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Kaiser's Tengelmann
Beteiligte haben "sehr wenig auf die Zukunft der Mitarbeiter geschaut"

Die Gespräche zur Rettung der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann sind gescheitert. Die Grünen-Politikerin Katharina Dröge macht für die Situation Bundeswirtschaftsminister Gabriel (SPD) und die Einzelhandelsunternehmen verantwortlich. Die hätten nur auf ihre eigenen Interessen geachtet, statt auf die Zukunft der Mitarbeiter, sagte Dröge im DLF.

Katharina Dröge im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Die Abgeordnete Katharina Dröge spricht im Bundestag.
    Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Katharina Dröge findet: Die Chefs der Supermarktketten hätten sehr wenig auf die Zukunft der Mitarbeiter geschaut, sondern nur auf eigene Interessen. (imago stock&people)
    Die wettbewerbspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge, macht Bundeswirtschaftsminister Gabriel (SPD) teilweise verantwortlich für die gescheiterte Rettung von Kaiser's Tengelmann. Dröge sagte im Deutschlandfunk, im Verfahren für eine Ministererlaubnis für eine Übernahme durch Edeka sei viel Zeit verloren gegangen. Gabriel habe dafür viel länger gebraucht als gesetzlich vorgesehen; und er habe gewusst, dass er eine nicht wasserdichte Entscheidung würde treffen müssen.
    Die Erlaubnis wurde schließlich durch eine Klage von Konkurrenten gekippt. Gespräche zwischen den Supermarkt-Ketten über eine Rettung von Kaiser's Tengelmann scheiterten gestern Abend. Nun steuert das Unternehmen mit über 15.000 Beschäftigten auf die Zerschlagung zu.
    Hätte Tengelmann anders verhandelt, wäre Situation wohl besser
    Dröge sagte, hätte Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub schon zuvor mit anderen Unternehmen als Edeka Gespräche über einen Verkauf geführt, statt auf den schwierigen Weg der Ministererlaubnis zu setzen, dann wäre die Situation nun eine andere.
    Die Grünen-Politikerin appellierte an die Beteiligten, die Verhandlungen doch noch weiterzuführen - möglicherweise mit dem Einsatz eines neutralen Schlichters.
    Dröge sagte, ein Problem sei, dass die beteiligten Chefs der konkurrierenden Supermarktketten zwischenmenschlich nicht miteinander auskämen. Sie hätten sehr wenig auf die Zukunft der Mitarbeiter geschaut, sondern nur auf eigene Interessen. Im Kampf um Marktmacht habe man sich verantwortungslos ineinander verhakt, vielleicht auch aufgrund von persönlichen Eitelkeiten.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Nun also doch: Es gibt wohl kaum noch Hoffnung für ein gutes Ende im Streit um die Zukunft der angeschlagenen Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann. Die Verhandlungen der beteiligten Unternehmen jedenfalls mit dem Ziel, alle 15.000 Arbeitsplätze zu retten, sind ganz offensichtlich gescheitert. Am Telefon ist Katharina Dröge, in der Fraktion der Grünen im Bundestag die Sprecherin für Wettbewerbspolitik. Schönen guten Morgen.
    Katharina Dröge: Schönen guten Morgen.
    Barenberg: Frau Dröge, helfen Sie uns ein bisschen, die Folgen dieser Nachrichten von gestern Abend zu überblicken. Würden Sie sagen, der Versuch, alle Filialen und damit auch die Jobs aller 15.000 Mitarbeiter zu erhalten, ist endgültig gescheitert?
    Dröge: Ich kann nur an alle Beteiligten appellieren, dass das nicht der Fall ist, sondern dass die Gespräche weitergehen. Aber das, was jetzt sowohl Edeka als auch Tengelmann als auch Herr Haub kommuniziert haben, das ist natürlich erst mal eine sehr schlechte Nachricht. Dass die Gespräche vor Ablauf der Frist, die man sich selbst gesetzt hat, nicht mehr fortgeführt werden und Herr Haub jetzt angekündigt hat, schon Anfang nächster Woche mit dem Verkauf einzelner Filialen zu beginnen und damit nicht mehr Paketlösungen anzustreben, wo attraktive Filialen auch mit etwas weniger attraktiven Filialen zusammen verkauft werden.
    "Den Gesprächen weitere Zeit geben"
    Barenberg: Wenn Sie jetzt an alle Beteiligten appellieren, dann heißt das, Sie sehen doch noch eine Chance. Dagegen wird ja immer ins Feld geführt, dass es da Fristen gibt, die auslaufen, und dass zum anderen der jetzige Besitzer der Supermarktkette jeden Monat zehn Millionen Euro Verlust abschreiben muss.
