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Käßmann stand unter hohem "medialen Druck"

Markus Breuer hat den Rücktritt von Margot Käßmann bedauert. Gleichzeitig äußerte er Verständnis für das mediale Interesse an der "medieninteressanten und medienbereiten" Persönlichkeit der ehemaligen EKD-Ratspräsidentin.

Markus Breuer im Gespräch mit Bettina Klein | 25.02.2010
    Bettina Klein: Ist der Rücktritt von Margot Käßmann zwingend? Darüber gingen bis gestern Nachmittag noch die Meinungen auseinander. Mit ihrer raschen Entscheidung und der klaren und sehr ehrlichen Begründung für den Amtsverzicht hat sie selbst dann wohl viele überzeugt. Über die Begleitumstände möchte ich jetzt sprechen mit Markus Breuer, er ist Medienbeauftragter der EKD, und ich begrüße ihn am Telefon. Guten Tag, Herr Breuer.

    Markus Breuer: Guten Tag, Frau Klein.

    Klein: Ist denn klar inzwischen, wer das Geschehen eigentlich an die Medien gegeben hat?

    Breuer: Nein, das ist nach meiner Sicht der Dinge nicht klar. Aber Margot Käßmann ist die bekannteste Repräsentantin der Evangelischen Kirche in Deutschland, und ich vermute, im Zuge der Polizeikontrolle und der Folgeumstände und der vielen Menschen – nach Medienberichten sind es bis zu 200 gewesen -, die daran beteiligt waren, lässt sich auch so eine Kontrolle, so ein Vorgang nicht lange geheim halten.

    Klein: Welche Rolle hat die "Bildzeitung" gespielt? Ist das denn klar? Denn das erste Zitat von ihr wurde ja über Bild veröffentlicht.

    Breuer: Das erste Zitat wurde über "Bild" veröffentlicht, aber die Pressesprecherin der EKD hat auch gesagt, dass dieses Zitat ordentlich wiedergegeben ist und insofern gibt es von unserer Seite keine Kritik, auch an den auflagenstarken Medien, die überwiegend – ich differenziere da ganz bewusst – fair und differenziert berichtet haben. Natürlich gibt es da auch Ausreißer nach unten.

    Klein: Wäre es Ihnen lieber gewesen, das Ganze wäre nicht so schnell an die Öffentlichkeit gedrungen?

    Breuer: Mir wäre es lieb gewesen, Margot Käßmann hätte das Verfahren selbst steuern können. Wie weit sie das jetzt in den letzten Tagen auch selbst so begleiten konnte, entzieht sich im Detail meiner Kenntnis, aber ich weiß, dass Margot Käßmann eine medieninteressante und eine medienbereite Persönlichkeit ist, und insofern war es deutlich, dass auch ein großes mediales Interesse daran bestehen wird, und die Frage, wie sie als eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, die mit solcher Gradlinigkeit, auch Glaubwürdigkeit verkörpert und für den evangelischen Glauben einsteht, selbst damit umgeht.

    Klein: Hätte es einen Unterschied gegeben, wenn die Agenturen zum Beispiel nicht stundenlang die Eilmeldungen mit den Promillezahlen verbreitet hätten und die öffentliche Aufmerksamkeit vielleicht auch aus ganz anderen Gründen nicht derart stark gewesen wäre?

    Breuer: Ein medialer Druck hat immer eine Eigenwirkung. Das ist ganz klar. Die News-Meldungen bei Google sind hochgeschnellt, die Agenturen berichteten und die Fernsehstationen, die vor der Bischofskanzlei und vor dem Kirchenamt der EKD auch am gestrigen Tage gestanden haben, erzeugen schon einen medialen Druck. Das ist schon ganz klar. Aber ich erlebe auch eine Berichterstattung, die oft eine biblische Botschaft "wer von Euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein" zitiert hat. Vielleicht haben auch Journalistenkollegen dieses Jesuswort so transportiert, weil sie wissen, in welche menschliche Zwänge man ab und an auch geraten kann.

    Klein: Wie tief, Herr Breuer, sitzt der Schock heute noch am Tag nach dem Rücktritt bei der EKD?

    Breuer: Der Schock sitzt schon tief. Margot Käßmann ist eine Leitfigur für die Evangelische Kirche in Deutschland gewesen. Sie hat die Herzen von Menschen gewonnen, denen das Vertrauen auf den christlichen Glauben bisher fremd war. Zahlreiche Interviews, von "FAZ" bis Brigitte, von "TAZ" bis zu Sportzeitschriften, Talkshows im Fernsehen, haben ihr die Gabe gegeben und die Möglichkeit gegeben, das was ihr am christlichen Glauben, am Vertrauen auf Gott wichtig ist, auch weiterzugeben und sie hat damit viele, viele Menschen erreicht. Jetzt wird die Evangelische Kirche in Deutschland am morgigen Tag und am Samstag zu der regulären Sitzung des Rates zusammenkommen und weiter entscheiden, wie die Dinge zu bewerten sind. Wir haben einen sehr meinungsstarken und medienpräsenten Vizevorsitzenden, Nikolaus Schneider aus Düsseldorf, der jetzt die Amtsgeschäfte ja übernommen hat.

    Klein: Wie wahrscheinlich ist es denn, dass wieder eine engagierte Frau EKD-Ratsvorsitzende wird?

    Breuer: Die Frage ist ziemlich leicht zu beantworten. Es gibt zwei leitende Geistliche, zwei Bischöfinnen in den Gliedkirchen der EKD, das ist Maria Jepsen, die vor wenigen Monaten einen Geburtstag hatte, der über das 60. Lebensjahr hinausging, und wir haben seit dem letzten Sommer eine Bischöfin in Magdeburg, und es ist ein guter Rat, dass auch neue Bischöfinnen nicht in den ersten Amtsjahren gleich mit einem Leitungsamt im Rat betraut werden.

    Klein: Welche Anforderungen werden denn jetzt an den Nachfolger gestellt?

    Breuer: Fröhlich und einladend für das Evangelium auch in der Öffentlichkeit Sorge zu tragen und es zu vermitteln, auch den Menschen, die zweifeln, Menschen, die unsere Kirche verlassen haben, wieder zu einem Eintritt in die Kirche zu bewegen, oder ihnen ein Angebot zu machen, eine Position in der Ökumene einzunehmen, die das Profil der Evangelischen Kirche deutlich macht und auf Augenhöhe auch mit der Katholischen Kirche und den Orthodoxen pflegt und so die Vielfalt des Protestantismus in Deutschland auch öffentlich wahrnehmbar macht.

    Klein: Abschließend, Herr Breuer, würden Sie sagen, das Rennen ist noch offen, oder ist die Vorentscheidung schon gefallen?

    Breuer: Die Vorentscheidung ist nicht gefallen. Wir haben einen Vizepräses, also einen Präses aus dem Rheinland, der jetzt der stellvertretende Vorsitzende des Rates der EKD war, nun der Vorsitzende ist, und die Grundordnung sagt aus, bis zur nächsten EKD-Synode wird er die Amtsgeschäfte führen.

    Klein: Markus Breuer, Medienbeauftragter der EKD. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Breuer.

    Breuer: Sehr gerne, Frau Klein.