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Kaleidoskop der kubanische Hauptstadt

In "7 Tage in Havanna" widmet sich jeweils ein Regisseur mit einem Kurzfilm einem Wochentag. Die Momentaufnahmen aus der kubanischen Kultur sind witzig und voller Musik, melancholisch und strotzen zugleich vor Lebensfreude. Nur die Episode über ein Voodoo-Ritual fällt aus dem Raster.

Von Bernd Sobolla | 09.07.2013
    Mit Benicio del Toros Kurzfilm "El Yuma" taucht das Werk gleich in das Nachtleben von Havanna ein: Es handelt von Teddy, ein junger amerikanischer Schauspieler, der in Kuba eine Filmschule besucht, kein Spanisch versteht und in einer heißen Nacht zwischen Samba und Salsa, zahlreichen Drinks und betörenden Frauen, die Übersicht verliert. Josh Hutcherson spielt Teddy mit amüsierter Mine und genießt die ihm fremde Kultur.

    "Du lernst vielleicht, dass es besser ist zu reisen, ohne vorgefasste Meinung über Land und Leute. Denn Kuba unterscheidet sich sehr von dem, wie ich es mir vorstellte. Und so lernt auch Teddy, nicht voreilig Schlüsse zu ziehen."

    Ein idealer Beginn für den Film, zumal Benicio del Toro als Puerto Ricaner der kubanischen Kultur nahe steht und er zugleich das Konzept der Episoden vorgibt: ein Protagonist und eine Handvoll Nebendarsteller, die einen Aspekt des kubanischen Lebens zwischen Krisen und Improvisation zeigen.

    "Ich verstehe das Spiel und habe es zudem genossen zu sehen, was die Schauspieler aus dem machten, was ich geschrieben hatte. Insgesamt ist der Film eine positive Vision von Kuba und den Kubanern: Es geht um ihren Sinn für Humor, für Familie und Respekt. Es ist ein sehr menschliches Kuba."

    Mit viel Ironie und steigendem Alkoholspiegel lässt der Filmemacher Pablo Traperos in "Jam Session" den bosnisch-serbischen Regisseur Emir Kusturica durch Havanna taumeln. In der fiktiven Story kommt Kusturica nach Kuba, um beim Filmfestival einen Preis zu empfangen. Allerdings sind ihm Ehrungen unangenehm, Empfänge ein Gräuel und das vibrierende Handy, das seine Ehekrise signalisiert, wirft er in der Karibik.

    "You problem with wife? / Yes. I mean no. Everybody has a problem."

    Erst als ihn sein Fahrer zu einer privaten Musiksession mitnimmt, erlebt der miesgelaunte Filmemacher einen wunderbaren Wandel. Etwas abseits des Stadtlebens schildert Juan Carlos Tabíos in "Bittersüß" wie eine TV-Psychologin nebenberuflich Torten für Festivitäten backt, um das Familien-Portemonnaie aufzubessern.

    "Von dem, was sie mir bezahlen, kann ich Jessica neue Schuhe kaufen. Und meiner Schwiegermutter lass ich ein neues Gebiss machen. Das Alte solltest du mal sehen. Das ist mehr Kleber im Mund als Zähne."

    Und Laurent Cantet lässt in "La Fuente" einer alten Dame die Jungfrau Maria erscheinen. Sofort trommelt die resolute Frau die gesamte Nachbarschaft zusammen, um in einem gemeinschaftlichen Akt ihr Wohnzimmer zur Pilgerstätte umzubauen und ein großes Fest zu feiern.

    "Oh, eine Sache habe ich vergessen. / Was denn noch? / Ich habe vergessen, dass die Jungfrau möchte, dass ich ein gelbes Kleid trage, das genau so schön und festlich ist wie ihres."

    Am deutlichsten tritt das Dilemma vieler Kubaner in Julio Medems Film "Cecillas Versuchung" hervor. Er handelt von der Sängerin Cecilia, gespielt von Melvis Estévez.

    Cecilia liebt ihre Heimat, sieht aber dort und an der Seite ihres Freundes keine Lebensperspektive. Der spanische Talentscout Leonardo - charmant, elegant und wohlhabend - alias Daniel Brühl, lockt sie mit ihm nach Madrid zu kommen, um dort - und an seiner Seite - als Sängerin Karriere zu machen.

    "Wenn Du mich begleitest, bin ich bereit, ein neues Leben zu beginnen."

    Auch privat war Daniel Brühl beeindruckt von dem, was er in Havanna erlebte.

    "Zuerst fällt das Visuelle auf, die Schönheit einer zerfallenden Stadt. Und dann die Musik, dieses allgegenwärtige Vibrieren. Und nirgendwo gibt es Werbeplakate - außer für die Partei. In welchem Land kann man das schon sehen? Unsere Kinder werden das nicht mehr erleben."

    Den schönsten Film aber hat der Palästinenser Elia Suleiman gedreht. In "Tagebuch eines Neuankömmlings" kommt er selbst nach Havanna, um ein Interview mit Fidel Castro zu führen.

    "Hallo, wie geht´s? / Senor Elia ist jetzt bei mir in der Botschaft. Er würde gern in den nächsten Tagen den Comandante treffen."

    Fidels Reden sind legendär – enden aber scheinbar nie. So lässt sich Suleiman mit Krawatte und Strohhut bekleidet derweil durch Havanna treiben, begegnet Strandbesuchern und Straßencliquen, einem Clown und einer Bar-Schönheit und verirrt sich immer wieder in Gängen eines Hotels, durch das er stoisch sein Rollköfferchen zieht. Eine grandios skurrile Momentaufnahme über eine Kultur, die man vielleicht nie ganz verstehen wird. "7 Tage in Havanna" ist witzig und voller Musik, melancholisch und strotz zugleich vor Lebensfreude. Nur Gasper Noés Episode über ein Voodoo-Ritual, mit dem die lesbische Neigung eines Mädchens ausgetrieben werden soll, passt nicht in das Konzept. Ein Film, der fast alle Generationen Havannas abbildet und ein Sommerhit in den Programmkinos werden könnte. Den man aber, wenn möglich, im Original sehen sollte.