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Justiz
Polens Regierung korrigiert Richter-Frühverrentung

Die polnische Regierung rudert bei der umstrittenen Justizreform teils zurück. Der Druck der EU zeigt somit Wirkung: Brüssel hatte juristische Schritte eingeleitet - und Warschau reagierte. Beobachter sehen eine Niederlage für die rechtskonservative Regierungspartei. Auch innenpolitisch war sie unter Druck geraten.

Von Florian Kellermann |
    Polen, Krakau: Menschen protestieren gegen eine Justizreform, die vorsieht, dass Richter des Obersten Gerichts bereits mit 65 statt bisher 70 Jahren in den Ruhestand gehen.
    Demonstration in Krakau gegen die polnische Justizreform (picture alliance / Omar Marques)
    Zwei Gründe haben die polnische Regierung zum Einlenken bewegt, meinen Experten: Auf ihr Land wären eventuell Strafzahlungen zugekommen, wenn sie sich der einstweiligen Verfügung aus Luxemburg widersetzt hätte. Außerdem wollte die Regierungspartei PiS wohl die Kritiker verstummen lassen, die ihr vorwerfen, sie führe Polen mit ihrer Politik nach und nach aus der EU.
    Auf diese Kritik bezog sich Justizminister Zbigniew Ziobro bei der Parlamentsdebatte gestern:
    "Wir haben stets konsequent deutlich gemacht: Wir sind in der Europäischen Union, wir achten ihre Regeln und ihre Grundsätze. Deshalb: Obwohl wir mit der Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofs nicht einverstanden sind, halten wir uns an unsere Verpflichtungen. Deshalb legen wir eine Gesetzesnovelle vor."
    Recht sprechen geht wieder bis 70 statt bis 65
    Denn nach wie vor sind die allermeisten Polen froh über die Mitgliedschaft in der EU.
    Die nun beschlossene Novelle nimmt die umstrittensten Punkte der Gerichtsreform zurück. Die älteren Richter am Obersten Gericht werden demnach doch nicht mit 65 Jahren in den Ruhestand versetzt. Sie können - wie es das Gesetz bei ihrer Vereidigung auch vorsah - bis zum 70. Lebensjahr urteilen. Auch die Gerichtspräsidentin Malgorzata Gersdorf bleibt noch zwei Jahre im Amt. Sie zeigte sich zufrieden:
    "Natürlich ist es möglich, den Ruhestand für Richter neu zu regeln - aber nicht für Richter, die schon im Amt sind, sondern nur für neue Richter. Mir scheint, genau so sieht es das neue Gesetz vor."
    Für die PiS wird es nicht einfach, ihren Sinneswandel den Wählern zu erklären.
    Ein Anrufer bei einem regierungsnahen privaten Fernsehsender machte gestern seinem Unmut Luft: Er sei nicht nur entsetzt, er fühle sich betrogen, sagte er.
    Reaktion auf Kommunalwahl
    Eine verständliche Reaktion. Schließlich hatte es die Regierung zu einer Frage der nationalen Unabhängigkeit stilisiert, ob sie sich mit ihrer Gerichtsreform durchsetzt.
    Aber die PiS habe auf die Ergebnisse der Kommunalwahl vor knapp vier Wochen reagieren wollen, bei der sie schlechter abschnitt als erwartet, meint Marcin Matczak, Jura-Professor an der Universität Warschau und scharfer Kritiker der Regierung:
    "Im kommenden Jahr haben wir Europawahlen und dann noch polnische Parlamentswahlen. Ich nehme an, jemand hat eine Rechnung aufgemacht, aus der hervorgeht: Der Kampf gegen Brüssel lohnt sich nicht. Der Angriff der Regierung auf das polnischen Justizwesen ist an dem großen Berg, der Europäische Union heißt, zerschellt."
    Eine Formulierung, der nicht alle in Polen zustimmen. Denn weite Teile der Justizreform bleiben von dem neuen Gesetz unangetastet. So gilt weiterhin, dass die Regierung erheblichen Einfluss auf das Justizwesen bekommen hat und noch bekommen wird. Dieser Prozess wird nun allerdings etwas langsamer vor sich gehen.