Archiv


Kahrs lobt "klare Ansage" Becks

Johannes Kahrs, Sprecher des rechten Seeheimer Kreises in der SPD, lobt das Machtwort Kurt Becks gegen parteiinterne Kritiker. "Wenn er mit einigen, die rumnölen, mal den Boden wischt, ist das ganz in Ordnung", sagte Kahrs, der sich nach eigenen Worten nicht direkt von Becks Äußerungen angesprochen fühlt.

Moderation: Silvia Engels |
    Silvia Engels: SPD-Chef Kurt Beck hat gestern im Parteirat offenbar Klartext geredet. Die "Berliner Zeitung" berichtet heute über einen Temperamentsausbruch gegen parteiinterne Kritiker, vor allem im Lager der SPD-Kabinettsmitglieder. Er werde diese Tonlage nicht mehr akzeptieren, sagte Beck. Das war ein Zitat. Ein anderes ist dann nicht mehr so ganz satisfaktionsfähig. Am Abend äußerte sich Kurt Beck dann auch etwas gemäßigter in den ARD-"Tagesthemen":

    "Es gibt einige Leute in der dritten und vierten Reihe, die hinter Büschen sitzen und mehr oder weniger Intelligentes erzählen - auf jeden Fall Unverantwortliches, und ich habe deutlich gemacht: Es ist jetzt gut."

    Soweit SPD-Chef Kurt Beck. Und am Telefon ist nun Johannes Kahrs, der Sprecher des Seeheimer Kreises, also ein Vertreter des eher rechten SPD-Parteiflügels. Guten Morgen, Herr Kahrs!

    Johannes Kahrs: Moin!

    Engels: Wen meint Kurt Beck?

    Kahrs: Das müssen Sie ihn selber fragen. Aber im Ergebnis glaube ich, dass es immer gut ist, wenn ein Parteichef mal eine klare Ansage macht, und es tun sich alle gut damit, wenn sie sich auch daran orientieren.

    Engels: Fühlen Sie sich denn angesprochen?

    Kahrs: Ach wissen Sie, ich schreibe keine Bücher, und wir Seeheimer sind diejenigen, die den Parteichef unterstützen, weil wir glauben, dass er in der Sache vernünftig führt und nach vorne rangeht. Deswegen fühle ich mich nicht angesprochen, außer vielleicht, dass ich Parteimitglied bin und wir jeder einen Auftrag haben, den Laden zusammenzuhalten.

    Engels: Können Sie sich denn Namen vorstellen, die sich angesprochen fühlen sollten?

    Kahrs: Natürlich kann man sich Namen vorstellen, aber das ist ja relativ langweilig, weil: Es geht ja nicht darum, dass man sich jetzt gegenseitig zerfleischt, sondern es geht darum, dass man die gute Sachpolitik, die wir machen, nach vorne bringt und nicht das ganze Tüdülüt, was in so einer Partei stattfindet, dieses menschliche Miteinander dann auch noch nach außen trägt. Das gehört sich nicht, das ist überflüssig.

    Engels: Das menschliche Miteinander ist also das eine, aber welches Lager ist denn nun gemeint? Andrea Nahles hat noch einmal heute im ARD-Fernsehen betont, dass sie Parteichef Beck als Mann der Mitte sieht. Geht dann die Kritik Becks eher an die Parteilinken oder an Ihre Adresse, die Seeheimer?

    Kahrs: Ach wissen Sie, Frau Nahles vertritt eine Gruppe in der Partei, die notwendig ist, damit die SPD als Volkspartei Mehrheiten erringen kann. Wir sind eine Gruppe, die auch notwendig ist. Eine Volkspartei ist ein komplizierter Laden. Helmut Schmidt hat mal gesagt, die SPD ist wie eine Möwe. Sie hat einen rechten Flügel und einen linken, und beide Flügel müssen flattern, damit der Vogel fliegen kann. Manchmal flattert der eine zu heftig, manchmal der andere, aber im Kern geht es nach vorne, und das ist gut so.

    Engels: Versuchen wir es wieder konkret zu machen. Ein Adressat der Kritik lässt sich ja relativ eindeutig benennen: Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Der hatte zuletzt einigen Unmut ausgelöst, indem er Heulsusen in seiner eigenen Partei beklagte. Das ist wohl eine Wortwahl, die SPD-Chef Kurt Beck nicht ganz behagt, aber hat er denn in der Sache Recht Ihrer Ansicht nach?

    Kahrs: Na ja, es gibt einige in der Partei, die weniger auf der Sachebene unterwegs sind, sondern immer Wohltaten versprechen und vieles wollen, was nicht finanzierbar ist. Und das Problem ist: Das landet immer wieder bei Peer Steinbrück, weil: Der ist dann derjenige, dem die Forderungen an die Tür genagelt werden, und der muss sie erfüllen. Deswegen kann ich gut verstehen, dass der sagt, lasst uns auf der Sachebene reden, lasst uns genau gucken, was war die Agenda, was haben wir da beschlossen? Das ist doch eigentlich eine gute Sache. Dieses ewige Genöle von einigen würde mir auf Dauer auch auf den Geist gehen. Das muss man klar sehen. Deswegen hat Peer Steinbrück einmal klar gesagt, was Sache ist, und das ist auch richtig.

