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Kabarettist HG Butzko
"Wer Bildung will, muss Klugscheißer ertragen"

Investigatives Kabarett, so hat die Jury des Deutschen Kleinkunstpreises die Arbeit des politischen Kabarettisten HG Butzko charakterisiert. Sein neues Programm "Menschliche Intelligenz oder Wie blöd kann man sein?" ist eine gelungene Anleitung dazu, alles noch einmal zu durchdenken.

Von Peter Backof | 02.09.2016
    HG. Butzko , aufgenommen im Oktober 2015, auf der 67. Frankfurter Buchmesse, in Frankfurt/Main (Hessen)
    Der Kabarettist HG. Butzko (picture alliance / Uwe Zucchi)
    "Der Höhepunkt war zu lesen auf der Facebook-Seite von Pegida Nürnberg. Da schrieb jemand: 'Die Islamisierung ist bereits fortgeschritten. An deutschen Schulen werden arabische Zahlen gelehrt!' - Ich will inständig hoffen, dass zumindest hier drin jetzt jeder den Witz verstanden hat."
    Das Publikum im Aachener Franz hat das von HG Butzko Aufgespießte in den sozialen Medien – natürlich – verstanden. "Menschliche Intelligenz oder Wie blöd kann man sein?" ist die programmatische Frage. Auch über den Kabarettisten selber haben sich bereits heftige Shitstorms entladen, im Netz. Über Blödheit - und Unverschämtheit - anderer zu lachen, sie bloßzustellen, reicht das? Um: "Etwas zu tun?"
    HG Butzko: "Ich habe in all meinen Programmtiteln versucht, eine Doppelbödigkeit zu kreieren. Und der Begriff 'Menschliche Intelligenz' ist ja auch doppeldeutig. Also ist menschliche Intelligenz nicht automatisch auch Blödheit? Oder eben der Begriff 'menschlich-humanistisch': Menschlich intelligent zu sein."
    Ihr seid das Volk? Ich auch!
    Allein schon, wie er artikuliert und nuanciert: HG Butzko kann ausbaldowern, etwas heraus klamüsern, in langen Argumentationsketten, mit Bistrotisch und Barhocker als einzigen Bühnenrequisiten. Denken. Politisch denken. Beim Sprechen: Daher kann man ihm folgen. Der 90-minütige Monolog hat gefühlt keine Längen.
    "Ich ziehe mich nicht um, wenn ich auf die Bühne gehe. Das heißt, so wie ich privat rumlaufe seit 25 Jahren, gehe ich auf die Bühne, mit einem Sweatshirts, T-Shirt, Käppi."
    Ihr seid das Volk? Ich auch! - HG Butzkos Haltung. Kommunikation mit Publikum auf Augenhöhe ist das Ziel. Die unumgängliche Schirmmütze ist kein Che Guevara-Camouflage-Käppi, Butzko kein Empörter, kein Wutbürger. Er gibt den sprachlich raffinierten Nonkonformen, den Freigeist.
    "Natürlich ist ein Terroranschlag schlimm. Natürlich fühle auch ich Angst, Trauer, Wut. Auch schlimm: Dass nach einem Terroranschlag immer sofort dasselbe Ritual losgeht. Kommen die ersten um die Ecke und sagen 'Das hat mit dem Islam nichts zu tun', dann kommen die anderen und sagen 'Hat's ja wohl!', 'Selber!' 'Doch!' 'Gar nicht!' Wie im Sandkasten. Was bringt uns diese Debatte, bringt uns das irgendwie weiter, zu sagen: 'Das hat mit dem Islam nichts zu tun?'"
    Man kann nicht mehr alles voraussetzen
    Alles hat mit allem zu tun. Kleine Gags - über Burkini-Figuren zum Beispiel - könnte man so ganz tagesaktuell auskosten, nach dem Sommerloch, am Anfang einer Bühnensaison, HG Butzko verkneift sie sich. Ohne das Wort Burkini, auch ohne Merkel-Parodie und andere - garantierte - Lacher, geht es um den großen Bogen: Mehr um das Gesamtklima als um das flüchtige Wetter.
    "Ich habe immer versucht, dazu zu lernen, das Recherchieren, das Sich-schlau-Machen zum Bestandteil meiner Arbeit gemacht. Man kann nicht mehr wie in den Sechziger-, Siebzigerjahren alles voraussetzen. Es ist einfach wichtig, dass man Dinge erklärt. Hinzu kommt, dass die Politik – seit Helmut Kohl, nahtlos übergehend zu Gerhard Schröder und erst recht unter Angela Merkel – eher verschleiert und versucht, zwischen Zeilen zu verstecken."
    Politik im PR-Modus, geglättet, nichtsagend. Dazu eben diese politischen Privatiers, die in sozialen Netzwerken mit politischen Floskeln um sich schmeißen. Kurz: Repräsentative Demokratie in der Krise?
    "Ein Knackpunkt war die Finanzkrise. 2007. Da wurde uns allen vorgeführt, wie ohnmächtig die von uns gewählten Politiker sind und dass die wirklich Mächtigen in Investment-Banken und in Wirtschaftsbetrieben sitzen."
    Auch dem kann man soweit folgen. Demokratie bedeutet ja: Krise. Und die Antwort der Medien?
    "Der Verzehr von Fleisch und Wurst erhöht das Darmkrebsrisiko um 40 Prozent: Panik! Das Risiko liegt bei 0,7 Prozent. Das erhöht sich durch den Verzehr von Fleisch und Wurst auf 0,9 Prozent. Spürt ihr jetzt auch diese Panik?"
    Ja. Aber anders. HG Butzkos Premiere ist gelungen. Das ist eine Anleitung zum Selber-auch-noch-mal-alles-Durchdenken. Auch mal mit Blödeln. Empfehlenswert.