesundheit im Journalismus ein. Die wirtschaftliche Unsicherheit führe dazu, dass man versuche besonders gut zu sein, so Beer. "Man denkt 'Ich muss so krass sein, dass sie mich nicht gehen lassen können und dass sie merken, dass sie mir was Fester anbieten müssen.' Das führt dazu, dass man beginnt, sich selbst auszubeuten. Dass man Überstunden macht, auf Abruf bereit steht und viel mehr arbeitet als das, wofür man bezahlt wird. All das führt dazu, dass man enorm unter Druck steht."
Das @mediasres Spezial zur Deutschlandradio-Denkfabrik 2022 von Brigitte Baetz und Pia Behme schaut auf prekäre Arbeitsbedingungen im Journalismus.