    Engels: Aber das scheint ja gerade Kurt Beck nicht zu behagen. Sieht er da womöglich auch seine Kanzlerkandidatur gefährdet?

    Kahrs: Kurt Beck ist Parteivorsitzender. Der Parteivorsitzende hat das erste Zugriffsrecht. Das ist in allen Teilen der Partei klar. Da ist überhaupt nichts gefährdet. Zum anderen hat Kurt Beck nicht Peer Steinbrück kritisiert, die kommen, wie ich weiß, gut miteinander klar, sondern er hat kritisiert, dass es immer wieder kluge Menschen gibt, die an allen Ecken und allen Enden auch am Parteivorsitzenden rumnölen. Ich glaube aber, dass das ein Fakt ist, den sie immer hatten. Das war bei Helmut Schmidt so, das war bei Willy Brandt so, das war bei Gerhard Schröder so. Das erträgt man. Das ist so. Kleingeister haben sie in jeder Partei.

    Engels: Das Verhältnis zwischen Beck und Steinbrück haben wir also besprochen. Wie steht es denn um das Verhältnis zwischen Parteichef Beck und dem Vizekanzler Franz Müntefering?

    Kahrs: Wissen Sie, da ist ja auch viel reingeredet worden, von der Spargelfahrt des Seeheimer Kreises bis anderswo hin. Die beiden kommen gut miteinander klar. Ich glaube, das Wichtige ist, dass die Kabinettsmitglieder und Kurt Beck in der Sache in die gleiche Richtung marschieren. Das funktioniert. Das sehen Sie an den Ergebnissen. Deswegen glaube ich, dass es überhaupt nichts bringt, die eine oder andere Gefühlsbetonung der beiden oder der Kabinettsmitglieder da irgendwie durchzudeklinieren. In der Sache klappt das.

    Engels: In der Sache klappt das, möglicherweise aber in den Umfragen klappt es nicht. SPD-Parteichef Kurt Beck steht eigentlich auf ziemlichen Rekordtiefen und mit ihm die Partei. Können Sie da nicht die Unruhe verstehen?

    Kahrs: Kann ich nicht. Ich bin schon ein bisschen länger in der Politik, habe das bei meinen Eltern gesehen. Ich habe es selber erlebt. Das sind Umfragen, die kommen und die gehen. Wir haben die jetzige Kanzlerin gehabt. Die hatte Umfragen, dagegen sind die von Kurt Beck noch berühmt. Wir haben in Hamburg einen Bürgermeister, Ole von Beust, der ist mal mit 26 Prozent gewählt worden und hat dann mit Schill koaliert und hat jetzt ganz andere Umfragewerte. Gute Arbeit zahlt sich aus und Kontinuität auch.

    Engels: Kontinuität zahlt sich aus, sagen Sie, aber Kurt Beck muss ja das große Ganze im Blick behalten. Das heißt, Sie vertreten wahrscheinlich auch eher die Position, man solle auch an den Hartz-Reformen festhalten. Doch was macht man da mit der Linkspartei auf der anderen Seite?

    Kahrs: Zum einen vertrete ich nicht nur diese Position, sondern das ist Position der Partei. Wir haben das gemeinsam beschlossen, von Andrea Nahles über Heidi Wieczorek-Zeul bis zu mir, und daran halten wir natürlich fest, weil das richtig und gut ist, Punkt. Und mit der Linkspartei können sie im Moment eh nicht koalieren. Da haben sie viel zu viele Verrückte, die da rumlaufen. Einen Haufen von Populisten kriegen sie nicht geregelt. Da sind die Vernünftigsten in dieser Partei noch die PDS-Bundestagsabgeordneten aus dem Osten. Nur die stellen leider keine Mehrheit mehr in der Fraktion. Ansonsten würde Oskar da nicht so wüten können.

    Engels: Letzte Frage, Herr Kahrs. SPD-Chef Kurt Beck hat auch angedroht - zumindest dem Vernehmen nach -, wenn die Querschüsse nicht aufhören würden, dann würde er demnächst auch Namen nennen. Ist das die richtige Strategie?

    Kahrs: Der Parteivorsitzende ist der Parteivorsitzende, und der führt von vorn. Und wenn er mit einigen, die rumnölen, mal den Boden wischt, ist das ganz in Ordnung.

    Engels: Johannes Kahrs, SPD-Bundestagsabgeordneter und Sprecher des Seeheimer Kreises. Ich bedanke mich für das Gespräch.