    Dröge: Dass Herr Haub diese Verluste hat, das ist seit Langem bekannt, und Herr Haub hat sich jetzt insgesamt zwei Jahre Zeit genommen für ein extrem kompliziertes Ministererlaubnis-Verfahren. Aus diesem Grund, denke ich, sollte er jetzt, wo die Situation so extrem schwierig ist, den Gesprächen auch weitere Zeit geben. Das Problem aus meiner Sicht liegt unter anderem darin, dass die Verfahrensbeteiligten oder die Gesprächsbeteiligten alle auch zwischenmenschlich überhaupt nicht miteinander können, die Gespräche ja von vielen als sehr, sehr schwierig beschrieben werden, und dass man dort vielleicht eine unabhängige Person noch mal braucht, so etwas wie einen Schlichter oder Mediator, der die Beteiligten zurück an den Tisch holt, um Gespräche weiterzuführen. Denn wie gesagt: Wir hatten jetzt zwei Jahre, in denen nichts unternommen wurde, um außerhalb der Ministererlaubnis zu einer Lösung zu kommen, und jetzt das Ganze in so wenigen Wochen irgendwie noch retten zu wollen, das ist einfach zu wenig Zeit.
    Barenberg: Verdi-Chef Bsirske hatte sich ja gewissermaßen als Schlichter oder als Mediator auch eingeschaltet und, wenn ich Sie richtig verstanden habe, noch für ein Treffen an diesem Samstag geworben. Würden Sie sagen, er ist der richtige Mann, um jetzt noch mal einen letzten Versuch zu unternehmen?
    Dröge: Ich fand es erst mal sehr gut, dass Verdi diese Initiative überhaupt gemacht hat. Da die Gespräche aber jetzt anscheinend an einem so verfahrenen Punkt sind, glaube ich, bräuchte es jemand völlig Unbeteiligten. Verdi war ja schon sehr lange im Verfahren auch involviert, hatte in den Gesprächen mit Herrn Gabriel auch immer die Bedingungen der Ministererlaubnis mit beraten. Und vielleicht braucht es da jemanden, der wirklich komplett außerhalb des Verfahrens steht und von allen dann als neutrale Person auch akzeptiert wird.
    Barenberg: Haben Sie einen Vorschlag?
    Dröge: Das, glaube ich, sollten die Beteiligten miteinander sagen, weil es muss ja jemand sein, den alle akzeptieren, und da kann ich von außen viele Ideen haben, aber ich glaube, das müssen die Beteiligten sagen, wen sie gut finden.
    "Sigmar Gabriel trägt in jedem Fall einen Teil der Verantwortung"
    Barenberg: Sie haben gerade gesagt, dass im Grunde zwei Jahre Zeit verschwendet worden sind, wenn ich Sie da richtig verstanden habe. In dieser ganzen Diskussion um die Ministererlaubnis von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel - der hatte ja versucht, die Fusion mit Edeka auch gegen den Widerstand der Kartellbehörden durchzusetzen, und dagegen haben dann die Konkurrenten geklagt -, würden Sie sagen, Sigmar Gabriel ist zumindest eine Person, auf die man heute Morgen mit dem Finger zeigen muss dafür, dass das jetzt an die Wand gefahren ist?
    Dröge: Sigmar Gabriel trägt in jedem Fall einen Teil der Verantwortung. Das ist so, das muss man leider feststellen. Die Ministererlaubnis ist im April 2015 von den beteiligten Unternehmen beantragt worden, das ist jetzt mehr als ein Jahr her, und Herr Gabriel hat ziemlich viel Zeit gebraucht, um dieses Verfahren durchzuführen. Er hätte laut Gesetz eigentlich vier Monate nutzen sollen, hat dann bis März 2016 gebraucht, um sich überhaupt zu entscheiden. Und er wusste, dass er mit dieser Entscheidung Risiken eingeht. Rewe hatte ganz früh angekündigt zu klagen. Das heißt, er musste eine Entscheidung treffen, die dann echt wasserdicht war. Jetzt hat sein Entscheidungsverfahren dazu geführt, dass die Richter gesagt haben, da waren Verfahrensfehler, Besorgnis vor Verfangenheit, wir stoppen das Ganze. Und das alles hat jetzt auch dazu geführt, dass wir in dieser schwierigen Situation sind, in der ganz viel Zeit verloren wurde, in der diese Gespräche hätten geführt werden können mit allen Unternehmen.
