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Journalistenproteste in Kroatien
Interview-Boykott gegen Öffentlich-Rechtliche

Der öffentlich-rechtliche Sender HRT in Kroatien gilt als regierungsnah. Er verklagt Journalisten und setzt unliebsame Sendungen ab. Verbände, Vereine und Parteien wehren sich - sie haben dem HRT zwei Wochen lang Interviews verweigert.

Von Grit Eggerichs |
Journalisten demonstrieren in Zagreb mit einem Protestmarsch gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
"Ihr habt die Medien gekapert. Aber unseren Journalismus geben wir nicht her.“ Journalisten in Zagreb demonstrieren gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. (Deutschlandfunk/Grit Eggerichs)
Treffpunkt vor dem Haus der Journalisten in Zagreb. Der Kroatische Journalistenverband hat zusammen mit dem Verein für demokratisches Handeln GONG einen Boykott organisiert – gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk HRT. Über 30 Vereine, Verbände und politische Parteien haben HRT-Reportern zwei Wochen lang Interviews verwehrt, sind Einladungen zu Talkshows nicht gefolgt.
Heute mündet der Boykott in einer Demo. Jelena Berković von der NGO GONG bläst in ihre Trillerpfeife. Ein jahrelanger Kampf um mehr Demokratie bei HRT hat zu nichts geführt, sagt sie. Nun müsse man zu radikaleren Mitteln greifen – wie eben diesem Boykott.
Der HRT verklagt Verleger, Verbände und Journalisten
"Es ist nicht normal, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender Journalisten verklagt, weil sie kritisch schreiben: über den Sender im allgemeinen, das Programm oder über mangelnde Transparenz im Management."
HRT hat in den vergangen drei Jahren rund 20 Verleger und Verbände verklagt – wegen Rufschädigung und Verleumdung. Selbst gegen den HRT-Zweig des Journalistenverbands läuft eine Klage, weil der sich in einem offenen Brief über intransparente Entscheidungsprozesse im Sender beschwert hatte. HRT verklagt auch Journalisten, die bloße Kritik am Programm äußern.
Intendant wird vom Parlament gewählt
Die Klagewut des HRT-Managements ist aber nicht das einzige Problem. Auch das Gesetz über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk trägt zu den Missständen bei, die GONG und Journalistenverband kritisieren.
"Der HRT-Programmrat und der Aufsichtsrat haben keine Macht. Sie formulieren Einwände gegen Programminhalte und wirtschaftliche Entscheidungen des HRT-Vorstands. Aber ihr Veto zählt nicht. Die Macht liegt allein beim Parlament – wenn es den neuen Intendanten wählt."
Hofberichterstattung in den Nachrichten
Und das passiert alle vier Jahre nach den Parlamentswahlen. Eine einfache Mehrheit im Parlament genügt, das heißt: Die neue Regierung wählt ihren Kandidaten. Und der hat dann das Recht, vom Wellenchef bis zu den Redaktionsleitern neues Personal zu bestimmen - nach politischer "Zuverlässigkeit" im Sinne der Regierung. Nicht nur die aktuelle konservative HDZ-Regierung versucht, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für die eigene Linie zu instrumentalisieren. Die Sozialdemokraten vor ihr haben es auch so gemacht.
Wenn das kroatische Fernsehpublikum die HRT-Hauptnachrichtensendung "Dnevnik" einschaltet, dann sieht es Nachrichten, die auf Pressekonferenzen oder während Auslandsreisen der Präsidentin, des Premierministers oder der Minister gedreht wurden. Sie sehen und hören Politiker, die vorbereitete Statements abgeben. Nachfragen der Journalisten kommen selten vor.
Redakteure haben kaum noch Aufgaben
Besucht man die Redakteure in den Fernseh- und Radioressorts von HRT, dann haben manche von ihnen sehr viel Zeit. Ihre Aufgaben und Sendungen wurden ihnen von den neuen Chefs nach den Wahlen genommen, weil sie nicht zur Regierungslinie passten. Kündigen konnte man ihnen nicht so einfach. Hinter vorgehaltener Hand protestieren die Kollegen, einige wenige von ihnen sind sogar zur Demo gekommen. Öffentlich äußern wollen sie sich aber nicht – aus Angst ihren Job zu verlieren.
Ljubica Letinić kann frei sprechen. Bis vor drei Jahren hat sie als HRT-Redakteurin zwei Radiosendungen betreut, Hintergrund-Features zu politischen und soziologischen Themen. Dann kamen die Parlamentswahlen 2016. Die sozialdemokratische Regierung wurde abgewählt und die neue konservative Mehrheit im Parlament wählte "ihren" Intendanten.
Sendungen als kommunistisch eingestuft
"Die Chefredakteure wurden ausgewechselt und die stuften die zwei Sendungen, die ich betreute, als kommunistisch ein und schafften sie ab. Meine eigenen Kollegen bei HRT haben einen offenen Brief geschrieben, um diese Entscheidungen zu rechtfertigen. Darin behaupteten sie, ich hätte untragbare marxistische Positionen propagiert."
Zuletzt hatte sie eine Geschichtssendung zu den sozialistischen Jugendorganisationen in der Jugoslawienzeit gesendet. Ein Abschnitt der kroatischen Geschichte, den die konservativen Kräfte in der Gesellschaft am liebsten totschweigen würden.
Ljubica Letinić ist zweieinhalb Jahre zur Arbeit gegangen, ohne dort wirklich etwas zu tun zu haben. Dann hat sie sich getraut zu kündigen – 20 Jahre, nachdem sie bei HRT angefangen hatte. Jetzt will sie sich mit einer Hörbuch-App selbständig machen.