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Juden in der AfD
"Diese Alternative ist nicht koscher“

In Wiesbaden ist eine Interessengemeinschaft "Juden in der AfD" gegründet worden. Dagegen demonstrierten Hunderte jüdische Studierende in Frankfurt am Main. Und auch der Zentralrat der Juden in Deutschland hält Teile der AfD für antisemitisch und eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz für angemessen.

Von Ludger Fittkau | 08.10.2018
    Studierende halten Plakat hoch
    "Diese Alternative ist nicht koscher" (Deutschlandradio / Fittkau)
    Vor dem Eingang des Bürgerhauses im Wiesbadener Stadtteil Erbenheim heute Mittag. Dimitri Schulz tritt in dunklem Anzug und mit blauer Kippa auf dem Haar vor das Mikrophon. Rund 20 Menschen sind aus der gesamten Bundesrepublik zusammengekommen, um eine Interessenvertretung von Juden in der AfD zu gründen. Der 1987 in der damaligen Sowjetunion geborene Dimitri Schulz gehört zu den Gründungsmitgliedern. Dem Vorwurf des Zentralrates der Juden, er engagiere sich in einer antisemitischen Partei, hält Schulz entgegen:
    "Es ist so: Hier in Deutschland und in Europa ist der Antisemitismus überall. In jeder Vereinigung, in jedem Verein, auf dem Arbeitsplatz. In jedem Unternehmen, in jeder Partei. Und deswegen kann man jetzt nicht einfach sagen, nur die AfD ist antisemitisch - alles andere wäre nicht."
    In der Partei Expertise im Bereich Antisemitismus unterstützen
    Dimitri Schulz hatte zuvor schon bei der Gründung von Interessengemeinschaften der Russland-Deutschen in der Bundes-AfD und dem Landesverband Hessen mitgewirkt. Er ist auch Kandidat seiner Partei bei den hessischen Landtagswahlen am 28. Oktober. Schulz beschreibt die Ziele der heute gegründeten Arbeitsgemeinschaft der Juden in der AfD:
    "Unsere Ziele sind ja, innerhalb der Partei unsere Expertise im Bereich Antisemitismus zu unterstützen. Und dann das Leben der Juden hier in Deutschland und in Europa und auch die Israelpolitik. Dass über Israel auch neutral berichtet wird in den Medien. Und gleichberechtigt behandelt wird in den Medien und in verschiedenen Organisationen, das ist uns auch wichtig."
    Plakat der Gegendemonstranten
    In Frankfurt am Main demonstrierten hunderte jüdische Studierende gegen die Gründung der Interessengemeinschaft (Deutschlandradio / Fittkau)
    Etwa zur gleichen Zeit rund 35 Kilometer weiter östlich – der Goetheplatz Frankfurt am Main. Einige hundert Menschen sind dem Aufruf der Jüdischen Studierendenunion Deutschland gefolgt. Die Vereinigung zählt rund 25.000 Mitglieder. Ihre Kundgebung richtet sich gegen ein Engagement von Menschen jüdischen Glaubens in der AfD. Das Motto lautet "AfNee – Diese Alternative ist nicht koscher!" Dalia Grinfeld ist Präsidentin der Organisation:
    "Uns ist wichtig, dass wir zeigen, dass die große Mehrheit der Juden dagegen steht, gegen die AfD steht. Als junge politische Aktivisten wollen wir auch zeigen, dass wir aktiv sind, dass wir Teil der Gesellschaft sind, das wir Teil des politischen Diskurses sein wollen. Und es ist wichtig, dass die gesamte deutsche Bevölkerung mitbekommt, dass wir als junge Juden für Pluralismus stehen und für ein offenes und buntes Deutschland."
    "Mehrheit der Juden gegen die AfD"
    Auch Mike Samuel Delberg engagiert sich in der Leitung der Jüdischen Studierendenunion. Viele jüdische Menschen auch in seinem Umfeld seien über den Antisemitismus erschrocken, den etwa junge Migranten aus arabischen Ländern offen zeigen. Er weiß auch, dass sich gerade Russland-Deutsche verstärkt der AfD zuwenden. Dass aber 30 bis 40 Prozent der deutschen Juden inzwischen die AfD wählen, wie Dimitri Schulz schätzt, glaubt Delberg jedoch nicht:
    "Ich glaube, sie haben Angst. Sie haben Angst vor bestimmten Problemen, die die Politik ihrer Meinung nach nicht so in Angriff nimmt, wie sie es tun sollte. Nur ist dann die Frage, welchen Schritt geht man? Geht man den Schritt zu einer Partei, die nicht für die Werte einsteht, für die man eigentlich selbst einsteht? Oder versucht man es auf einer anderen Ebene. Wir als jüdische Studierende versuchen es mit unseren Kreisen und wir glauben eben nicht, dass die AfD der richtige Ort für jüdische Menschen ist."
    Plakat der Gegendemonstranten
    Gegenwehr für die Gründung der IG "Juden in der AfD" (Deutschlandradio / Fittkau)
    Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hält es ebenfalls für falsch, dass sich Juden in der AfD engagieren. Er hält Teile der Partei für rechtsextrem. Deshalb sei auch eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz gerechtfertigt, erklärte Schuster im Vorfeld der heutigen Veranstaltungen im Rhein-Main-Gebiet.