    "Haub wusste, dass er sich auf einen sehr riskanten Weg begibt"
    Barenberg: Sagen Sie damit auch - wenn da mehr Schaden entstanden ist als Nutzen -, dass es im Grunde besser gewesen wäre, dem Markt einfach den Lauf zu lassen und zu sehen, wie die Unternehmen sich einigen können oder nicht über die Zukunft von Kaiser’s Tengelmann?
    Dröge: Ich glaube, zu dem Zeitpunkt, als die Fusion zwischen Edeka und Tengelmann beschlossen wurde, hätte Herr Haub eine sehr, sehr gute Verhandlungssituation gehabt, auch in Gesprächen mit unterschiedlichen Unternehmen zu einer Lösung zu kommen, wo die Mehrheit der Mitarbeiter oder ein Großteil, vielleicht sogar alle Mitarbeiter von Kaiser’s Tengelmann übernommen worden wären. Er hatte die Situation, dass sowohl Rewe als auch Norma als auch Markant als auch Edeka Interesse hatten an seinem Unternehmen und sowohl Rewe als auch Edeka ja alle Filialen kaufen wollten. Hätte er geschickt agiert, hätte er es schaffen können, in Paketen zu sagen, Edeka, Du kriegst einen Teil von meinen interessanten Filialen, dann musst Du aber auch ein paar von den nicht interessanten nehmen, und bei Rewe das gleiche Spiel zu spielen. Denn er hätte wissen können, dass das Bundeskartellamt sehr kritisch auf diese Fusion schaut. Schon im Jahr 2008 hat er versucht, eine Einkaufskooperation mit Edeka zu machen, so etwas wie eine kleinere Fusion sozusagen, und selbst die hatte das Bundeskartellamt schon untersagt. Das heißt, er wusste, dass er sich auf einen sehr riskanten Weg begibt. Und hätte er damals Gespräche mit anderen Unternehmen geführt, dann wären wir heute mit ziemlicher Sicherheit nicht in dieser Situation.
    Barenberg: Nun ist Kaiser’s Tengelmann ja in dem großen Kuchen, sagen wir mal, des Lebensmittelmarktes und der Konzerne, die dort beteiligt sind, ja ein kleiner Player, wenn man das so sagen darf. Können Sie uns noch mal erklären, warum eigentlich der Streit darum so heftig ist und sich alle Beteiligten jetzt völlig miteinander überworfen haben?
    Dröge: Es geht grundsätzlich um Marktmacht, um die Vormachtstellung einzelner Supermärkte in einzelnen Regionen. Deswegen konnten die sich anscheinend in den Gesprächen auch nicht einigen. Zum Beispiel in der Region Bayern hat Edeka sehr, sehr viele Filialen und Rewe möchte da deutlich stärker einen Fuß in die Tür kriegen. Das möchte Edeka nicht, um seine Vormachtstellung zu behalten. Deswegen wollen sie genau diese Filialen haben und Rewe will auch genau diese Filialen haben. Bei Marktmacht geht es immer auch um Vorteile beim Einkauf für die eigenen Güter, die man dann im Supermarkt verkauft. Wenn man mehr Güter kaufen kann, dann kann man auch die Preise gegenüber den Zulieferern drücken und hat dann höhere Gewinnmargen. Das ist so das Hauptziel, weshalb man diese Marktmacht anstrebt.
    Von Maximalforderungen zurücktreten
    Barenberg: Unsere Kollegin Birgid Becker aus unserer Wirtschaftsredaktion, die hat gestern hier im Deutschlandfunk kommentiert: Edeka hat gut gepokert, könnte man jetzt sagen, aber in einem miesen Spiel. Teilen Sie diese Einschätzung?
    Dröge: Ich finde schon, dass alle Beteiligten sehr wenig auf die Zukunft der Mitarbeiter geschaut haben, sondern sehr einseitig auf die Interessen, die sie selbst durchsetzen wollten. Und gerade in der Situation, in der wir jetzt sind, halte ich das für verantwortungslos, dass sich da anscheinend alle jetzt noch miteinander verhakt haben, vielleicht auch aufgrund von persönlichen Eitelkeiten. Ich finde, hier muss endlich mal der Knoten durchschlagen werden, und alle müssen sagen, gut, jeder tritt ein Stück von seiner Maximalforderung zurück, und dann schauen wir, dass es eine gute Lösung für die Mitarbeiter gibt.
    Barenberg: Die Grünen-Politikerin Katharina Dröge heute Morgen hier live im Gespräch. Vielen Dank für Ihre Zeit, Frau Dröge.
    Dröge: Ich danke Ihnen ganz herzlich.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.