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Jumelage im Sicherheitsrat
Deutschland und Frankreich schreiben UN-Geschichte

Der gemeinsame Vorsitz von Deutschland und Frankreich im Sicherheitsrat ist eine Premiere für die Vereinten Nationen. In den nächsten acht Wochen teilen sich beide Länder die Leitung des wichtigsten UN-Gremiums. Der Name dafür - Jumelage - ist allerdings noch gewöhnungsbedürftig, auch für deutsche Politiker.

Von Georg Schwarte | 02.03.2019
Die beiden Sitze von Frankreich und Deutschland im UN-Sicherheitsrat
Deutsch-französischer Doppel-Vorsitz im UN-Sicherheitsrat, Jumelage genannt (dpa / Johannes Schmitt-Tegge)
Da sitzen sie also. Nebeneinander im Presseraum der UN. Der französische UN-Botschafter Francois Delattre und sein deutscher Kollege Christoph Heusgen und sie schreiben hier gerade ein bisschen UN-Geschichte, sagt der Franzose:
"Das einzigartige dieser Pressekonferenz ist, dass es der Auftakt einer deutsch-französischen Partnerschaft hier in New York sein wird."
Acht Wochen gemeinsamer Vorsitz im UN-Sicherheitsrat. Erst im März die Franzosen, dann im April Deutschland. Nicht zwei Tagesordnungen, nicht zwei Planungsstäbe, nicht zwei Agendas. Sondern eine Jumelage:
Gänsehautmoment im Sicherheitsrat
"Das ist Jumelage das kennen sie von deutsch-französischen Städtepartnerschaften", sagt der deutsche Botschafter Heusgen später. Stunden, nachdem die beiden den anderen 13 Mitgliedern des Sicherheitsrates, den Amerikanern, den Russen, den Chinesen ihre gemeinsame Agenda für die nächsten acht Wochen vorstellten. So etwas gab es noch nie in der UN-Historie: Und hier bei den UN, wo sie häufig historisch denken, fast so etwas wie ein Gänsehautmoment im Sicherheitsrat:
"Ein Kollege sagte, die Vereinten Nationen wurden letztlich gegründet, deswegen weil Deutschland und Frankreich wieder Mal, zum dritten Mal in 70 Jahren im Zweiten Weltkrieg in einer Weise gegeneinander gekämpft hatten, wie es undenkbar war. Und dass man heute in einer Situation ist, in der Deutschland und Frankreich dann heute gemeinsam ihre Präsidentschaft machen, das war für viele historisch."
Historisch also. Es soll auch ein Signal sein Motto: Die EU lebt. Europa rückt zusammen. In Zeiten, da die Amerikaner auf Alleingänge setzen, wie der deutsche Botschafter sagt, sogar gegen internationale Rechtsnormen verstießen, etwa als sie Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannten. In diesen Zeiten soll die deutsch-französische Partnerschaft Zeichen sein:
"Es gibt bei vielen der Mitgliedstaaten im Sicherheitsrat die Überzeugung, dass die Vereinanten Nationen, Multilateralismus funktionieren muss. Und da wird diese deutsch-französische Initiative als ein Versuch gesehen, Multilateralismus zu beleben."
Maas und von der Leyen kommen
Der deutsche Außenminister Maas wird gleich zwei Mal anreisen. "Das Thema sexuelle Gewalt gegen Frauen". Maas wird eine Debatte dazu leiten. Und die deutsche Verteidigungsministerin von der Leyen kommt ebenfalls, ihr Thema:
"Women in peacekeeping. Frauen in Friedensmissionen, sowohl was Polizei, aber auch was Militär anbelangt sind die Zahlen, übrigens bei uns in Deutschland auch, aber auch hierbei den Vereinten Nationen noch sehr, sehr niedrig. Und da wollen wir durch eine hochrangige Veranstaltung im Sicherheitsrat die Aufmerksamkeit drauf lenken."
Ansonsten haben sich Frankreich und Deutschland viel vorgenommen. Sie wollen die Arbeitsweise des Rates umkrempeln. Mehr diskutieren, weniger Rituale. Mehr nachhaltiges Arbeiten sagt der Franzose. Bei den Militärs gebe es die Regel: schießen und vergessen. Im Sicherheitsrat sei das leider "abstimmen und vergessen":
Das soll sich ändern. Nach einer Abstimmung regelmäßig prüfen, was gewirkt hat, nachsteuern. Feinjustieren. Der Anspruch von Deutschland und Frankreich hoch. Das gesamte Team beider Länder übrigens trägt deutsch-französische Fahnen als Anstecker am Revers. Zeichen der Jumelage, der Partnerschaft. Außenminister Maas allerdings muss das Wort offenbar noch lernen:
"Das nennen wir eine Jumelange, das ist auch ganz neu für den Sicherheitsrat."
Nicht Jumelange, Jumelage. Offenbar nicht nur neu für den Sicherheitsrat. Egal. Ab jetzt acht Wochen deutsch-französischer UN-Vorsitz. Eine UN-Premiere der besonderen Art hier in New York.